Joachim Radkau präsentiert eine Weltgeschichte der Ökologiebewegung
Matthias Wiemers
Wir leben nicht in einer Zeit, in der man „Welt- oder Universalgeschichten“ schreibt. Diese liegt mindestens Jahrzehnte zurück. Der Untertitel „Eine Weltgeschichte“ wirkt aber nur auf den ersten Blick vermessen. Nimmt man das hier vorzustellende Buch zur Hand, möchte man es gar nicht mehr loslassen. Auch wenn sich seit einigen Jahren in der öffentlichen politischen Debatte der Verbraucherschutz mehr in den Vordergrund geschoben hat und Umweltschutz mittlerweile Staatsziel geworden ist. Die Ereignisse der letzten Monate zeigen, dass der Umweltschutz in Deutschland keineswegs zur Ruhe gekommen ist.
Der Bielefelder Historiker Joachim Radkau, der bislang u. a. mit Forschungen über den deutschen Wald und die Nutzung der Kernenergie hervorgetreten ist, legt hier ein Werk vor, mit dem er der Geschichte der Umweltbewegung weltweit nachgeht – mit einem deutlichen Schwerpunkt freilich auf den deutschen Verhältnissen. Der Leser ist zumindest überrascht, an welchen Daten der Geschichte man den (?) Beginn der Umweltbewegung jeweils festmachen könnte. Nach ersten Überlegungen hierzu (Kap I. Spurensuche im Ökodschungel – Umweltschutz denken“) macht Radkau um das Jahr 1970 eine „ökologische Revolution“ fest (Kap. III) und behandelt deshalb zunächst einige Vorläufer, denen er keine so große Bedeutung zumisst (Kap. II). Interessant ist hierbei vor allem der Blick auf die NS-Zeit, die im Rahmen der Aufhebung der Länder erstmals eine reichseinheitliche Naturschutzgesetzgebung kannte. Erst auf S. 15 beginnt der Hauptteil des Buches, wo in insgesamt fünf Unterkapiteln „Die großen Dramen der Umweltbewegung“ präsentiert werden. Neben drei eher abstrahierenden Abschnitten, in denen verschiedene Aspekte der Umweltpolitik, unterschiedliche Eigenschaften der Akteure bzw. verbindende Elemente beleuchtet werden (1. „Das ewige Wechselspiel zwischen vernetztem Denken und praktischer Priorität“, 2. „Charismatiker und Ökokraten“ sowie 3. „Freund-Feind oder Win-Win-Szenario?“), ist es am Schluss noch einmal die Zeitgeschichte (4. „Die Zeitenwende um 1990 – Von der sozialen zur Generationen-Gerechtigkeit?“), die den Autor beschäftigt, bevor er einmündet in die Betrachtung von Gegenwart und naher Zukunft (5. „Umweltpolitik zwischen Globalisierung und Antiglobalisierungsbewegung“).
Was dieses Buch so lesenswert macht, ist die Möglichkeit für den Leser, Vorurteile abzubauen, interessante Zusammenhänge zu entdecken und das, was er gegenwärtig unter Umweltpolitik beobachten kann, in den richtigen Kontext einzuordnen. Ein Buch, das dazu einlädt, überkommene Denkschablonen abzulegen.
Es sei namentlich Juristen, die sich für das Umweltrecht interessieren, sehr ans Herz gelegt. Ist doch gerade das Umweltrecht „politisches Recht“, das wiederum am besten im historischen Kontext verstanden wird.
Joachim Radkau
Die Ära der Ökologie. Eine Weltgeschichte
Verlag C. H. Beck, München 2011
782 S., 29,95 Euro
ISBN 978-3-406-61372-2