Das BVerfG ist für alle da

Alexander Thiele bringt das Gericht einem breiteren Publikum nahe

Matthias Wiemers

Neben einer Reihe von Lehrbüchern für das juristische Studium existieren auch mehre Werke, die die Geschichte des Bundesverfassungsgerichts allgemeinverständlich und in ihren auch politischen Bezügen dargestellt haben. Es sei hier nur auf die Namen Rolf Lamprecht, Uwe Wesel und Michael Stolleis hingewiesen.
Während die vorgenannten Autoren jeweils etwa 400 Seiten beschriebenes Papier produzierten, hat Alexander Thiele jetzt vielleicht schon gesehen, dass Menschen heute weniger lange Bücher lesen und man – will man wirklich gelesen werden – sich einfach kürzer fassen muss.
Dies hat er nun mit einem ohne Endnoten gut 130 Seiten umfassenden Werk getan, das Thiele „Machtfaktor Karlsruhe“ genannt hat.
Es handelt sich hierbei also nicht um ein Lehrbuch des Verfassungsprozessrechts, sondern eine Darstellung des Bundesverfassungsgerichts im System des Grundgesetzes – wie es im Untertitel heißt.
Dass das Buch zugleich eine ganz persönliche Auseinandersetzung seines Autors mit dem BVerfG ist, zeigt das erste Kapitel „Achteinhalb Stunden im Juni 2023“, worin Thiele seine Beteiligung als Prozessvertreter der Bundesregierung in Sachen Nachtragshaushaltsgesetz für das Jahr 2021 wie auch seinen Erstkontakt mit dem Gericht im Jahre 2005 schildert, wo er die Exkursion einer studentischen Gruppe organisiert hatte (Verhandlung zum Luftsicherheitsgesetz).
In aller Kürze wird im zweiten Kapitel „Zur Geschichte der Verfassungsgerichtsbarkeit“ berichtet, die nochmals den besonderen Machfaktor Bundesverfassungsgericht bestätigt.
Das zentrale und umfangreichste dritte Kapitel präsentiert in sehr gelungener Zusammenfassung „Funktion und Verfahrensarten“, bevor anschließend über „Status, Organisation und Richter:innen“ (Kap. 4) berichtet wird.
Der sodann aufgezählte Weg zu den Entscheidungen und zu den Entscheidungswirkungen (5.) arbeitet vor allem die Unterschiede des BVerfG zum US Supreme Court heraus. In dieses Kapitel sind vor allem Erkenntnisse der ehemaligen Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff eingeflossen, die vor drei Jahren im Auftrag der Konrad Adenauer Stiftung einen voluminösen Band über „Beratungskulturen“ veröffentlicht hat, worin sie noch zahleiche weitere Verfassungsgerichte untersucht hat.
Im noch eine Seite mehr als Kapitel 3 umfassenden fünften Kapitel werden „Bedeutende Entscheidungen“ analysiert, die in die zwei Gruppen der Entscheidungen zum politischen System und solche zum gesellschaftlichen und ökonomischen Leben unterteilt sind. Hier finden wir weitgehend das, was sich auch bei Lamprecht, Stolleis und Wesel findet.
Ein Kapitel über „Das Bundesverfassungsgericht in der Kritik“ (7) durfte selbstverständlich nicht fehlen.
Die abschließend auf fünf Seiten aufgeworfene Frage nach „Mehr Politik wagen?“ (8) wird letztlich mit einem zögerlichen Ja beantwortet.

Ein sehr lesenswertes Buch eines Autors, der sich – offenbar nach Redaktionsschluss – mehrfach für die derzeit kritisierte Richterin Brosius-Gersdorf in die Bresche geworfen hat.

Sollte für „Karlsruhe“ wider Erwarten ein ersatzweises Personaltableau gesucht werden, böte sich hier ein sehr kenntnisreicher Kandidat vielleicht an.

Alexander Thiele
Machtfaktor Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht im System des Grundgesetzes
Campus Verlag 2025
139 Seiten; 18,00 Euro
ISBN: 9783593521084

Veröffentlicht von on Aug. 4th, 2025 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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