Lebensmittelrecht!

Ein neueres Spezialfach auf dem Vormarsch

Matthias Wiemers

Seit vielen Jahren drängen immer mehr Juristen in den Anwaltsberuf. Wird man zwar immer noch von einem einheitlichen Beruf des Rechtsanwalts sprechen können, so ist Spezialisierung doch heute das Gebot der Stunde. Dies haben nicht zuletzt die Universitäten erkannt und sich in den letzten Jahren stark ausdifferenziert.

Spezialisierung im Recht und im Beruf
Eines der neueren Spezialfächer ist das Lebensmittelrecht, das inzwischen an zwei juristischen Fakultäten in Deutschland – in Bayreuth und Marburg – an besonderen Forschungsstellen gepflegt und auch gelehrt wird.
Lebensmittelrecht ist eigentlich ein sehr altes Rechtsgebiet: Schon aus der Antike kennen wir lebensmittelrechtliche Sachverhalte, und immer wieder lassen sich Querverbindungen zu religiösen Speisevorschriften herstellen. Vor allem aber das Mittelalter kannte drastische Strafen für den falschen Umgang mit Lebensmitteln, insbesondere in Zusammenhang mit der betrügerischen Vorspiegelung falscher Qualitätsmerkmale.
In den letzten 100 Jahren entwickelte sich das Lebensmittelrecht allmählich vom (Neben-) Strafrecht hin zum Besonderen Verwaltungsrecht (mit Straf- und Bußgeldbewehrung). Zunehmend spielt gegenwärtig auch das Privatrecht im Lebensmittelrecht eine Rolle. Insbesondere der Handel gibt sich heute nicht mehr mit den lebensmittelrechtlichen Mindeststandards des Gesetzgebers zufrieden, sondern verlangt von seinen Lieferanten vielfach vertraglich mehr.

Lebensmittelrecht als Verbraucherschutzrecht
Lebensmittelrecht ist Teil einer immer weitergehenden Verbraucherschutzgesetzgebung in Deutschland und Europa. Für die Weiterentwicklung des Lebensmittelrechts als Besonderes Verwaltungsrecht ist in der Bundesregierung das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zuständig. Hauptgesetz ist das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) aus dem Jahre 2005, wichtige Rechtsverordnungen sind die Lebensmittelkennzeichungsverordnung (LMKV) und die Lebensmittelhygieneverordnung (LMHV), beide aus dem Jahre 2007. Für den Vollzug des Lebensmittelrechts zuständig sind die Behörden der Länder. Spätestens seitdem in Bund und Ländern Ministerien existieren, die ausdrücklich den Verbraucherschutz im Namen tragen, ist dieses Politikfeld in Deutschland etabliert und entwickelt sich ständig weiter.

Europäisierung des Lebensmittelrechts
Die vorstehend skizzierte Entwicklung in Deutschland ist aber unvollständig beschrieben, wenn man die europäische Ebene außer acht lässt. Die Kompetenzen der Europäischen Union sind auch nach dem Vertrag von Lissabon noch prinzipiell begrenzt. Allerdings bestehen Kompetenzen im Bereich des Verbraucherschutzes und des Gesundheitsschutzes, und zudem besteht das Recht, Maßnahmen zur Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes zu treffen. Da jede nationale lebensmittelrechtliche Vorschrift aber prinzipiell den Freien Warenverkehr innerhalb der EU behindern kann, verwundert es nicht, dass die EU immer neue Wege findet, das Lebensmittelrecht europäisch zu harmonisieren. Gab es schon seit Jahrzehnten zahlreiche Richtlinien im Lebensmittelrecht, so besteht seit etwa zehn Jahren der eindeutige Trend, direkt Regelungen im Wege der europäischen Verordnung zu erlassen. Da das deutsche Recht ergänzend herangezogen werden muss, wird das Lebensmittelrecht dadurch nicht übersichtlicher.
Die politische Strategie im europäischen Lebensmitelrecht wurde festgelegt im „Weißbuch Lebensmittelsicherheit“ aus dem Jahre 2000, das zahlreiche vor allem gesetzgeberische Maßnahmen vorsieht, die seither von der EU-Kommission abgearbeitet werden. Beruhte das Weißbuch vor allem auf der BSE-Krise, so geben weitere so genannte Lebensmittelskandale ständig neuen Anlass, weitere Maßnahmen zu ergreifen – alles gute Gründe, um von einem steigenden Bedarf an Lebensmittelrechtlern auszugehen.

Weiterbildungsangebote
Die Forschungsstelle für Deutsches und Europäisches Lebensmittelrecht an der Universität Bayreuth wurde bereits 1990 gegründet und führt vor allem Seminaren durch. Die Forschungsstele für Lebens- und Futtermittelrecht an der Universität Marburg wurde im Jahre 2005/06 gegründet. Dort wird – neben einem jährlichen Symposium – seit 2006 in jedem Herbst eine dreiwöchige Lebensmittelrechtsakademie durchgeführt, die sich an Absolventen nicht nur der Rechtswissenschaften, sondern auch an Praktiker wendet. Weil auch Praktiker – etwa aus den Bereichen Lebensmitteltechnologie, Lebensmittelchemie und Ökotrophologie – sowie Unternehmensjuristen von der Akademie angesprochen werden sollen, sind die drei Akademiewochen auf drei Monate verteilt. Einen Fachanwalt für Lebensmittelrecht gibt es noch nicht (Teile des Lebensmittelrechts deckt der Fachanwalt für Agrarrecht ab). Das Lebensmittelrecht ist ein lebendiges Rechtsgebiet mitten aus dem Leben.

Informationen:
http://www.lmr.uni-bayreuth.de/aktivitaeten.html#v
http://www.uni-marburg.de/fb01/lebensmittel-alumni/aktuelles/index_html

Veröffentlicht von on Mai 9th, 2011 und gespeichert unter DRUM HERUM, UND DANACH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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