Die Schriftstellerin und Einserjuristin Juli Zeh im Justament-Gerspräch (ungekürzte Version)
Frau Zeh, wann war Ihnen eigentlich klar, dass Sie nicht nur Juristin, sondern auch Schriftstellerin sind?
Ich hab schon als Kind geschrieben. Die Liebe zur Literatur ist also viel älter als der rechtswissenschaftliche Beruf. Dass ich aber Schriftstellerin werde, also vom Schreiben leben will, habe ich erst nach meinem zweiten Roman und nach dem zweiten juristischen Examen entschieden.
Hilft Ihnen Ihr juristisches Fachwissen beim Schreiben?
Das Fachwissen im Einzelnen vielleicht nicht so sehr. Aber erstens ist es immer wertvoll, Einblick in einen Berufszweig zu haben – man findet dort Stoffe, die man in Geschichten verwenden kann. Und zweitens habe ich im juristischen Studium mein systematisches Denken trainiert, was beim Schreiben von größeren Texten sehr hilfreich ist.
In „Nullzeit“ beschreiben Sie detailgenau die Vorgänge des Tauchens. Fließen in Ihre Romane eigene Erlebnisse ein oder entstehen die Geschichten aus einer Mischung von Fantasie und Recherche?
Grundlage sind eigentlich immer eigene Erlebnisse. Diese erweitere ich dann mithilfe der Phantasie. Ergänzend dazu oder im Nachhinein mache ich ein wenig Recherche, um faktische Fehler zu vermeiden.
Der Protagonist in „Nullzeit“ hat Jura studiert, weil er meint, dass dieses Studium alle Möglichkeiten offen hält. Warum haben Sie die Rechtswissenschaften gewählt?
Aus einem ähnlichen Grund. Eigentlich wollte ich Journalistin werden, und man riet mir dann „erst einmal Jura zu studieren“, weil man damit bekanntlich „alles“ machen kann.
Was finden Sie gut am Jurastudium? Was sehen Sie eher kritisch?
Gut finde ich die Universalität. Ich hoffe, dass sich die juristische Ausbildung weiterhin gegen Bologna, gegen Verschulung und Spezialisierung zur Wehr setzen kann. Jura ist heutzutage einer der wenigen verbliebenen Studiengänge, in dem man noch im klassischen Sinn studieren kann. Nicht so gut fand ich die Überfüllung des Studiengangs sowie den dadurch entstehenden extremen Leistungsdruck.
Sie haben mit einem sehr guten Examen abgeschlossen. Was empfehlen Sie Studierenden in der Examensphase?
In der Examensphase kann ich leider nur empfehlen, hart zu arbeiten. Ich war sehr froh, dass ich in den ersten Jahren des Studiums fast nur rumgehangen und gefeiert habe – das kann ich als Methode sehr empfehlen. Drei Jahre dolce vita, in den Semesterferien arbeiten gehen und das Geld sparen, und dann im letzten Jahr vor dem Examen ein gutes Repetitorium buchen und sich mit hochgekrempelten Ärmeln in die Arbeit stürzen. Das Lernen hat mir dann sogar Spaß gemacht, weil ich angefangen habe, es sportlich zu sehen – wie das Training auf eine Iron-Man-Teilnahme oder so.
Können Sie sich vorstellen, in einem klassischen, juristischen Beruf zu arbeiten oder sehen Sie Ihre Zukunft in der Schriftstellerei?
Ich könnte mir das theoretisch sehr gut vorstellen, aber realistisch betrachtet muss ich einsehen, dass ich langsam, aber sicher zu alt werde, um den Beruf noch einmal zu wechseln. Ich muss also hoffen, dass das Schreiben mich und meine Familie bis zum Lebensende ernähren wird.
Herzlichen Dank für dieses Interview.
Das Gespräch führte Justament-Mitarbeiterin Katharina Stosno.