Fünf Freunde

Recht cineastisch, Teil 21: „Als wir träumten“ von Andreas Dresen

Thomas Claer

als-wir-traeumtenSchon zweimal hat sich die Zusammenarbeit von Regisseur Andreas Dresen und Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase als Glücksfall erwiesen: in der Künstlerkomödie „Whisky, Wodka und Tango im Gesicht“ (2009) und im wunderbaren Prenzlauer Berg-Film „Sommer vorm Balkon“ (2006), vielleicht einem der schönsten Berlin-Filme überhaupt. Der 51-jährige Dresen und der 32 Jahre ältere Kohlhaase, haben, wie sie einmal selbst erklärten, „dieselbe Sicht auf die Welt“. Vielleicht liegt es ja an der Sozialisation beider im Osten, an der frühen Desillusionierung und an der doch strengen ästhetischen Schule. Kohlhaase: „Von Kunst wurde in der DDR viel erhofft – und zugleich viel befürchtet.“ Typisch für beide ist der zarte Blick auf die kleinen Leute, die ewigen Verlierer. Nun haben sich Dresen und Kohlhaase also der Romanvorlage „Als wir träumten“ des gefeierten Leipziger Krawall-Poeten Clemens Meyer, 37, angenommen, in der dieser von seiner eigenen chaotischen Jugend in den Nachwendejahren berichtet. Man durfte gespannt sein, wie die beiden erprobten Leisetreter wohl mit diesem harten Action-Stoff zurechtkommen würden.
Die Geschichte geht so: Fünf Freunde, die schon seit Jahren gemeinsam die Schulbank gedrückt haben, werden als Jugendliche im Nachwende-Leipzig, das damals noch weit davon entfernt war, zum Hypezig, ja zum besseren Berlin geadelt zu werden, eine Straßengang, deren Leben sich vornehmlich um Kleinkriminalität, Alkohol, Drogen und Gewalt dreht. Mit großer Selbstverständlichkeit knacken sie Autos, rauben Supermärkte aus und zertrümmern reihenweise Schaufensterscheiben. Wie schon viele andere junge Leute vor ihnen fühlen sie sich als „die Größten“, doch gibt es in den Nachwende-Wirren kaum noch Autoritäten, die ihnen Grenzen setzen könnten. Besonders verstörend wirken die immer wieder eingeschobenen Rückblenden auf den einst gemeinsam erlebten sozialistischen Schulalltag. Welch ein Kontrast zur Zeit danach! (Unterschwellig klingt immer auch die Frage an, was eine autoritäre Erziehung mit jungen Menschen macht.) Doch ist nicht alles, was die Freunde tun, nur destruktiv. Sie gründen einen Underground-Techno-Club, es sind halt die frühen Neunziger, und bringen so einen kräftigen Schuss Hippness in ihre Metropole, die immerhin die zweitgrößte Stadt der DDR war. Doch es kommt, wie es kommen muss: Rivalisierende Neonazi-Schläger, die die fünf Freunde ohnehin von Anbeginn in ausgedehnte und brutale Revierkämpfe verwickelt haben, zertrümmern die coole Keller-Disco und machen dem Party-Spaß ein Ende. Natürlich kommt es noch viel schlimmer: Einer der Jungen krepiert an seinen Drogen. Sein dealender Freund, der ihm das Zeug verkauft hat, muss sich schuldig fühlen. Wiederum zwei andere der Freunde kommen wegen ihrer unzähligen Delikte ins Gefängnis. Erst im traurigen letzten Drittel des Films offenbart sich vollends die Handschrift von Regisseur und Drehbuchautor. Ein wilder und melancholischer Film über das Erwachsenwerden in Umbruchzeiten, über Freundschaft und Verrat.

Als wir träumten
Deutschland 2015
Regie: Andreas Dresen
Drehbuch: Wolfgang Kohlhaase
Romanvorlage: Clemens Meyer
117 Minuten, FSK: 12
Darsteller: Merlin Rose, Julius Nitschkoff, Joel Basman, Marcel Heuperman, Frederic Haselon, Ruby O. Fee u.v.a.

Veröffentlicht von on März 30th, 2015 und gespeichert unter DRUM HERUM, RECHT CINEASTISCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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