Die Nomos Handkommentare zum Kündigungsschutzrecht in 8. Auflage und zum Arbeitsgerichtsgesetz in 3. Auflage
Matthias Wiemers
Das Kündigungsschutzrecht ist ein Eckstein des asozialen Teils des Sozialstaats in Deutschland. (Wer sich als Arbeitnehmer gehen lässt, ist sicher – wer Arbeit will, hat es schwer, wenn er seinerseits über Vermittlungshindernisse verfügt.) Mit diesem Gesetz hat der Gesetzgeber erstmals 1951 wenigstens einen Teil des Arbeitsrechts speziell zu regeln versucht – und hat damit in der Folgezeit auf dem juristischen Buchmarkt wirklich eine ganze Reihe von Kommentierungen hervorgerufen.
Eine gleichermaßen kompakte wie umfangreiche Erläuterung des gesamten Kündigungsschutzrechts stellt der hier vorzustellende Kommentar von Gallner/Mestwerdt/Nägele-Berkner dar. Bearbeitet sind hierin das Kündigungsschutzgesetz sowie einschlägige Teile der folgenden Gesetze:
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz,
Bürgerliches Gesetzbuch
Umwandlungsgesetz,
Betriebsverfassungsgesetz
Bundespersonalvertretungsgesetz,
Mutterschutzgesetz
Bundeselterngeld- und Elternteilzeitgesetz,
Sozialgesetzbuch Teil IX,
Berufsbildungsgesetz,
Bundes-Immissionsschutzgesetz sowie
Teilzeit- und Befristungsgesetz.
Anhand der Stoffauswahl lässt sich bereits ermessen, was rechtlich eigentlich alles Einfluss auf die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses haben kann.
Der Band beginnt dann mit einer 35 Seiten umfassenden Einleitung über die „Grundlagen des Kündigungsrechts“ durch den Mitherausgeber Wilhelm Mestwerdt. Danach werden die 28 zum Teil gegenstandslosen Paragraphen auf gut 1200 Seiten kommentiert. Die Kommentierung ist systematisch ansprechend und übersichtlich gegliedert. Sie orientiert sich – wie im Arbeitsrecht nicht anders zu erwarten – an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, ergänzt um solche der Landesarbeitsgerichte. Dabei gehen die Kommentatoren auch auf die mitunter unterschiedliche Senatsrechtsprechung ein. Nachwiese erfolgen in Fußnoten und jeder Einzelkommentierung einer Vorschrift ist jeweils eine ausführliche Gliederung vorangestellt.
Schon die nachfolgende Kommentierung des AGG wird auf das absolute Minimum dessen reduziert, was Relevanz für Kündigungen hat. So ist etwa bei § 2 AGG nur der einschlägige Absatz 4 abgedruckt – auf den sich dann die Kommentierung auch beschränkt. Im BGB sind es dann natürlich § 613 a und die §§ 620 bis 626, die ausführlich kommentiert werden – besonders erwartungsgemäß § 626 über die außerordentliche Kündigung.
Nach drei Vorschriften aus dem Umwandlungsgesetz folgt eine Kommentierung des zentralen § 102 BetrVG über die „Mitbestimmung bei Kündigungen“ und sodann § 103 über die „Außerordentliche Kündigung und Versetzung in besonderen Fällen“.
Die These, dass der Personalrat die Steigerung des Betriebsrats ist, wird zunächst durch einen Abdruck der Kündigungsrelevanten Vorschriften aus dem Personalvertretungsgesetz (des Bundes) dokumentiert (Es sind sechs), woraus dann aber nur § 128 über die „Beteiligung bei Kündigungen“ wirklich kommentiert wird. Es werden hier selbstverständlich schon Eingangs Bezüge zu den privatwirtschaftlichen Regelungen des BetrVG hergestellt.
Das Mutterschutzgesetz enthält bekanntlich ein starkes Kündigungsverbot, dessen Regelung in § 17 MuSchG hier auch ausführlich kommentiert wird. Entsprechendes gilt für das sehr viel jüngere Verbot in § 18 BEEG. Ebenfalls recht neu ist § 5 des Pflegezeitgesetzes.
Beim Kündigungsschutz für Schwerbehinderte ist man wiederum so vorgegangen, dass zunächst die §§ 168, 169, 170, 171, 172, 173, 174 und 175 SGB IX nur abgedruckt werden, bevor § 178 über die „Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung“ dann ausführlich kommentiert wird.
Dass es eine Sondervorschrift für Auszubildende gibt, nämlich § 22 BBiG, ist nicht überraschend, wohl eher schon die Vorschrift des § 58 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Dort ist der Kündigungsschutz für Immissionsschutzbeauftragte geregelt, was in dem Kommentar kommentiert wird. An dieser Stelle fallen einem weitere Beauftragte ein, die ebenfalls einem besonderen Kündigungsschutz unterliegen – wie etwa Datenschutzbeauftragte.
Die Darstellungen aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz gehen über reine Kündigungsfragen deutlich hinaus, da hier § 14 über die „Zulässigkeit der Befristung“ und § 15 („ Ende des befristeten Arbeitsvertrages“), § 16 („ Folgen unwirksamer Befristung“), § 17 („Anrufung des Arbeitsgerichts“), § 18 („Information über unbefristete Arbeitsplätze“), § 19 („Aus- und Weiterbildung“), § 20 („Information der Arbeitnehmervertretung“) und § 21 („Auflösend bedingte Arbeitsverträge“) kommentiert werden, die überhaupt kein Kündigungsschutzrecht darstellen. Das TzBfG ist vielmehr ein Gesetz, das vollständig gegen die Einrichtung von Teilzeit-Arbeitsplätzen und Befristungen gerichtet ist und es ermöglichen will, dass Beschäftigte in Vollzeitstellen wechseln. Seine Gemeinwohlschädlichkeit dürfte in etwa dem des Kündigungsschutzgesetzes entsprechen, und es passt angesichts von Fachkräftemangel sicher nicht mehr in die moderne Arbeitswelt.
Denn wie sich aus einem aktuellen FAZ-Artikel (Christian Geinitz, Berlin vom 9. 3. 2025), ergibt, die „Bezahlung Kranker kostet mehr als der Verteidigungsetat“. Das heißt, Deutschland steht bei diesen Kosten weltweit an erster Stelle, und es ist nicht nur schlechter Führung und in Kombination damit der „inneren Emigration“ von Arbeitskräften in die Krankmeldung geschuldet, dass es Deutschland wirtschaftlich so schlecht geht. Eine Grundvoraussetzung für ein solches Verhalten sind schlechte Gesetze wie KSchG u. TzBfG.
Dass wir alle aber wenigstens in der Lage sind, diese zum Teil auch noch schlecht aufgebauten Gesetze (KSchG!) zu verstehen und anzuwenden, dies verdanken wir so ausgezeichneten Erläuterungswerken wie dem Handkommentar von Gallner, Mestwerdt und Nägele-Berkner, die von 14 weiteren Praktikern aus Anwaltschaft und Arbeitsgerichtsbarkeit unterstützt werden.
In gleicher Ausstattung (und gleicher dunkelroter Farbe) ist in dritter Auflage der von Natter und Gross herausgegebene Kommentar zum Arbeitsgerichtsgesetz erschienen. Diese beiden Praktiker aus Richterschaft und Anwaltschaft werden von insgesamt 17 ebensolchen Bearbeitern unterstützt. Der Band beginnt mit einem knappen Literaturverzeichnis und beginnt dann sofort mit den Kommentierungen der Einzelvorschriften. Weiteres Schrifttum finden wir dann jeweils zu Beginn der Einzelkommentierungen nachgewiesen, so dass hier insgesamt keine Wünsche offenbleiben. Jeder Einzelkommentierung beginnt zudem mit einer mehr oder weniger umfassenden Gliederung, was den Überblick erleichtert – wenn man bedenkt, dass ansonsten der Beginn einer neuen Vorschrift nicht einmal den Beginn einer neuen Seite auslöst und somit versucht wurde, Platz zu sparen. Der Kommentar enthält eine Vollkommentierung, einschließlich der Bestimmungen der ZPO, auf die auch das ArbGG in ihrer Eigenschaft als „Mutterprozessordnung“ gelegentlich verweist. Die Auseinandersetzung mit den ZPO-Vorschriften erfolgt allerdings integriert in die Einzelkommentierungen des ArbGG. Auch dieser Kommentar orientiert sich ganz überwiegend an der Rechtsprechung des BAG. Für den arbeitsrechtlichen Praktiker ist er daher unverzichtbar.
Gallner/Mestwerdt/Nägele-Berkner (Hrsg.)
Kündigungsschutzrecht (Handkommentar)
Nomos Verlag, 8. Auflage 2025
2.111 Seiten; 179,00 Euro
ISBN: 978-3-7560-0850-6
Natter/Gross (Hrsg.)
Arbeitsgerichtsgesetz (Handkommentar)
Nomos Verlag, 3. Auflage 2025
1.454 Seiten; 149,00 Euro
ISBN: 978-3-7560-1067-7