Dem schreibenden Juristen Wolfgang Bittner eine Rezension zum 70. Geburtstag
Thomas Claer
Das muss der schönste Beruf der Welt sein, denkt man: Bücher schreiben, sich dabei seine Zeit frei einteilen können, unabhängig und nur sich selbst verantwortlich sein. Das dachte sich vor einigen Jahrzehnten auch der junge Jurist Wolfgang Bittner, dessen Abneigung gegen die Justiz sich während seines Referendariats stetig gesteigert hatte. „Aus Gründen der Selbstbestätigung“ erwarb er noch den Doktortitel, fuhr anschließend für einige Jahre mehrgleisig – und dann war für ihn Schluss mit Jura. Doch hat die Freiheit eines Schriftstellers ihre Grenzen immer in den ökonomischen Zwängen, denen er unterworfen ist. Bittner, ein Flüchtlingskind aus einfachen Verhältnissen, entschied sich bewusst gegen einen parallel ausgeübten „Brotjob“. Sein Anspruch war es, vom Schreiben leben zu können, und zwar „ohne sich zu prostituieren“. Leicht ist so etwas nie – aber bei ihm hat es funktioniert. Wie, das erklärt er in seinem stark autobiographisch geprägten Ratgeber „Beruf: Schriftsteller. Was man wissen muss, wenn man vom Schreiben leben will.“ Vor allem braucht es enormen Fleiß und ein hohes Arbeitspensum. Etwa 50 Bücher hat Bittner in dreieinhalb Jahrzehnten veröffentlicht, darunter vier Romane für Erwachsene, neun Kinder- und Jugendromane und 15 Bilderbücher.
Zunächst geht „Beruf: Schriftsteller“ auf einige handwerkliche Aspekte des Schreibens ein, auch auf die mentale Seite des Schreibvorgangs. Erst nach der Diskussion so abstrakter Fragen wie der Rolle des Schriftstellers als moralisches Gewissen unserer Gesellschaft – wohl nicht für jeden angehenden Schriftsteller vordergründig – kommt die eigentliche Crux des Autorentums, seine Finanzierbarkeit, zu ihrem Recht. Zu den nun offerierten harten Fakten zählen Muster-Verlagshonorarverträge (mit Vorschuss-Vereinbarungen), Auflistungen der (mitunter nicht ganz unerheblichen) laufenden Kosten eines Literaten und empfohlene Honorarsätze für Autorenlesungen in Schulen. Relativ wenig erfährt man über mögliche Wege, die eigenen Werke überhaupt erst einmal bei einem Verlag unterzubringen, worin aber das praktische Haupthindernis für unzählige publikationswillige Autoren liegen dürfte. Entscheidend ist, so liest man zwischen den Zeilen, wie so oft das Netzwerkertum, die Unterhaltung und Pflege der richtigen „Kontakte“.
Das Buch ist schon seit ein paar Jahren auf dem Markt, und das ist ihm gelegentlich auch anzumerken. Nur wenige Lebensbereiche sind von der sich zusehends beschleunigenden digitalen Revolution so sehr betroffen wie das Entstehen und Herausbringen von Büchern. Was Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte lang grundlegend und unverzichtbar war, verdampft gerade vor unseren Augen. Inzwischen kann man wohl sagen, dass es zwar niemals so leicht war wie heute, eigene Texte zu publizieren, also einer großen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. (Davon kann sich jeder leicht im Internet überzeugen.) Doch ausschließlich davon leben zu können, das wird schon angesichts der sich abzeichnenden Marginalisierung des Buch- (genau wie des Zeitungs-) Drucks mit der Zeit immer unwahrscheinlicher. Was sich aber bis heute im Grundsatz nicht verändert hat, ja wenn der Augenschein nicht trügt, sogar noch deutlich zugenommen hat, ist der Antrieb vieler Menschen zum Schreiben. Sicherlich würden inzwischen zahllose Hobby-Autoren und Blogger den Satz Wolfgang Bittners auch für sich reklamieren: „Schreiben ist ein Weg für mich, mit dem Leben besser fertig zu werden.“ Oder wie es Johannes R. Becher sagte: „Man schreibt, um zu sich selbst zu kommen.“ Nur: Wer soll das alles lesen und wer soll das alles drucken? So glauben wir dem Verfasser am Ende zwar gerne, dass man all die nützlichen Dinge, die in seinem Buch stehen, wissen muss, wenn man vom Schreiben leben will. Man sollte aber vernünftigerweise lieber nicht daran glauben, dass Letzteres unter den heutigen Umständen auch gelingen kann. Außer einem gelingt ein ganz großer Wurf – oder man prostituiert sich.
Wolfgang Bittner
Beruf: Schriftsteller. Was man wissen muss, wenn man vom Schreiben leben will
Überarbeitete Neuausgabe Allitera Verlag München 2006
148 Seiten, EUR 19,90
ISBN 3-86520-197-0