Kommunistischer Fort-Schritt

Immer mehr junge Kubaner wollen ihre Heimat verlassen, derweil die Zahl der Oppositionsgruppen landesweit wächst

Benedikt Vallendar

Junge Kubaner (Foto: Vallendar) Wenigstens sie wollen auf Kuba bleiben: Junge Benediktinermönche in ihrem Kloster in La Havanna (Foto: Vallendar)

La Havanna – Wer als Urlauber nach Kuba kommt, kann sich nur schlechterdings vorstellen, was sich tagtäglich hinter den Kulissen des von elf Millionen Menschen bevölkerten Karibikeilands abspielt. Seltsam friedlich erscheint der Alltag unter Palmen und zwischen verfallenen Häuserzeilen in der Altstadt von La Havanna, der Hauptstadt. Doch die Idylle trügt. Die allgemeinen Menschen- und Bürgerechte, spätestens seit der Französischen Revolution von universalem Charakter, betrachtet die kommunistische Regierung der Zuckerinsel bis heute als „Kampfmittel der Bourgeoisie und des US-Imperialismus“ gegen die „Rechte der Arbeiterklasse“. Arbeiterklasse? Wie das Leben von Millionen Kubaner aussieht, die tagtäglich mit ihrer Hände Arbeit ums Überleben kämpfen, erschließt sich dem Außenstehenden oft erst auf den zweiten Blick. Für jedes private Geschäft müssen Kubaner eine Genehmigung beantragen, die, ob saftiger Gebühren, jedes Unternehmertum im Keim erstickt, ja ersticken soll. Denn noch immer glaubt die Regierung, dass geschäftliches Gebaren beim Staat am besten aufgehoben sei. Damit wächst die Lethargie und der Frist unter jungen Leuten. Die meisten Kubaner im arbeitsfähigen Alter haben nur ein Ziel: Die USA oder Europa. Wenn junge Leute abends am Malecón, der berühmten Hafenpromenade im Nordosten La Havannas stehen und sehnsüchtig übers Meer blicken, dann hat das wenig mit Romantik zu tun. Die meisten 20 – 25-Jährigen sind verzweifelt, ob des harten Alltags. Parolen wie „Sozialismus oder Tod“, „Wir werden siegen“ oder „70 Prozent der Kubaner wurden während des US-Embargos geboren“, die in La Havanna Straßenkreuzungen und öffentliche Plätze zieren, bestimmen das politische Mainstream und wirken wie Hohn, angesichts des Mangels an Babynahrung, frischem Obst und bezahlbaren Textilien. Höherwertige Lebensmittel müssen auf Kuba teuer in Devisen bezahlt werden, derweil sich die Kommunistische Partei in Revolutionsromantik und leeren Worthülsen suhlt.
Nahezu täglich kursieren in Kuba Nachrichten über willkürliche Festnahmen und von der Partei organisierte „Volkserhebungen“, wenn Bürger öffentlich für ihre Rechte eintreten und auf die Straße gehen. „Das Prozedere ist fast immer dasselbe und zeigt die Nervosität der Regierung“, sagt Martin Lessenthin, Sprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt am Main, die als eine der schärfsten ausländischen Kritiker der kubanischen Regierung gilt. „Staatssicherheitsbeamte in Zivil nehmen Oppositionelle willkürlich fest, setzen sie für ein paar Stunden bis Tage in Gewahrsam und versuchen, sie und ihre Angehörigen durch Drohungen gefügig zu machen“, sagt Lessenthin. „Dank gut vernetzter Informanten gelangen Hinweise über Verhaftungen heute schneller als früher nach außen, weshalb die kubanische Regierung im Internet die größte Bedrohung ihrer Macht sieht“, sagt er. Die jüngsten, erfolgreichen Volkserhebungen in der arabischen Welt haben gezeigt, was durch das  World Wide Web möglich ist.

Privilegien für Kommunisten

Es ist paradox: Eine Partei, die nach ihrem kommunistischen Verständnis Geld als Zahlungsmittel eines Tages überflüssig machen will, setzt verstärkt auf finanzielle Mittel, um im Kampf gegen die eigene Bevölkerung gewappnet zu sein. Das Castro-Regime sichert sich durch eine Vielzahl exorbitant hoher Steuern und Gebühren den Unterhalt des Macht- und Unterdrückungsapparats, ohne den es längst am Ende wäre. Selbst von Überweisungen aus dem Ausland zweigt der Staat eine beträchtliche Summe ab, eine SMS aus Kuba kostet mehr als einen, eine Minute Auslandstelefonat zehn Euro. Mittlere und höhere Parteifunktionäre und Angehörige der Staatssicherheit profitieren von einem Sonderversorgungssystem, das sich ebenfalls aus Devisen speist. Doch auch hier gelten strenge Hierarchieunterschiede. Die klassenlose Gesellschaft existiert auf Kuba nur auf dem Papier. Einfache Soldaten und Streifenpolizisten bekommen einmal im Monat höherwertige Lebensmittel zu günstigen Preisen; Funktionäre entspannen auf Staatskosten in Luxushotels im Norden und Süden der Insel. Privilegien und Belobigungen haben auf Kuba System. Sie haben aber wenig mit Leistung im engeren Sinne zu tun, sondern sind allein eine Frage des sozialen Status` sowie der Nähe zur Staatspartei.

Der schöne Schein der Diktatur

Tourismusbroschüren werben für Kuba. Und auch im staatlichen kubanischen Fernsehen erscheint Kuba wie ein Paradies der Arbeiter- und Bauernklasse, der es anderswo kaum besser ergehen könnte – glaubt man den Strippenziehern in den Führungsetagen von Cubavisión, der von der Kommunistischen Partei Kubas kontrollierten Sendeanstalt, mit Sitz in La Havanna, die ein landesweites TV-Monopol besitzt.
Das Logo von Cubavisión, ein auffällig bewimpertes Auge, erinnert stark an das Konterfei des Großen Bruders (Big Brother) in George Orwells düsterem Zukunftsroman „1984“. Zufall oder ein Firmenemblem mit tatsächlichem Realitätsbezug? Rund siebzig Oppositionsgruppen gibt es, nach Angaben der IGFM,  mittlerweile auf Kuba. Die Zahl schwankt jedoch, denn manche Gruppen lösen sich unter dem Druck des Regimes auf und es bilden sich neue. Die Staatssicherheit versucht mit lückenloser Rund-um-die-Uhr-Kontrolle mögliches Aufbegehren gegen die Diktatur schon im Keim zu ersticken. Es gibt nur eine Tageszeitung, das allgegenwärtige Parteiblatt „Gramna“ sowie diverse Regionalgazetten, die ebenfalls unter Kuratel der Partei stehen.

Eine junge Bloggerin bietet Castro die Stirn

Eine, die sich massiv gegen die Bevormundung durch die Kommunisten zur Wehr setzt, ist die Literaturwissenschaftlerin und Bloggerin Yoani Sánchez. Wahrscheinlich gehört die 37-Jährige heute zur offiziell meistgehassten Person Kubas. Ihr Buch „Cuba libre“, das 2011 erschien, ist eine schonungslose Abrechnung mit dem kommunistischen Regime und wurde in 22 Sprachen, auch ins Deutsche übersetzt. Darin beschreibt sie den harten und teilweise grotesken kubanischen Alltag. Heute lebt sie mit ihrem Lebensgefährten, einem Journalisten und Mechaniker sowie ihrem 14-Jährigen Sohn in einer Plattenbausiedlung am Rande La Havannas. „Die kubanische Regierung verteufelt den Kapitalismus und ist doch selbst der größte Kapitalist im Lande“, sagt Sanchez. „Private Unternehmer, die das Angebot an Waren und Dienstleistungen verbreitern und damit die Preise sinken lassen würden, brandmarkt die Regierung als `Ausbeuter`“, sagt die zierliche Frau. Doch der Peso Convertible (CUC), der im knappen Verhältnis eins zu eins zum US-Dollar gehandelt wird und ursprünglich nur für Touristen eingeführt wurde, entwickelt sich immer mehr zur offiziellen Währung des Landes, ohne die Kaufkraft zu berücksichtigen. Profiteur ist allein der kubanische Staat, der zur Rechtfertigung gerne auf das seit 1961 bestehende US-Embargo verweist. Eine 1,5-Liter-Flasche Mineralwasser kostet in La Havanna umgerechnet 1,20 Euro, das Pfund Bohnenkaffee rund 17 Euro.

Unabhängige Nachrichtenagenturen, wie etwa die von Roberto de Jesus Guerra Pérez (33) geleitete Hablemos Press mit Sitz in La Havanna, sammeln Informationen über Festnahmen und brutale Unterdrückungsmaßnahmen der kubanischen Polizei und leiten sie über private Netzwerke weiter. „In manchen Fällen haben die Oppositionsgruppen 50 bis 100 Mitglieder, in anderen sind es nur kleine Zellen von zehn bis zwölf Leuten, die sich um einen politischen Gefangenen und dessen Angehörige gruppieren“, sagt Pérez. Nach Angaben von Hablemos Press wurden allein im Oktober 2011 mehr als 350 Personen aus politischen Motiven verhaftet. Selbst vermeintlich harmlose Berufsgruppen wie Lehrer und Bibliothekare, die sich für freien Medienzugang und eine ideologiefreie Bildung einsetzen, gehören nach Angaben von Hablemos Press  zu den Opfern der Castrodiktatur.

Bröckelnder Rückhalt in der Bevölkerung

Kommt es irgendwo im Land zu spontanen Protestmärschen besonders mutiger Oppositioneller, halten die lokalen „Komitees zur Verteidigung der Revolution“ (CDR) stets eine Truppe treuer, meist gekaufter Anhänger auf Reserve, die sie zur „schnellen Antwort“  gegen die ideologischen Abweichler als Gegendemonstranten auf die Straßen schicken. Beamte der Staatssicherheit halten sich meist dezent im Hintergrund. Kommt es jedoch zu Rangeleien, nehmen Greiftrupps der Staatssicherheit die Regimegegner fest und führen sie in bereitgestellten Fahrzeugen ab. Doch was auffällt: Neuerdings sind immer weniger Menschen bereit, für die Komitees auf der Straße die Drecksarbeit gegen Andersdenkende zu erledigen. Den Komitees mangelt es offenkundig an Nachwuchs. Der Menschenrechtsaktivist Elizardo Sanchez Santa Cruz, ein ehemaliger Philosophieprofessor und Marxismuslehrer an der Universität La Havanna, hat fast acht Jahre für seine politische Überzeugung im Gefängnis gesessen. Er weiß von angeblichen „Meinungsverschiedenheiten“ auf der militärischen Führungsebene Kubas. Der 68-Jährige gilt als Hoffnungsträger innerhalb der kubanischen Dissidentenszene. In Exilmedien wurde er auch schon als „Nelson Mandelas Kubas“ bezeichnet. Ihm trauen Beobachter im Moment am ehesten zu, nach einem Machtwechsel eine führende, politische Rolle auf der Insel zu spielen.

Veröffentlicht von on Dez 5th, 2011 und gespeichert unter DRUM HERUM, SONSTIGES. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

2 Antworten for “Kommunistischer Fort-Schritt”

  1. j-p manner sagt:

    schlecht recherchiert und miserabel geschrieben!

  2. Oktavian sagt:

    Ich finde, j-p manner solte seine Ansicht über den Beitrag konkretisieren. Was genau kritisiert er an Benedikt Vallendars Artikel? Diese pauschale Niedermachung ist unseriös und hilft dem Leser nicht weiter…

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