Mit seinem Buch „Die Asozialen“ hat der Stern-Autor Walter Wüllenweber eine Diskussion um unser Steuer- und Sozialsystem in Gang gebracht – zu Recht?
Benedikt Vallendar
München – Wer das Buch gelesen hat, wird sich ärgern. Denn wahrscheinlich gehören sie oder er zu jenen, die stets brav ihre Steuern und Sozialabgaben zahlen, derweil Superreiche und Habenichtse weitgehend auf Kosten der Allgemeinheit leben. So die Theorie. In teilweise polemischer Manier versucht der Stern-Autor Walter Wüllenweber (Jahrgang 1962) nachzuweisen, wie sich Unter- und Oberschicht in der Bundesrepublik immer mehr von den Wert- und Moralvorstellungen der Mehrheitsgesellschaft entfernt haben. Die einen tricksen beim Finanzamt, die anderen beim Sozialamt. Und mächtige Verbündete haben ein Interesse daran, dass sich an diesen Zuständen nichts ändert: Die Finanzindustrie macht die Oberschicht reich, derweil die Hilfsindustrie in Form von ARGEn, Tafeln und Caritas die Lebensform der Unterschicht ermöglicht. Wüllenwebers These: „An den Banken wird das meiste Kapital verwaltet, in der Hilfsindustrie sind die meisten Arbeitnehmer beschäftigt“. Vor diesen Mächten habe der Staat längst kapituliert, so der Autor.
Das Buch wirkt, bei vielen Schwächen im statistischen Bereich, wie eine Schwarz-Weiß-Malerei zwischen oben und unten. Es verschweigt zudem, dass die Bundesrepublik mit Hartz IV inzwischen eine der härtesten Sozialgesetzgebungen Europas hat. Auch vermeintliche „Steuerersparnisse“, auf denen der Autor genüsslich herumreitet, setzen in der Regel unternehmerisches Engagement und Risikobereitschaft voraus und sind bekanntlich eine wichtige Voraussetzung dafür, dass überhaupt Arbeitsplätze entstehen.
Walter Wüllenweber
Die Asozialen
Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren – und wer davon profitiert
DVA Sachbuch München 2012
256 Seiten, € 19,99
ISBN: 978-3-421-04571-3