Klassiker bei Streitigkeiten über die Betriebsverfassung

Der Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz von Däubler/Kittner/Klebe/Wedde in 13. Auflage

Jens Jenau

daubler-ua-betriebsverfIm Frühjahr 2012 erschien der „DKKW“ in der 13. Auflage. Dabei fällt auf, dass die Herausgeber Dr. Wolfgang Däubler, Professor für Arbeits-, Zivil- und Wirtschaftsrecht an der Universität Bremen; Dr. Michael Kittner, Professor em. für Wirtschafts-, Arbeits-, und Sozialrecht an der Universität Kassel und langjähriger Justitiar der IG Metall; Dr. Thomas Klebe, Justitiar der IG Metall; Dr. Peter Wedde, Direktor der Europäischen Akademie der Arbeit in der Universität Frankfurt und Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft, Fachhochschule Frankfurt am Main und die sechs weiteren anerkannten Praktiker des Autorenteams den Praxiskommentar grundlegend überarbeitet, neu gestaltet und zum Teil verschlankt haben. Ziel der neuen Auflage ist es einerseits die Lesefreundlichkeit, Übersichtlichkeit und Handhabung des Werks zu verbessern, andererseits die Vermittlung des Praxiswissens und der Rechtsinformation zu optimieren. Erfreulicherweise hat man nunmehr die Literatur- und Entscheidungsfundstellen der zitierten Urteile und Beschlüsse in einen Fußnotenapparat eingepflegt, um den Lesefluss zu erleichtern. Die Ausführungen sind gänzlich mit neuen Randnummern versehen worden.

Der „DKKW“ ist darauf gerichtet, Betriebsräten, Gewerkschaftern sowie Rechtsanwälten für betriebsverfassungsrechtliche Fragen und Streitigkeiten eine praktische und interessengerechte Lösung zu geben. Die große Akzeptanz und Wertschätzung des Kommentars in der Praxis bei Anwälten, Betriebsräten oder Gewerkschaften dokumentiert, dass die Autoren dieses Ziel seit Jahren erreichen.

Inhaltlich ist der „DKKW“ absolut á jour. Bis einschließlich Oktober 2011 gelang es den Autoren, die neueste Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, des Bundesverfassungsgerichts, der Landesarbeitsgerichte und des Europäischen Gerichtshofs sowie Gesetzgebung und Schrifttum auszuwerten und einzuarbeiten. Umfassend kommentieren sie das gesamte Betriebsverfassungsrecht. Das ist aber nicht alles. Der Leser bemerkt schnell, dass die Autoren nicht davor zurück scheuen, manche Rechtsprechungsentwicklung kritisch zu beleuchten, wo es aus ihrer Sicht erforderlich scheint. Insofern verwundert es nicht, dass sie auch für richterlich noch nicht entschiedene Fragen mit innovativen Lösungen aufwarten.

Den umfangreichen Ausführungen zum BetrVG gehen der komplette Abdruck der Texte des BetrVG, des Drittelbeteiligungsgesetz und weiterer für die Mitbestimmung relevanter Gesetzesauszüge (ArbGG, AGG, AktG, Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit – ASiG, AÜG, ArbZG, TzBfG, KSchG, MgVG, Postpersonalrechtsgesetz – PostPersRG, SCE-Beteiligungsgesetz – SCEBG, SE-Beteiligungsgesetz – SEBG und UmwG) voraus.

Die Kommentierungen des BetrVG beginnen mit einer lesenswerten Einleitung zu dessen Entstehung. Der geneigte Leser erhält z.B. Informationen zur Geschichte der Betriebsverfassung, zum System der Mitbestimmung, zur Auslegung und Weiterentwicklung des BetrVG durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung, über die Organisationsgrundsätze der Betriebsverfassung bis zur Betriebsverfassung und Internationalisierung der Wirtschaft.

Den einzelnen Kommentierungen ist der Normtext der jeweiligen Vorschrift mit einer ausführlichen Gliederung vorangestellt. Um die gezielte Suche zu vereinfachen, sind die Fließtexte mit einigen fett gedruckten Schlagwörtern durchzogen.

Besonders herauszuheben ist z.B. die Kommentierung des § 5 BetrVG mit der Aufarbeitung des Arbeitnehmerbegriffs unter Einbeziehung des betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs, der Sonderfälle (z.B. befristete Beschäftigte oder Teilzeitarbeit) und der Abgrenzung zu Formen der selbständigen Tätigkeit (u.a. freier Mitarbeiter) oder der Arbeitnehmerüberlassung und den eingängigen Ausführungen zum Begriff des leitenden Angestellten.

Intensiv und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung erläutert Klebe den klassischen Themenkomplex der Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG, der nach wie vor häufig zu Streitigkeiten zwischen den Betriebsverfassungsorganen führt. Eingehend sind die Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats bei der Einführung neuer Technologien aufgearbeitet. Allerdings steht dem Betriebsrat hier kein umfassendes Mitbestimmungsrecht zu. Das dynamische Spannungsverhältnis zwischen den Persönlichkeitsrechten der Arbeitnehmer, der Mitbestimmungsrechte der betrieblichen Interessenvertretung und ihres etwaigen Initiativrechts gegenüber den schutzwürdigen Interessen und Belangen der Arbeitgeber sind herausgearbeitet und mit Hinweisen für Abwägungsentscheidungen versehen.

Ein weiteres Augenmerk sei auf die Ausführungen der §§ 111 – 113a BetrVG gerichtet.
Da es sich hier um ureigenste unternehmerische Entscheidungen handelt, kommt dem Betriebsrat hier kein echtes Mitbestimmungsrecht zu. Dies ist auch ein Themenbereich in den die Internationalisierung der Arbeit hineinspielt, was in den Kommentierungen besonders beleuchtet ist. In aller Klarheit arbeitet Däubler die eingeschränkten Mittel und Möglichkeiten eines Betriebsrates heraus, vergisst aber nicht – und das macht die Besonderheit dieses Werks aus – auf andere Möglichkeiten der Einflussnahme der betrieblichen Interessenvertretung etwa durch besonderes Verhandlungsgeschickt hinzuweisen, um Nachteile für Belegschaften zu mildern. Däubler erläutert, dass in wirtschaftlich gefahrvollen Zeiten und Unternehmenskrisen dem Sozialplan besondere Steuerungsfunktion zufällt. Daneben hat er erhebliche Schnittstellen zum Individualarbeitsrecht. Ein ausgezeichneter Kommentar wie der „DKKW“ beschränkt sich nicht nur auf diese Feststellung, sondern arbeitet hier die sich in ihren Funktionen unterscheidenden Namenslisten des § 1 Abs. V KSchG und des § 125 InsO (s. §§112, 112a Rn. 30 ff.) ein. Anzumerken ist, dass im Anhang zu §§ 111 – 113 BetrVG die §§ 121 – 128 InsO zur Betriebsänderung in der Insolvenz bearbeitet sind.

Darüber hinaus legen die Autoren den Fokus auf aktuelle Streitthemen, z.B. auf das Mitbestimmungsrecht bei Datenschutz und Cloud-Computing, auf den Zugang jedes Betriebsratsmitglieds zu E-Mail und Internet, auf Gewerkschaftsrechte – insbesondere Mitgliederwerbung und Zugangsrechte, auf die Ausgestaltung von Betriebsratswahlen, auf das aktive und passive Wahlrecht von Leiharbeitnehmern, auf die gesetzlichen Neuerungen infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise mit ihren Auswirkungen auf Mitbestimmungsrechte bis zum Stopp einer geplanten Betriebsänderung durch einstweilige Verfügung.

In der gesamten BetrVG-Kommentierung sind bei streitigen Fragen oder Problemen die Ansichten der Rechtsprechung oder die unterschiedlichen Ansichten des Schrifttums deutlich gekennzeichnet. Dies erfolgt meist anhand verschiedener Abschnitte mit entsprechenden Überschriften, in denen oft die Vor- und Nachteile der einzelnen Argumente aufgezeigt sind.
Danach schließt sich die Kommentierung der „Ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes“ (Wahlordnung – WO, Anhang 1) an. Ein weiterer Kern der Bearbeitung liegt auf der Kommentierung der Novelle des Gesetzes über Europäische Betriebsräte (EBRG, Anhang 2). Die Vorbemerkung zum EBRG zeigt neben der europarechtlichen Grundlage, die Entstehungsgeschichte, die gerichtliche Durchsetzung, nimmt zur Praxis des Gesetzes Stellung und stellt die Probleme bei der EU-Erweiterung dar. Danach sind alle EBRG-Vorschriften detailliert erläutert. Neben den nationalen Systemen sollte ergänzend der EBR die kollektivrechtlichen Interessen der Arbeitnehmer im – auch wirtschaftlich – zusammenwachsenden Europa wahren.

Fazit: Der „DKKW“ ist ein Standardkommentar für das BetrVG, der sich – mit Recht – großer Beliebtheit erfreut. Gut zu lesende und hochaktuelle Kommentierungen, die zu neuesten und noch zum Teil völlig ungeklärten Themen Stellung beziehen, sind einmal mehr der Beleg für seinen großen Nutzwert in der arbeitsrechtlichen Praxis.

Betriebsverfassungsgesetz
Däubler/Kittner/Klebe/Wedde (Hrsg.),
13. Aufl. 2012, 2.805 S., 98,00 €
Bund-Verlag,
ISBN: 978-3-7663-6145-5

Veröffentlicht von on Aug 12th, 2013 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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