Familienaufstellung?

„Staatsrechtslehre als Mikrokosmos“ von Helmuth Schulze-Fielitz

Matthias Wiemers

cover-schulzeDer Würzburger Staatsrechtslehrer Helmuth Schulze-Fielitz beobachtet seit Jahrzehnten seine eigene Disziplin, die Wissenschaft vom Öffentlichen Recht. Im Nomos Verlag hat er Ende der 1990er Jahre insgesamt vier Poster veröffentlicht, auf denen die Genealogie der deutschen Staatsrechtslehrer, also ihre jeweilige wissenschaftliche Herkunft, graphisch dargestellt war. Aber bereits in den Achtzigerjahren hat er gelegentlich Reden gehalten und Beiträge verfasst, mit denen die Staatsrechtslehre in ihrer Entwicklung in Einzelaspekten kritisch gewürdigt wurde. Diese Beiträge fasst der hier vorzustellende Band zusammen, und die Poster sind dem Band in aktualisierter Form im Umfang von insgesamt gut 20 Seiten eingefügt.
Diese graphische Darstellung hat der Autor im Rahmen einer schriftlichen Würdigung zu deuten versucht, wobei diese Abhandlung den vierten und letzten Teil des Bandes ausmacht: „IV. Staatsrechtslehre in Habilitationsverhältnissen“. Waren die Poster noch unter dem Titel „Die deutschen Staatsrechtslehrer und ihre akademische Herkunft“ überschrieben, so hat er dem einführenden Text hierzu nun die Bemerkung „ein relativierender Kommentar“ hinzugefügt.
Der Text dient vor allem dazu, darzutun, nach welchen Kriterien Schulze-Fielitz die „Verwandschaftsverhältnisse“ im Rahmen der deutschen Staatsrechtslehre bestimmt hat. Die Schwierigkeiten, die hierbei auftauchten, charakterisiert der Autor im Rahmen seiner Relativierung wie folgt: „begründete Zweifel sind offensichtlich. Schon die Schlussfolgerung von einer mit einer akademischen Schülerschaft verbundenen Geistesverwandtschaft kann schnell in die Irre führen: Jeder Wissenschaftler, jede Gelehrtenpersönlichkeit gewinnt Selbststand in der wissenschaftlichen Fachöffentlichkeit durch Herausbildung eines eigenen Profils, das sich vom akademischen Profil des akademischen Lehrers mehr oder weniger weit entfernt.“ (S. 454)
Dieser Eindruck wird im Rahmen des Beitrags bestätigt. Interessant sind vor allem in diesem Beitrag die Andeutungen, die der Autor bezüglich benannter oder namentlich nicht benannter Kollegen macht, die ahnen lassen, dass es auch unter Staatsrechtslehrern, die im vertrauten Kreis beieinander sitzen, durchaus menschlich zugehen mag.
Gehen wir zurück zum Anfang des Bandes, so wird dort erst einmal der Begriff der Staatsrechtslehre definiert (I. Einleitung. „Staatsrechtslehre als Mikrokosmos. Eine einleitende Vorbemerkung.“). In diesem Abschnitt erfährt der Leser etwas über Begriff, Entwicklung und zukünftige Tendenzen der Disziplin, bevor im Mittelteil (II. und III.) die an anderer Stelle erstveröffentlichten Beiträge präsentiert werden. Dabei werden diese zum einen in die Rubriken „Staatsrechtslehre als akademischer Sozialisationsprozess“ und „Staatsrechtslehre als wissenschaftlicher Diskurs“ (III.) unterteilt.
Im Teil II. erfahren wir etwas über die jährlich stattfindenden Assistententagungen der wissenschaftlichen Mitarbeiter der Fachrichtung Öffentliches Recht (S. 47 ff.), die öffentlich-rechtliche Habilitationsschrift (S. 87 ff.), den öffentlich-rechtlichen Habilitationsvortrag (S. 118 ff.), das Staatsrechtslehrerreferat (S. 145 ff.), Reputationshierarchien (S. 187 ff.) und Festschriften (S. 204 ff.).
Der dritte Teil vereinigt Beiträge, die weniger einzelne Elemente des akademischen Sozialisierungsprozesses betrachten, sondern einmal die Staatsrechtslehre als Wissenschaft insgesamt (S. 219 ff.), einen Rezensionsaufsatz zum Handbuch des Staatsrechts (S. 255 ff.), einen Beitrag zur Qualität öffentlich-rechtlicher Forschung (S. 298 ff.), das Verhältnis zwischen Staatsrechtslehre und Bundesverfassungsgericht (S. 375 ff.), die Rolle der Verwaltungsrechtswissenschaft für das Bundesverwaltungsgericht(S. 403 ff.) und – umgekehrt – das Bundesverfassungsgericht als Impulsgeber für die Fachliteratur (S. 428 ff.)

Der Band muss von hohem Interesse für alle diejenigen sein, die sich für das Öffentliche Recht und die an seiner Entstehung und Fortentwicklung beteiligten Akteure interessieren. Der Preis für diesen durch die anhängenden  „Stammtafeln“ sehr aufwändig gestalteten Band ist mit 49 Euro zudem als sehr gering anzusehen. Allen an der Herstellung und Finanzierung Beteiligten kann hierfür nur gedankt werden.

Helmuth Schulze-Fielitz
Staatsrechtslehre als Mikrokosmos. Bausteine zu einer Soziologie und Theorie der Wissenschaft des Öffentlichen Rechts
Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 2013,
504 S. plus 26 S. Ausklapptafeln, 49 Euro
ISBN 978-3-16-152412-7

Veröffentlicht von on Dez 18th, 2014 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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