Tim Pidun und Gunnar Auth sind Herausgeber einer aktuellen Handreichung
Matthias Wiemers
Die Werke, die sich wissenschaftlich mit der Digitalisierung der Verwaltung beschäftigen, sind inzwischen so zahlreich, dass man getrost von einem neuen Rechtsgebiet „Recht der Verwaltungsdigitalisierung“ sprechen kann – auch wenn selbstverständlich das Verwaltungsrecht im engeren Sinne nicht mehr ohne Ausführungen zu bereits umgesetzten gesetzlichen Digitalisierungsschritten auskommen kann. „Verwaltungsdigitalisierung“ könnte allenfalls noch von einer „Verwaltungslehre“ integrierend mit aufgefangen werden, ohne dass man ein neues Rechtsgebiet kreieren müsste. Die (einigermaßen aktuellen) Werke zur Verwaltungslehre sind allerdings schon nicht mehr so zahlreich wie dieses neue Querschnittsgebiet.
Auffällig ist hier aber, dass der Titel von „Verwaltungsinformatik“ handelt und auf den ersten Blick die Perspektive der Informatiker einzunehmen scheint. Der erste Teil des Bandes, der mit etwa 15 Seiten und acht Einzelbeiträgen den größten Raum einnimmt, ist denn auch mit „Schwerpunkt Verwaltungsinformatik“ überschrieben.
Zuerst referieren Olivia Jürgenssen und Jürgen Anke über den Beitrag der Sozioinformatik zur menschengerechten Gestaltung von Verwaltungsleistungen (S. 15 ff.). Kern des Beitrags ist die Technikfolgenabschätzung. Ganz kurz blicken sodann Anne Gellert und André Mai auf die Nachhaltigkeit in einem konkreten IT-Projekt, und zwar geht es um Entscheidungen über die Software-Architektur in Haushaltsverfahren (S. 33 ff.).
Thomas Rehbohm und Kurt Sandkul zeigen die „Evaluation einer föderalen Referenzarchitektur für Cybersicherheit“ (S. 39 ff..
Auch beim nächsten Beitrag geht es um IT-Sicherheit, wobei Frank Moses in seinem Beitrag über „Risikomanagement: Fundament einer GRC-Gesamtarchitektur“ aus dem Blickwinkel der Kommunalverwaltung berichtet (S. 63 ff.).
In einem Praxisbericht aus dem Geschäftsbereich des Sächsischen Staatsministeriums für Regionalentwicklung zeigen Stephan Rohde, Oliver Jokisch, Anita Eichhorn und Markus Straßburg „Potenziale und Grenzen beim Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung“ auf (S. 87 ff.).
Wiederum aus der Perspektive der Kommunen fragt Sophia Weß: „Wie können digitale Zwillinge die Aufgabenwahrnehmung deutscher Kommunen verändern?“ (S. 117 ff.)
Wo schon von KI die rede war, darf die Blockchain-Technologie nicht fehlen. Steffen Vaupel zeigt das Potenzial nachweisgebundener und digital signierter Antragsverfahren mit Blockchain-Unterstützung auf (S. 129 ff.).
Ein größeres Autorenkollektiv bringt hier abschließend noch ein konkretes Anwendungsbeispiel einer digitalisierten Verwaltung, und zwar bezogen aus das Bürgergeld (S. 143 ff.). Hier geht es auch darum, schon Gesetzestexte so zu fassen, dass sie digitaltauglich sind. Dies zeigt, dass die Rede davon, ein analoges Verfahren einfach eins zu eins zu digitalisieren, sei noch keine Digitalisierung ganz neue Fragen auch der Gesetzgebung und damit der demokratischen Legitimation von Rechtsetzung aufwirft. Aber dies ist nur eine Bemerkung eines kritischen Rezensenten.
Der „Schwerpunkt Rechtsinformatik“ setze sich nur aus zwei Einzelbeiträgen zusammen. Zunächst berichtet Ralf-Rainer Petzold über „Komplexitätsprobleme bei der OZG-Umsetzung am Beispiel der EFA-Leistungen (S. 161 ff.), bevor wir wiederum von einer größeren Autorengruppe „Anwendungsfälle und Datenverfügbarkeit für den Einsatz von künstlicher Intelligenz in Geschäftsprozessen der Justiz auf Landesebene“ geschildert bekommen (S. 175 ff.).
Besonders relevant ist sicherlich der „Schwerpunkt Aus- und Weiterbildung“, weil es einerseits zu den Alltagsweisheiten von Leitungsverantwortlichen in der Verwaltung gehört, dass man Menschen, die sich mit IT und Digitalisierung auskennen, mit den Gehaltsstrukturen des öffentlichen Dienstes nicht bezahlen kann, andererseits aber oftmals einfach die richtigen Aus- und Weiterbildungsangebote fehlen, die für die Verwaltung benötigt werden (und zudem dann manchmal völlig unqualifizierte Personen zum Einsatz kommen – wie dies im kleinen Mittelstand auch geschieht).
Lara Kohl und Ilona Benz rufen hier zunächst „Der Kompetenz-Mix machts – Wie die Zusammenarbeit in interdisziplinären Smart-City-Teams gelingt (S. 193 ff.), bevor Uwe Borghoff, Nicol Matzner-Vogel und Siegfried Rapp ein Blick auf die Verwaltung 4.0 blicken, und zwar mit dem Fokus auf eine „Verwaltungsinformatik als maßgeschneiderte und notwendige Bildungsplattform für eine moderne IT-gestützte Bundesverwaltung“ (S. 203 ff.). Dieser Beitrag passt am besten zu der eingangs geschilderten Möglichkeit der Eingliederung in eine moderne „Verwaltungslehre“, weil die Autoren hier immer wieder die Notendigkeit von Rechtskenntnissen betonen und etwa am Ende auch darauf hinweisen, dass die Nachvollziehbarkeit von Verwaltungshandeln unbedingt in der Ausbildung vermittelt werden muss (S. 217). Auch sonst konnte man dem Band entnehmen, dass es weniger um IT-Wissen im Sinne von Informatik ankommt, sondern um Anwenderwissen und Kommunikationsfähigkeiten.
Tim Pidun und Natalie Hinze beschließen den Band mit einem Beitrag über „Ein Rahmenwerk transformativer und technologischer Kompetenzen für die Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland“ (S. 221 ff.). Die Autoren haben hier wissenschaftliche Veröffentlichungen ausgewertet, um zu einem allgemeingültigen Anforderungsprofil für die Verwaltungsdigitalisierung zu kommen. Bildungsträger können sich hieran orientieren.
Alles in allem überzeugt der Band durch seine aktuellen und praxisbezogenen Beiträge. Er zeigt aber, in welcher Vielfalt in Deutschland am großen Vorhaben „digitaler Staat“ gearbeitet wird. Hoffen wir, dass Deutschland zwar spät, aber immerhin sicher ins Ziel gelangt!
Tim Pidun / Gunnar Auth (Hrsg)
Praxishandbuch Verwaltungsinformatik
transcript verlag Berlin, 1. Aufl. 2025
240 Seiten; 40,00 Euro
ISBN: 9783825264314