Ein Treffen mit dem Richter und Schriftsteller Robert Pragst
Katharina Stosno
Wir treffen uns vor der Zionskirche in Berlin-Mitte im Kiez des Richters und Schriftstellers Robert Pragst. Unser Gespräch führen wir in der „Kapelle“ – einem kleinen Café schräg gegenüber der Kirche. Nachdem ich „Auf Bewährung“ gelesen habe, sitze ich nun dem „Meister der Gürteltiere“ gegenüber. Als „Gürteltier“ bezeichnet man einen Aktenstapel, der durch einen Riemen zusammengehalten wird. Robert Pragst ist zwar Richter, doch in diesem Fall bin ich diejenige, welche ihn ins Kreuzverhör nimmt. Ob das wohl gut geht? Bei einem schriftstellernden Juristen bilden sich die Vorurteile ja mindestens genauso schnell, wie die Aktenberge bei der Staatsanwaltschaft.
Nach Bankausbildung, Sportstudium und der Arbeit als Croupier und Immobilienmakler hat Robert Pragst dann doch zur Rechtswissenschaft gefunden. Bereits während seiner Bankausbildung kommt er mit Wertpapier- und Grundstücksrecht in Berührung. Irgendwann trifft er einen alten Kollegen in einer Bibliothek. Der Kollege studiert Jura. Im Gespräch erfährt Pragst, dass einem Juristen schon bei 9 von 18 Punkten die Welt offen steht. „Das schaffe ich doch!“, denkt er sich und beginnt im Alter von 25 Jahren mit dem Jurastudium, schließt als Zweitbester seines Jahrgangs ab und wird nach dem Referendariat und einem kurzem Gastspiel in einer großen Wirtschaftskanzlei Richter am Amtsgericht Lichtenberg. Dabei hatte er ursprünglich vor, als Jurist in die Wirtschaft zu gehen. „Richter waren für mich immer ältere Menschen mit grauem Haar“, sagt er. „Dass man auch als junger Jurist diesen Beruf ergreifen kann, war mir nicht von Anfang an klar.“
Bei der Entscheidung, Richter zu werden, sei das Geld nicht der maßgebliche Faktor gewesen. Am wichtigsten sei eine gewisse Grundzufriedenheit und die habe er mit seiner jetzigen Tätigkeit als Zivilrichter gefunden. Bei Säumnisurteilen kann man sich über einen kurzen Arbeitstag freuen; andererseits gibt es Urteile, mit denen man sich über Wochen hinweg beschäftigen muss. Die Vielfalt, Breite und Tiefe der zivilrechtlichen Materie sowie das selbstbestimmte Arbeiten machen für ihn den Reiz seines Arbeitsalltags aus. Entspannung von der Arbeit findet er an den Wochenenden, die regelmäßig frei sind und die er mit seiner Frau und seinem Sohn verbringt. „Vor Ihnen sitzt ein glücklicher Jurist!“
Ein junger Mann kommt in die „Kapelle“. „Ach, Herr Pragst!“, grüßt er freundlich. Dann entdeckt er dessen Buch auf unserem Tisch liegen. „Habe ich natürlich schon gelesen!“ Der junge Mann wirkt fröhlich und gelassen; nicht selbstverständlich, wenn man im kommenden Juli zweites Staatsexamen schreibt. Vielleicht ist er so, weil er eine gute Vorbereitung durch seinen Mentor hatte: „Das ist einer meiner Ehemaligen“, klärt Pragst mich auf. Neben seinem Richteramt ist er nämlich noch AG-Leiter für Referendare. Es mache ihm Spaß, mit jungen, motivierten Leuten zu arbeiten und halte ihn außerdem fit in der Materie. Das Referendariat habe ihm in der eigenen Ausbildung am besten gefallen. „Es war eine interessante und gute Zeit. In den kleinen Arbeitsgemeinschaften fühlt man sich nicht so anonym wie im großen Hörsaal und man erhält Einblicke in die verschiedenen Berufsmöglichkeiten“. Er rate jedem jungen Juristen, nach dem ersten Examen durchzuhalten. Für die Zeit des Studiums empfiehlt Pragst, sich den abstrakten Stoff möglichst anhand von Fallübungen zu erschließen. Zudem sei eine private Arbeitsgemeinschaft äußerst hilfreich. Wer gleich zu Beginn des Studiums regelmäßig lernt, der könne auch entspannt in die Examensphase treten.
Dass Robert Pragst trotz hohem Arbeitspensum selbst so entspannt wirkt, hat vielleicht auch mit seinem Buch zu tun. „Schreiben ist ja eine Form der Selbstreflexion und Verarbeitung. Im Strafprozess nimmt man viel mehr mit nach Hause als im Zivilprozess. Bei der Staatsanwaltschaft gibt es einige, die ihren Job nach Feierabend nicht einfach wie einen Mantel an die Garderobe hängen können. Als Staatsanwalt muss man einiges abkönnen.“ Ein Kollege, der anfänglich nichts von Strafrecht wissen wollte, fand im Laufe der Ausbildung Gefallen an seiner Arbeit und beschäftigt sich heute mit den Fällen der organisierten Kriminalität. „Man arbeitet eng mit der Polizei zusammen, das kann schon spannend und faszinierend sein“, meint Pragst. Er verstehe, dass von der Materie auch ein gewisser Reiz ausgehe. Diesen Reiz hat Pragst für sich jedoch in seiner jetzigen Tätigkeit, aber auch als Schriftsteller gefunden. „Schreiben kann schon süchtig machen…“.
Das Gespräch neigt sich dem Ende zu. Wir verabschieden uns; er sich von mir und ich mich von meinen Vorurteilen gegenüber schriftstellenden Richtern. Bald ist Silvester und ein neues Jahr beginnt. Wir dürfen gespannt sein, was es bringen wird. Vielleicht ja auch ein neues Buch vom „Meister der Gürteltiere“.
Robert Pragst ist Autor des Buches „Auf Bewährung – Mein Jahr als Staatsanwalt“, dtv, 2011.