Die strafbefreiende Selbstanzeige – ein Überblick

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Graffiti in Berlin-Charlottenburg (Foto: TC)

Oliver Niekiel

Für Bundespräsident Joachim Gauck sind Steuerhinterzieher asozial. Der inzwischen verstorbene Unternehmer Helmut Nahr hat die Steuerhinterziehung dagegen bezeichnet als den Versuch des Steuerzahlers, das staatliche Versprechen der Steuergerechtigkeit auf privater Basis zu realisieren. Zwischen diesen beiden Extrempositionen werden derzeit alle Meinungen öffentlich vertreten. Gleiches gilt für die strafbefreiende Selbstanzeige. Die einen möchten sie sofort abschaffen, damit sich Steuersünder nicht länger freikaufen können. Andere verweisen darauf, dass die Selbstanzeige durchaus auch im staatlichen Interesse liegt. Denn mit dem Ankauf jeder Steuer-CD schnellt die Zahl der Selbstanzeigen in die Höhe. Für den Rechtsanwalt jedenfalls ist die Selbstanzeigeberatung ein interessantes Betätigungsfeld.

Geregelt ist die Selbstanzeige in § 371 AO. Wer danach gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 AO (Steuerhinterziehung) bestraft. Daneben muss die hinterzogene Steuer selbstverständlich nachentrichtet werden.

Finanzbehörde in diesem Sinne ist nach überwiegender Ansicht jede Finanzbehörde, nicht nur die sachlich und örtlich zuständige. Unverjährt im Sinne von § 371 AO sind alle strafrechtlich unverjährten Taten. Strafverfolgungsverjährung tritt bei der einfachen Steuerhinterziehung nach fünf Jahren und bei der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall nach zehn Jahren ein. Das bedeutet, dass für die Erlangung der Straffreiheit im Normalfall die letzten fünf Jahre nacherklärt werden müssen. Damit ist es jedoch nicht getan. Da die steuerliche Festsetzungsverjährung bei Steuerhinterziehung zehn Jahre beträgt, wird der Steuerpflichtige in aller Regel die hinterzogenen Steuern der letzten zehn Jahre nachentrichten müssen.

Der Steuerpflichtige muss die Angaben in vollem Umfang nachholen. Bis vor wenigen Jahren waren sogenannte Teilselbstanzeigen möglich. Steuerhinterzieher konnten ihre Selbstanzeige auf einen Teil der unterlassenen oder unrichtigen Angaben beschränken und insoweit straffrei bleiben. Dem hat zunächst die Rechtsprechung und zwischenzeitlich auch der Gesetzgeber (§ 371 Abs. 1 AO) einen Riegel vorgeschoben. Nach der insoweit grundlegenden Entscheidung des BGH vom 20. Mai 2010 (Az.: 1 StR 577/09) ist „eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit dann gegeben, wenn der Täter nunmehr vollständige und richtige Angaben – mithin reinen Tisch – macht“.

Um diesem Vollständigkeitsgebot nachzukommen und die Wirksamkeit der Selbstanzeige auch beim Fehlen konkreter Zahlen nicht zu gefährden, ist die Praxis zunächst zur gestuften Selbstanzeige übergegangen. Dem Finanzamt wurden – in der Regel großzügig zu Lasten des Betroffenen – geschätzte Werte mitgeteilt. Zugleich wurde offengelegt, dass es sich um eine Schätzung handelt. Sobald etwa die Unterlagen der (ausländischen) Bank vorlagen, wurden dem Finanzamt die konkreten Zahlen übermittelt. Problematisch ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des LG Heidelberg vom 16. November 2012 (Az.: 1 Qs 62/12). Danach soll unter bestimmten Voraussetzungen ein Einspruch gegen einen Steuerbescheid als Rücknahme der Selbstanzeige gelten. Erlässt also das Finanzamt aufgrund der großzügigen Schätzung einen Steuerbescheid und legt der Steuerpflichtige hiergegen Einspruch ein, könnte dies – folgt man dem LG Heidelberg – zur Versagung der Straffreiheit führen.

Hat man nun Angaben zu allen unverjährten Taten gegenüber der Finanzbehörde gemacht, kann die Selbstanzeige gleichwohl unwirksam sein. Dies ist zunächst der Fall, wenn dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung oder die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist. Gleiches gilt, wenn ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung, zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit bei dem Betroffenen erschienen ist oder wenn eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. Zunächst ebenfalls nicht strafbefreiend wirkt die Selbstanzeige dann, wenn die verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50.000,00 € je Tat übersteigt.

Insbesondere dieser letzte Punkt klingt zunächst überraschend. Er bedeutet aber nicht, dass bei Hinterziehungsbeträgen in entsprechender Höhe eine Strafbefreiung stets ausscheidet. Denn nach § 398a AO kann auch in diesen Fällen von der Verfolgung abgesehen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass der Täter innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichtet und einen Geldbetrag von 5% der hinterzogenen Steuer zugunsten der Staatskasse zahlt. Daneben kommt es – auch bei Hinterziehungsbeträgen von weniger als 50.000,00 € – regelmäßig zu einer Verzinsung der hinterzogenen Steuern. Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils. Die Zinsen werden mit 0,5 % der hinterzogenen Steuer pro Monat berechnet (und das bis zu zehn Jahren zurück). Zum Vergleich: Die Verschwendung von Steuergeldern zieht regelmäßig keine Konsequenzen nach sich.

Veröffentlicht von on Mai 5th, 2014 und gespeichert unter DRUM HERUM, NIEKIELS SERVICE ECKE. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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