„Erfolgreiche Taktik im Zivilprozess“ von Rainer Oberheim in 5. Auflage
Jens Jenau
Relativ kurze Zeit – nur gut zwei Jahre – nach dem Erscheinen der Vorauflage des Handbuchs „Erfolgreiche Taktik im Zivilprozess“ sahen sich der Autor, Dr. Rainer Oberheim, und der Luchterhand Verlag veranlasst, mit der 5. Auflage des Werks auf den Markt zu kommen. Verschiedene Gesetzesänderungen – erwähnt seien die Novellierungen in der Zwangsvollstreckung mit der Reform des Pfändungsschutzes, die Reform des Familien- und Erbrechts oder das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz – und die Einarbeitung der neuesten Rechtsprechung des BGH, z.B. zur Kostenerstattung im Berufungsverfahren, machten diesen Schritt erforderlich.
Dr. Rainer Oberheim, Vorsitzender Richter des 3. Zivilsenates am OLG Frankfurt am Main, orientiert den Aufbau des Handbuchs „Erfolgreiche Taktik im Zivilprozess“ streng am Arbeitsablauf des forensisch tätigen Rechtsanwalts. Zahlreiche Abschnitte hat er gänzlich überarbeitet. Mit seinem Werk will der Autor die Anwendung des Prozessrechts in der konkreten Situation darstellen. Der Anwalt soll die Fähigkeit erlangen, Handlungsoptionen zu erkennen und deren Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen zu können, um die optimale Alternative im Sinne des eigenen Prozessziels einzusetzen. Eigene Fehler sollen vermieden, Fehler des Gegners sollen erkannt werden und in ihren Konsequenzen auf das eigene Prozessziel richtig eingeschätzt werden.
Das 846 Seiten starke Buch gliedert sich in neun Kapitel. Lesenswert für den Anwaltsneuling wie für den erfahrenen Anwalt ist Kapitel 1 (Einführung) mit den Ausführungen zu den Aufgaben, Funktionen und Phasen des Zivilprozesses und zum Anwalt im Zivilprozess. Dr. Oberheim formuliert unter den Randnummern 36 f., dass der Anwalt weder Krieg führt noch ein sportliches Spiel betreibt. Er hat die rechtlichen Interessen des Mandanten im gerichtlichen Verfahren durchzusetzen. Alle für den Prozesserfolg erforderlichen Maßnahmen sind zu treffen, d.h. notwendige Sicherungsmaßnahmen einzuleiten, Anträge zu stellen, die relevanten Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen, die gebotenen rechtsgestaltenden Prozesserklärungen abzugeben und bei zweifelhafter Rechtslage vorsorglich im Sinne des „Gebots des sichersten Wegs“ für die Mandantschaft zu handeln. Die Taktik umfasst die im Sinne des Verfahrensziels optimale individuelle Gestaltung, den sachgerechten Einsatz der verschiedenen zur Verfügung stehenden prozessualen Handlungsmaßnahmen und die sinnvolle Koordination notwendiger Einzelmaßnahmen. Es folgt Kapitel 2 zu den Prozessvorbereitenden Maßnahmen, insbesondere zu außergerichtlichen Maßnahmen. Kapitel 3 erläutert knapp aber klar die Rechtssicherung (Einstweiliger Rechtsschutz). Die inhaltlichen Kernpunkte bilden die Kapitel 4 (Rechtstitulierung im allgemeinen Klageverfahren) und Kapitel 5 (Beweisaufnahme). Die Ausführungen zu den inhaltlichen Anforderungen der Klageschrift sind lehrreich. Darin setzt sich der Autor intensiv mit der Beibringung, Schlüssigkeit, Substantiierung und den Beweisantritten auseinander. Bei der Verteidigung der Beklagten liegen Schwerpunkte auf den Bestreitensformen, den Gegenforderungen und Gegenrechten. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung setzt sich der Autor akribisch mit deren Vorbereitung, der Güteverhandlung und der materiellen Prozessleitungspflicht des Gerichts auseinander. Zum komplexen Thema der Beweisaufnahme (Kapitel 5) sind ausgehend von den Beweisgrundsätzen, die Beweiserhebung mit den Beweismitteln, die Beweisaufnahme in besonderen Verfahren, andere wichtige Beweisthemen (mit den Problematiken Zugang, Stellvertretung, Werkvertrag etc.) und die beweisrechtlichen Verfahrensfehler erläutert. Auch Folgen beweisrechtlicher Verfahrensfehler auf eine mögliche Berufung sind nicht ausgespart. Kapitel 6 ist der Rechtstitulierung in besonderen Verfahren gewidmet. Neben dem Mahnverfahren, Urkundenverfahren, dem Amtsgerichtlichen Verfahren und dem Musterverfahren zeigen die Erläuterungen zum Adhäsionsverfahren, wie mittels eines treffenden Adhäsionsantrags im Strafverfahren ein Zivilverfahren zu vermeiden ist. Das überarbeitete Kapitel 7 erklärt die Rechtsdurchsetzung im Zwangsvollstreckungsverfahren, bevor Ausführungen zu den nachträglichen Änderungen der ursprünglichen Verfahrenskonzeption (Kapitel 8) folgen. Das 9. Kapitel zu den Rechtsbehelfen bereitet u.a. die Berufung – mit dem ausführlichen Abschnitt zur Berufungsbegründung -, die Beschwerde, die Rechtsbeschwerde und Revision sowie die Rechtsbehelfe im Vollstreckungsverfahren auf. Ein 15-seitiges knappes aber dennoch mit den wesentlichen Suchbegriffen ausgestattetes Stichwortverzeichnis rundet das Handbuch ab.
Der systematische Aufbau des Werks ist klar und einfach. Jedem Kapitel geht eine detaillierte Gliederung voraus. Die übersichtlich gestalteten Texte sind mit vereinzelten hervorgehobenen Schlagwörtern durchsetzt, was dem Leser die gezielte Suche erleichtert. Neben etwaiger zitierter Literatur und Rechtsprechungsnachweisen sind Aufzählungen oder Schaubilder in die Texte eingelassen. Die Darstellung der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur verschaffen dem Nutzer einen Überblick zu den Rechtsfragen. Viele Praxistipps, Beispiele und Antragsformulierungen sind anhand eines grauen Längsbalkens am Rand und einer fettgedruckten Kurzüberschrift kenntlich gemacht.
Insgesamt ist das Luchterhand Handbuch „Erfolgreiche Taktik im Zivilprozess“ zum Gebrauch im Anwaltsalltag sehr zu empfehlen, da es Dr. Oberheim gelingt, in einem Handbuch die wesentlichen Problematiken und Fragen des Erkenntnisverfahrens und des einstweiligen Rechtsschutzes aus prozesstaktischer Sicht verständlich zu erläutern. Das Werk versetzt den Nutzer in die Lage, sich im Zivilprozess und vor Gericht sicher zu bewegen, zu agieren und auf unvorhergesehene Prozesssituationen überlegt und richtig im Sinne des Mandanten zu reagieren.
Erfolgreiche Taktik im Zivilprozess
Rainer Oberheim,
5. Aufl. 2011, 846 S., 78,00 €,
Luchterhand Verlag
ISBN: 978-3-472-07926-2
In einem eigenen Kapitel kann sich der Leser über die Titelerlangung in besonderen Verfahren informieren, darunter das Mahnverfahren und der Urkundenprozess sowie das Bagatellverfahren vor den Amtsgerichten. Ganz hervorragend gelungen und thematisch völlig korrekt eingebracht ist das kurze Unterkapitel zum Adhäsionsverfahren. Die Vermeidung von Zivilverfahren kann durch einen klug gestellten Adhäsionsantrag samt möglichem Vergleich im Strafverfahren nur begrüßt werden. Ebenfalls recht kompakt präsentiert sich das Kapitel zum Zwangsvollstreckungsrecht. Hier kann aber das Unterkapitel zu den Vollstreckungsanträgen gar nicht intensiv genug zur Lektüre empfohlen werden, erschöpft sich doch im Gegensatz zur Klausur die Tätigkeit des Anwalts gerade meistens nicht in der Titelerlangung. Vor allem die Vornahme vertretbarer und unvertretbarer Handlungen, etwa im Nachbarrecht oder im Baurecht, muss korrekt eingefordert werden. Nach einem Kapitel zu nachträglichen prozessualen Änderungen, z.B. der Gerichtszuständigkeit, der Klageänderung oder der Streitverkündung schließt das Buch mit einem umfangreichen Abschnitt zu Rechtsbehelfen. Dies umfasst nicht nur die Klassiker Beschwerde und Berufung, sondern auch die Befangenheitsablehnung, die Wiedereinsetzung oder die Gehörsrüge. Insoweit ist die Umstellung des Werks mit thematischer Neusortierung geglückt.