Kopflastig

„Die Methoden der Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht“ von Carl David v. Busse

Matthias Wiemers

busseMit dem Richterrecht auf der einen und der juristischen Methodenlehre auf der anderen Seite ist es jeweils so eine Sache. So ist im einzelnen umstritten, wann richterliche Rechtsfortbildung überhaupt zulässig ist. Gleichzeitig wissen wir, dass es in der Methodenlehre zwar einen klassischen, auf Savigny zurückgehenden Kanon von insgesamt vier Methoden gibt, der auch gegenwärtig noch gelehrt wird, dass aber gerade das Verfassungsrecht als das in den letzten Jahrzehnten methodisch innovativste Rechtsgebiet oftmals eine gewisse Methodenvarianz aufweist, also besonders schwer in den hergebrachten Kanon einzusortieren ist.

Seit Jahren sprechen wir nun von der Europäisierung und Internationalisierung, ja mitunter Globalisierung des Rechts, und es liegt auf der Hand, dass Methodenstrenge kaum erwartet werden kann, wo von anderen, mitunter höher stehenden Ebenen der Rechtsordnung Impulse ausgehen, die bei der Auffindung des im Einzelfall „richtigen“ Rechts ebenfalls beachtet werden müssen – oder auch nur können. Eben darin besteht der Problemkreis, der in der 2014 an der Universität München als Dissertation eingereichten Schrift Carl David v. Busses behandelt wird. In seiner Einleitung bringt der Autor diese Problematik auf den Punkt, indem er ausführt: „“Während etwa die Vorteile eines rechtsvergleichenden Vorgehens des deutschen Gesetzgebers offensichtlich sind, (scheinen) die Bedenken und Gefahren beim Einsatz der Rechtsvergleichung durch die Richter bei der Auslegung und Lückenfüllung des nationalen Rechts häufig zu überwiegen.“

Die recht umfangreiche Qualifikationsarbeit ist sodann in sechs Kapitel eingeteilt, über die der Autor auch in der Einleitung einen Überblick gibt. Doch sehen wir selbst:
Mit etwa 250 Seiten bildet das erste Kapitel den eindeutigen umfangmäßigen Schwerpunkt der Arbeit, die damit sehr „kopflastig“ wird. Der Autor beginnt bei der Erörterung des Vergleichs als Methode in den Wissenschaften und vertieft dann den Vergleich in der Rechtswissenschaft. Schließlich werden Zweck und Funktion der Rechtsvergleichung erörtert. Ein wichtiger Erkenntnisgewinn besteht in der Feststellung, dass Rechtsvergleichung für die Rechtsharmonisierung wichtig ist (S. 275).
Im etwa 50seitgen zweiten Kapitel „Gegenstand des Rechtsvergleichs“ wird herausgearbeitet, dass die aus dem Zivilrecht stammende Methode des Rechtsvergleichs nicht auf das öffentliche Recht übertragen werden kann.
Kapitel drei und vier dienen der Darlegung der bislang speziell im Öffentlichen Recht entwickelten Methoden zur Ermittlung des Vergleichsgegenstandes, zunächst in der Literatur und sodann in der Rechtsprechung. Das Rechtsprechungskapitel bildet naturgemäß den zweiten Schwerpunkt der Arbeit. Die eigentliche Fragestellung der Arbeit aus der Einführung widmet sich das wiederum etwa 50seitige Kapitel 5: „Gefahren und Schranken der Rechtsvergleichung als richterliches Instrument“.
Als Gefahren werden ein opportunistischer Gebrauch der Rechtsvergleich und zweitens gar Willkür identifiziert. Sodann erläutert von Busse Möglichkeiten, wie die vorstehend von ihm beschriebenen Gefahren wieder eingeschränkt werden können. Hierzu schlägt er zunächst den Versuch der Kooperation vor, vor allem eine Kooperation der Gerichten mit Instituten für Rechtsvergleichung. Sodann wird kurz darauf hingewiesen, dass der Gefahr der Willkür bei der Auswahl des zu vergleichenden Materials im Wege einer „kontextuell-funktionalen Betrachtung“, also die Berücksichtigung der politischen, geschichtlichen, gesellschaftlichen und ökonomischen Kontexte des Vergleichslandes (S. 549). Ausländische Rechtsansichten seien schließlich nur kritisch zu übertragen (S. 550).
Ein weiteres Argument gegen transnationale Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht ist für von Busse das Problem der fehlenden rechtsstaatlichen Legitimation (S. 551 ff.). Auch hierfür nennt er Wege der „Gefahrenbeschränkung“. Drittes Problem ist für von Busse die „Gefahr unreflektitierter Vergleiche“ (S. 561), ein weiteres die „Gefahr einer frühzeitigen Festlegung von Auswahlkriterien“ (S. 573) und schließlich die „Gefahr der vermeintlichen Textähnlichkeit“ (S. 580).
Das sechste Kapitel bietet eine Schlussbetrachtung und einen Ausblick, der freilich kein „Patentrezept“ bieten kann.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass von einer Arbeit mit einem solchen Thema kaum erwartet werden konnte, dass das schon auf rein nationaler Ebene nicht mehr als verfestigt zu bezeichnende Thema der Rechtsvergleichung als Methode der Rechtsgewinnung im öffentlichen Recht nun im Rahmen der Europäisierung und Internationalisierung in eine feste Struktur zu bringen gewesen wäre. Die jetzt bei Nomos erschienene Schrift bietet allerdings reichhaltiges Material auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Wesentliches Ergebnis dürfte sein, dass bei der Rechtsvergleichung die zu vergleichenden Normen nach genau denselben Methoden aufzubereiten sind wie es mit deutschen Rechtsnormen zu geschehen pflegt (S. 592).
Mehr noch als die Beachtung durch deutsche Gerichte würde man sich allerdings wünschen, dass der europäische Gesetzgeber systematischer die Kontexte aller mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen beachtet, in die hinein er eine zunehmend harmonisierende Rechtsetzungstätigkeit entfaltet.

Carl David von Busse
Die Methoden der Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht als richterliches Instrument der Interpretation von nationalem Recht
Nomos Verlag Baden Baden 2015
640 S., 149 Euro
ISBN 978-3-8487-1959-4

Veröffentlicht von on Jul 26th, 2015 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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