Garstig-miesepetriger Spaß ab sechs abgedingst!

„Pennyflax und der Hexenmeister vom Feuerberg“ von Andreas Bulgaropulos

Radka Tomeckova

pennyflax-cover-1024x768„Eine Kobold-Abenteuergeschichte ab 6 Jahren, vergnüglich aber auch für Erwachsene“, klärt uns bereits das bunte Cover dieses Kinderbuches auf. Dennoch sollte man nicht mit einer der üblichen Abenteuergeschichten rechnen: Es gibt keine reckenhaften Helden und vor allem „keinen großen Krieger“, sondern „bloß’n Kobold, der Flausen im Kopf hatte und der Ungerechtigkeit genauso doof findet, wie Haare kämmen.“ Dementsprechend erwartet den 6- oder 90-jährigen Leser auf den ca. 100 Seiten dann auch keine hochgestochen-episch geschriebene Abenteuersaga, sondern eine leicht verdauliche Erzählung über den „größten Streich, den Kobolde je einem Hexenmeister gespielt haben.“

Andreas Bulgaropulos, Sohn griechisch-deutscher Eltern, geboren 1965 in Frankfurt am Main, der sich mit vielem – von Zahntechnik über Heavy Metal und Songtexterei bis hin zu Fantasy-Rollenspielen – auskennt, überkam, seinen Worten nach, vor einem Jahr in Kreuzberg „die spontane Idee, eine Kindergeschichte zu schreiben, die sich durch Wortwitz auszeichnen und auch von Erwachsenen gerne vor- und gelesen werden sollte.“ So geschah es, und im April 2014 vollendete er seine Geschichte, in der er uns in die mannigfaltig buntfarbige Welt eines Kobolds namens Pennyflax entführt und dabei auch mit Sprachspielereien keineswegs geizt.

„Einige bestimmte oder unbestimmte Terry Pratchett Romane“ als Inspirationsquelle sind hier tatsächlich nicht zu leugnen. Noch vielmehr aber erinnert mich der Gesamtaufbau des Kinderbuches an den guten alten J. R. R. Tolkien und insbesondere an seinen „Hobbit“: Gleich anfangs wird dem Leser, damit er sich bloß nicht auf der Kobold-Abenteuerreise verliere, die von Pennyflax erstellte Landkarte des Landes Eraluvia vorgelegt. In der ausfabulierten Welt fehlt es nicht an wunderschönen Elfen, mächtigen oder weisen Zauberern, Hexen, plumpen Trollen, Riesen und langbärtigen Zwergen mit jeweils besonderen species-bestimmten und individuellen Eigenschaften. Es werden aber auch weitere Fabel- und Mythenwesen hinzugedichtet, die in Tolkiens Mittelerde fehlten. Der Charakter der koboldischen Hauptfigur erinnert jedoch unvermeidlich an Tolkiens Geschöpfe Bilbo und Frodo. Wie für diese gilt auch für Pennyflax, dass er als ein 30 cm großer Winzling nicht unbedingt zu großen Taten geboren worden ist. Dennoch fehlt es ihm in den entscheidenden Momenten nach dem Motto „Bösewichte dürfen nicht alles tun, nur weil sie böse sind“ nicht an der nötigen Tapferkeit, die ihn, sein Koboldmädchen, andere Freunde und Eraluvia insgesamt zu einem miesepetrig regnerischen Grausigende bringen wird. So wie Tolkien seine Leser im „Hobbit“ durch die Augen der Figur Bilbo mit der Mittelerde bekannt gemacht hat, so scheinen auch Pennyflax‘ Erlebnisse den Spielraum dafür zu eröffnen, dass wir einem viel größeren Krieg um das ganze Eraluvia zwischen dem Bösewicht Sulferion – dem Dunkelelf und Hexenmeister vom Feuerberg, der uns seine Bemühungen um die absolute Oberherrschaft durchaus nicht verheimlicht – und den gütigen Lichtelfen aus Vincáru entgegensehen. Einem Krieg, in dem gegebenenfalls das Kobolddorf Garstingen im Mittelpunkt stünde und der für Pennyflax oder vielleicht seine Nachkommen womöglich eine weitere Kulisse zum Streichespielen wäre.

Trotz dieser starken Parallelen zur allseits bekannten Welt des Herrn der Ringe kann Bulgaropulos‘ Kinderbuch überraschen und ein eigenes Gesicht zeigen. Erfrischend ist vor allem die Idee, Pennyflax in der gegebenen „Rettungswichtigkeit“ ein Koboldmädchen an die Seite zu stellen: Shirah ist ihm (nach allen Feministinnenvorsätzen) eine gleichberechtigte Hilfe, obzwar sie dafür kein bisschen von ihrer “Mädchenhaftigkeit“ ablegen muss. Eine geradezu prickelnde Spannung erhält die Geschichte dadurch, dass Pennyflax dieses Mädchen einerseits mag oder vielleicht sogar bewundert, andererseits aber Küssen auf eine unglaublich abstoßende Art und Weise „eklig“ findet. Das eine oder andere Schmunzeln an den Lippen des Lesers wird schließlich dadurch hervorgezaubert, dass der Autor mit Jungs-Mädchen-Klischees spielt, die ganz zeitlos ebenso für die Kleinen wie für die Großen gelten: „Angeber! Warum tun Jungs immer neunmalklug?“ – „Trödeltante! Warum wollen Mädchen immer alles süß finden?“

Besonderes Lob gebührt dem Autor für die Aufmerksamkeit, die er auch den kleinsten Details geschenkt hat. So lässt er vor unseren Augen etwa Wollmäuse (statt Schafen) entstehen oder Bimmelimm-Schrecken – eine Insektenart, die sich anstelle von Weckern verwenden lässt, und pinselt dadurch Pennyflaxens Welt sehr anschaulich an die Wände unserer Einbildung. Bewundernswert ist ferner die Leichtigkeit und Biegsamkeit des Wortwitzes und der Sprachspielerei des Verfassers; hierin tobt er sich vor allem im „Gasthaus der hinterhältigen Wörtlichkeit“ aus, wo auch unseren Kobolden verschiedenste Attraktionen angeboten werden  wie „den Löffel abgeben“ oder „die Sau rauslassen“. Hierzu gehört aber auch, den am ganzen Körper grünen, mit Naturschutz sich beschäftigenden Tier- und Fabelwesenliebhaber Chloro-Phil zu nennen, der darüber hinaus „ein Besitzer“ einer Mühle auch „ohne zu sitzen“ sein kann, des weiteren Pennyflax‘ Bedenken, dass „ein Einsiedler“ eigentlich auf „Zweisiedler“ hinausläuft, oder die Seltsamkeit der Weinbergschnecken, die Wasser anstatt Wein trinken. Natürlich könnte man anzweifeln, ob 6-Jährige tatsächlich auf dieser Ebene mitkommen können, doch lassen sich Einwände solcher Art leicht vom Tisch räumen: Eine gute Story ist immer auch eine vielschichtige, in der man bei jedem erneuten Lesen immer wieder Neues entdecken kann, und es ist eben dieser Anspruch, dem das vorliegende Werk auf seine amüsante Art hervorragend entspricht. Schließlich obliegt es auch eher den erwachsenen Vorlesern, die eine oder andere zusätzliche Erklärung zu liefern und Pennyflax‘ Geschichte dadurch zu einer lehrreichen Angelegenheit zu machen. Zwar fehlt es im Buch nicht an mitunter fast philosophischen Überlegungen; so etwa als sich das Hügelwesen Knorzowurz darüber beschwert, ein vom Grund und Boden ausgerissenes Individuum zu sein. Allerdings beschränkt sich der Autor hier auf jene Knappheit und Kürze, die einem Kinderbuch, das auch Erwachsene anregen soll, noch angemessen ist.

Doch gerade im Hinblick auf die Zielgruppe der 6-jährigen Leser ist zu bedauern, dass das Buch lediglich in elektronischer Form verlegt wird. Nun haben, wie jeder weiß, auch E-Books ihre Vorzüge. Aber wenn ich mich in mein eigenes kleines Ich hinein fühle, sehne ich mich nach einem Buch, das meine Oma in ihrem Schoß aufklappt und das nach druckverarbeitetem Papier riecht. Auch die Anzahl der Zeichnungen im Verhältnis zur Textmenge könnte mit Rücksicht auf die kleinen Leser gerne ein wenig größer sein. Denn die aus dem Pinsel von Sabine Bulgaropulos stammenden Illustrationen verfügen über dieselbe Leichtigkeit wie die Worte aus der Feder ihres Mannes. Etwas mehr von ihnen wären definitiv eine bereichernde Ergänzung und für die Kleinen ein willkommener Einbildungskraft-Herauskitzler gewesen.

Auch an der Geschichte selbst lässt sich, denkt man nur lange genug über sie nach, noch etwas herumkritteln. Verwunderlich ist beispielsweise, dass sich Bulgaroporos die Mühe macht, in Eraluvia einen Außerirdischen landen zu lassen, welcher aber dann an dem eigentlichen Abenteuer (wegen seiner Verletzungen) gar nicht wirklich teilnimmt und dessen eigene Probleme, angesichts der viel unmittelbareren von Pennyflax und seiner Heimat, in den Hintergrund rücken müssen. Desweiteren erweckt Eraluvia hin und wieder den Eindruck einer gewissen Übervölkerung und scheint mit allzu vielen verschiedenartigen Kreaturen regelrecht verstopft zu sein. Gerade eben noch zu rechtfertigen ist eine solche Vielheit im Gasthaus zur hinterhältigen Wörtlichkeit, in welchem dem Koboldmädchen Shirah die Augen übergehen sollen. Dito gilt für (Chloro-)Phils einmalige, vielfältige Sammlung der Fabelwesen, bei welcher Gelegenheit die Kinder noch (mehr oder weniger ungezwungen) über die attischen Mythen belehrt werden. Unverständlich ist mir aber, warum der Autor etwa auf Eisgeister und Schneetrolle im Frostspitzen-Gebirge hinweist, welches die Kobolde lediglich beim Fliegen auf den Harpyie-Rücken in der Ferne erblicken und gewiss niemals mit ihren kurzen Koboldbeinchen besucht haben, sondern es höchstens aus ihren Legenden kennen können. Dazu hat sich der Autor, wie mir scheint, durch das „Große Buch der Geister“ und die beeindruckenden Illustrationen von Brian Froud hinreißen lassen – was aber die Möglichkeiten dieser Kindererzählung ein wenig überstrapaziert hat.

Entschädigt für diese, in der Summe eher geringfügigen, Unstimmigkeiten werden wir aber durch den Umstand, dass man – ob Klein oder Groß – gar nicht anders kann, als sich in die Kobolde zu verlieben. Diese winzigen Wesen mit Spitzohren und „Baumrinde ähnlicher Haut“, mit quecksilbrigen Haaren, die nur ein Zauberspruch zu bändigen vermag, und zerfetzter Kleidung; diese possierlichen Geschöpfe, welche immer auf die ehrlichste Art und Weise direkt sind, die kein Blatt vor den Mund nehmen und unter allen Umständen den einfachsten Prinzipien treu bleiben; die sich „Miesepetrigen Morgen“ und „Mürrischen“ oder „Garstigen Tag“ wünschen, Regen über alles lieben und von Sonnenschein Schnupfen kriegen; die sich morgens und abends vorbildlich die Zähne schärfen und sich regelmäßig im Schlamm reinigen; die für den Winter leckere Maden und knackige Engerlinge einlegen; die Exaktheit in „zwei bis zwölf Schlenderstunden“ messen und die „Streichespieler Nummer eins!“ und „einsame Spitze“ sind, und die nicht zuletzt in dieser Hinsicht über einen Einfallsreichtum verfügen, der in unermessliche Höhen steigt; sie gewinnen auf ihrer Reise durch Eraluvia nicht nur erdichtete Freunde, sondern in den Lesern auf der anderen Seite des Textes auch ganz reale. Mit Kobolden ist es „verzwurbeldings nochmal“, „abgedingst“ und „klarifari“, dass der Leser „tagein-tagaus-und-noch-mehr-Weltgedrehe“ seinen Spaß kriegt!

Andreas Bulgaropulos
Pennyflax und der Hexenmeister vom Feuerberg (E-Book)
neobooks Self-Publishing Verlag 2014
103 Seiten, 2,99 Euro
ISBN:9783847684503

http://pennyflax.de/

Zu beziehen unter:
https://play.google.com/store/books/details/Andreas_Bulgaropulos_PENNYFLAX?id=duJgAwAAQBAJ

Veröffentlicht von on Mai 15th, 2014 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

Hinterlassen Sie einen Kommentar!