DSA und DMA in einem Band kommentiert
Matthias Wiemers
Neuerdings benutzt die EU-Kommission für ihre Vorschläge die Bezeichnung „Act“, mithin „Gesetz“ – obwohl doch im Lissabon-Vertrag von dieser Bezeichnung aus der gescheiterten „Verfassung für Europa“ bewusst Abstand genommen hatte. Allerdings muss die gesteigerte Aktivität der EU zur Sicherung des digitalen Binnenmarkts absolut begrüßt werden.
Praktisch gleichzeitig wurden der Digital Service Act (Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG) und der Digital Markets Act (Verordnung (EU) 2022/1925 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2022 über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor und zur Änderung der Richtlinien (EU) 2019/1937 und (EU) 2020/1828 (Gesetz über digitale Märkte) verabschiedet und sind inzwischen in Kraft.
In gewohnter Zuverlässigkeit hat der Beck Verlag auch zu diesem Themenkomplex, den man am besten zusammen betrachtet, eine Kommentierung zusammengestellt, und zwar in der roten, zumeist einbändigen Reihe außerhalb der klassischen „Kurz=Kommentare“. Hierzu werden insgesamt 38 Autorinnen und Autoren aufgeboten, die fast ausschließlich (noch) den Hochschulen zuzuordnen sind (darunter der vor Erscheinen verstorbene Göttinger Ordinarius Gerhard Spindler). Wie wir dies auch schon in anderen Kommentierungen und Werken zum Recht der Digitalisierung der jüngsten Zeit gesehen haben, stammen auch einige Autoren aus Österreich und wird (schon in der Einleitung) eine gleichermaßen deutsche und österreichische Perspektive eingenommen. Dies ist erfreulich, denn Deutschland kann insoweit von seinem kleineren und besonderen Nachbarn nur lernen.
Die vier Herausgeber beginnen den Band mit einer Einleitung, in der sie die beiden Rechtsakte in den Kontext der Strategie „Ein Europa für das digitale Zeitalter“ einordnen und sodann auch den Realbereich der Plattformökonomie zu beschreiben versuchen. Das dort gezogene Fazit sei hier (teilweise) zitiert: „Insbesondere die Netzwerk-, Skalen- und Lock-in-Effekte führen zu einem „winner-takes-it-all-Prinzip. Da diese häufig zusammen auftreten, nehmen starke Unternehmen weiter an Marktmacht zu, während schwächere Unternehmen absinken, der Markt tendiert in der Folge zur Konzentration. Ist ein Plattformmarkt erst einmal dergestalt „gekippt“, stellt sich auf diesem auch bei Wahrung kartellrechtlicher Vorgaben nicht einfach wieder ein freier Wettbewerb ein“ (S. 11).
Die Einleitung schließt mit einer rechtspolitischen Kritik, die nacheinander beide „Acts“ behandelt und hierbei nicht sogleich selbst kritisiert, sondern zunächst bereits in der Literatur geäußerte Kritik aufnimmt und sodann selbst bewertet.
Es folgt die Kommentierung der beiden Verordnungen, wobei beiden jeweils die Erwägungsgründe unkommentiert vorangestellt werden. Den Erwägungsgründen kommt in den Kommentierungen überraschenderweise nur eine sehr untergeordnete Rolle zu – was bei anderen Werken just zu diesem Themenfeld gerade anders gehandhabt wird. Die Einzelkommentierungen sind nicht völlig identisch aufgebaut, enthalten aber oft beispielsweise Ausführungen zur Entstehungsgeschichte, was zum besseren Verständnis beiträgt, und sehr oft am Schluss jeweils eine rechtspolitische Würdigung oder eine solche samt Ausblick. Dies ist besonders hervorzuheben, weil die EU hier zu weiten Teilen Neuland betritt und möglicherweise der eine oder andere Regelungsansatz zu hinterfragen ist und sicherlich die Verordnungen auch nicht lange Zeit völlig unangetastet bleiben werden. Den Einzelkommentierungen stehen knappe Literaturangaben und eine Gliederung voran, während der Gesamtband vorne noch ein Literaturverzeichnis enthält.
Fazit: Der Band dürfte die gemeinsame „Erstkommentierung“ der beiden Verordnungen in Deutschland darstellen und wird sicher eine führende Position auf dem Markt einnehmen und behaupten.
Mast/Kettemann/Dreyer/Schulz – DSA, DMA (Kommentar), 1. Auflage 2025, Verlag C.H. Beck, 1602 Seiten; 219,00 Euro, ISBN: 978-3-406-80030-6