Eine herausfordernde Sparte des Wirtschaftsstrafrechts

Arbeitsstrafrecht von Gercke/Kraft/Richter

Jens Jenau

cover-arbeitsstrafrechtIn der sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer extremer verändernden Arbeitswelt hat das Arbeitsstrafrecht, als besondere Sparte des Wirtschaftsstraf- und Arbeitsrechts, eine extraordinäre Entwicklung genommen. Einerseits ist dies an den Verschärfungen bestehender Straftatbestände oder der Neueinführung solcher sichtbar. Andererseits wurden die besonderen Ermittlungsapparate in den Bereichen der illegalen Beschäftigung insbesondere der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) ausgeweitet, um den Entwicklungen Einhalt zu bieten. Deutlich ist zu beobachten, dass die Ermittlungsbehören (zB. der Zoll) viel konsequenter etwa im Bereich der Bekämpfung der Schwarzarbeit vorgehen. Daneben setzen sich die Wissenschaft und die höchstrichterliche Rechtsprechung mit der Thematik intensiv auseinander.

Die gesetzlichen Vorschriften betreffend das Arbeitsstrafrecht sind unübersichtlich in einer kaum zu überschauenden Anzahl verschiedener Gesetze verstreut, um nicht zu sagen versteckt. Eine Steigerung erfährt die Unübersichtlichkeit dadurch, dass das klassische Arbeitsrecht selbst bekanntermaßen auf Gesetze und Verordnungen im dreistelligen Bereich verteilt ist. Das schon allein führt dazu, dass für Anwälte, Staatsanwälte, Richter oder Justiziare in Unternehmen das Arbeitsstrafrecht eine echte Herausforderung darstellt. Daneben ist für die angesprochene Rechtsmaterie das Zusammenspiel von klassischem Arbeitsrecht und (arbeits-)strafrechtlichen Vorschriften charakteristisch. Dieses Zusammenspiel macht es dem Berater schwer. Denn häufig fehlen dem strafrechtlichen Berater die notwendigen arbeitsrechtlichen Kenntnisse, die für das Verständnis der Strafnorm unabdingbar sind, da oft Blankett-Tatbestände berührt sind, die auf arbeitsrechtliche Gebots- oder Verbotsvorschriften verweisen. Im Gegenzug haben die arbeitsrechtlichen Sachbearbeiter eher ein Manko in der vertieften und genaueren Kenntnis strafrechtlicher Normen und des Prozessrechts, der Nebenfolgen oder in der „Psychologie des Strafverfahrens“.

Hier, in dieser „nebulösen“ Gemengelage setzt das Werk „Arbeitsstrafrecht“ des Autorenteams an. Die Rechtsanwälte Dr. Björn Gercke und Dr. Oliver Kraft sind Fachanwälte für Strafrecht und Rechtsanwalt Dr. Marcus Richter ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. Mit ihren langjährigen Erfahrungen stehen sie für hohe Beratungskompetenz auf dem Gebiet des Arbeitsstrafrechts.

Das Werk gliedert sich inhaltlich in vier Kapitel. Kapitel 1 widmet sich den Grundlagen des Arbeitsstrafrechts. Neben dem Begriff, der Entwicklung und Bedeutung des Arbeitstrafrechts werden die Grundbegriffe des Arbeitstrafrechts erläutert, bevor die Haftung von Unternehmen und Unternehmensverantwortlichen bis zu den prozessualen Besonderheiten erläutert werden. Schwerpunkt darin sind die Ausführungen zu den Grundbegriffen. Richter arbeitet neben dem Arbeitgeberbegriff im Sinne des Arbeitstrafrechts den Arbeitnehmerbegriff (im arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Sinne) heraus, wendet sich dann den sonstigen Beschäftigten mit den Arbeitnehmerähnlichen Beschäftigten, den „Freien Mitarbeitern“ bis zum „Ein-Euro-Jobber“ zu, bevor er schließlich kurz auf den Beamten eingeht. Den umfassenden Hauptteil des Werks bildet das 2. Kapitel. Darin erfolgt ausführlich die Erläuterung und Aufbereitung des materiellen Arbeitsstrafrechts. Neben den einschlägigen Tatbeständen des StGB – §§ 266a; § 291 Abs. 1 S. 1 Nr. 3; 222; 229 und 233 mit einem Exkurs zu § 319 StGB – sind die relevanten Normen des SGB, etwa die illegale Ausländerbeschäftigung und -erwerbstätigkeit nach § 404 SGB III, die maßgeblichen Normen des AufenthG, die Ordnungswidrigkeits- und Straftatbestände des SchwarzArbG, die illegale Arbeitnehmerüberlassung (§§ 15 ff. AÜG), die illegale Arbeitnehmerentsendung (§ 23 AEntG), die Ordnungswidrigkeiten nach § 18 MiArbG, die Straftaten und Ordnungswidrigkeiten nach dem ArbZG (§§ 22, 23 ArbZG) und dem ArbSchG (§§ 25, 26 ArbSchG) dargestellt. Des Weiteren stehen die Vorschriften für besonders schutzwürdige Arbeitnehmer (JArbSchG, MuSchG, HAG, SGB IX) und die Straftaten gegen die Betriebsverfassungsorgane, §§ 119 ff. BetrVG, im Fokus. Der informative Abschnitt zum strafbewehrten Arbeitnehmerdatenschutz mit den Themen Kamera-/Videoüberwachung am Arbeitsplatz, Postkontrolle seitens des Arbeitgebers, Telekommunikationskontrolle und die Frage der Strafbarkeit nach § 202a StGB bei unternehmenseigener E-Mail-/Internetüberwachung rundet das Kapitel 2 ab. Im dritten Kapitel erörtern die Autoren die Rechtsfolgen in den arbeitsstrafrechtlichen Verfahren mit den straf-, zivil-, arbeits- und bußgeldrechtlichen Folgen für Arbeitgeber und Unternehmen. Im letzten Kapitel erhält der geneigte Nutzer praktische Anregungen und Hinweise für die Präventivberatung, für die Verteidigung von Unternehmen und Unternehmensverantwortliche in Arbeitsstrafsachen, Grundzüge der Beratung von Arbeitgebern als Opfer von Straftaten bis zur Frage der Kostentragung von strafrechtlicher Beratung und Verteidigung. Taktisch sinnvoll ist hier der aktuelle Themenkomplex Corporate Compliance – bearbeitet von Kraft – innerhalb der Präventivberatung des Arbeitgebers platziert.

Während der gesamten Darstellung der bisweilen komplizierten Thematik konzentrieren sich die Autoren in ihrem Werk auf die entscheidenden arbeitsstrafrechtlichen Vorschriften. Ihre Ausführungen selbst zeichnen sich durch eine Vielzahl von Hinweisen und konkrete Hilfen für die praktische Anwendung und Beratungstätigkeit aus. Dabei verlieren die Autoren nie die Interessen des Unternehmens und seiner Verantwortlichen, als Normadressaten oder als Opfer einer Straftat aus den Augen. Angenehm für den Praktiker ist der recht einheitliche Aufbau der Bearbeitungen. Zunächst sind die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale und Begrifflichkeiten der einzelnen Vorschriften erläutert. Aber gerade aus Beratersicht sind die sich anschließenden Ausführungen zu den Rechtsfolgen, zur Verjährung und vor allem die herausgearbeiteten Anforderungen an die tatrichterlichen Feststellungen von besonderer Bedeutung und Nützlichkeit einzustufen.

Fazit: Das neue Werk „Arbeitsstrafrecht“ von Gercke/Kraft/Richter ist eine wertvolle wie praxisnahe Arbeitshilfe, um sich in dieser anspruchsvollen Schnittstelle von Arbeitsrecht und Strafrecht gut einzuarbeiten, sie zu verstehen und später strategisch geschickt anzuwenden, um für die Mandantschaft erfolgreich zu arbeiten. Gerade dem Arbeitsrechtler, der mögliche Lücken im materiellen und prozessualen Strafrecht hat oder umgekehrt dem Strafrechtler, der im Arbeitsrecht nicht richtig firm ist, ist der Rückgriff auf das Buch anzuraten.

Arbeitsstrafrecht
Gercke/Kraft/Richter,
1. Aufl. 2012, 440 S., 59,95 €
Verlag C.F. Müller,
ISBN: 978-3-8114-3469-1

Veröffentlicht von on Nov 18th, 2013 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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