Mit Plastiktaschen gegen Plastikmüll

Eine Helgoländer Biologin setzt Zeichen gegen die Vermüllung der Ozeane

Benedikt Vallendar

Helgoland – Rund 150 Millionen Tonnen Plastikmüll bedecken nach Expertenschätzung die Ozeane. Ausgebreitet auf eine ebene Fläche, entspricht das der Größe Europas. Dagegen will die Biologin Rebecca Störmer, die auf der Nordsee-Insel Helgoland lebt, ein Zeichen setzen. „Gegen einen Euro Gebühr werden wir 16.000 Mehrwegtragetaschen, die zu achtzig Prozent aus recycelten PET-Flaschen bestehen, an Kunden in den Geschäften ausgeben“, sagte die 32-Jährige. Bisher verlässt jedes Jahr eine Flut von Einweg-Tragetaschen den roten Felsen.  Diese landen zwar selten im Meer, allerdings kann der Strandbesucher fast täglich die Auswirkungen der globalen Plastikvermüllung sehen. Vor allem Fischereinetze, aber auch illegale Mülldeponien sind ein Problem für das empfindliche Ökosystem in der Deutschen Bucht; indes die Produktion von Taschen aus Naturfasern, wie etwa Baumwolle oder Jute, eine schlechtere Umweltbilanz aufweist als die Herstellung aus Plastikmüll, was in der Öffentlichkeit aber nur wenig bekannt ist.

Störmer ist es gelungen, bei ihrer Aktion die Helgoländer Gemeinde- und Kurverwaltung sowie Dutzende Geschäftsleute mit ins Boot zu nehmen. Auch die katholische und evangelische Kirchengemeinde sind dabei. Produziert werden die ökologischen Taschen von einem Rostocker Unternehmer, der zusammen mit Störmer und einem Bremer Künstler das grüne Design mit der Aufschrift „De green Anna“, in Anlehnung an das Wahrzeichen der Insel, entworfen hat. Auch im Internet sind die Initiatoren präsent. Obwohl die Aktion zunächst auf einen Monat beschränkt ist, haben bereits zahlreiche Geschäftsinhaber angekündigt, gänzlich auf die grünen Ökotaschen umzusteigen, darunter der Helgoländer Edeka-Markt im Stadtzentrum. Mittlerweile werden dort mehrere Hundert Taschen täglich ausgegeben. Und es gibt schon private „Bestellungen“ aus dem Bundesgebiet.

„Es ist durchaus möglich, dass die grünen Taschen schon bald zu einem neuen  ‚Markenzeichen‘ der Insel werden“, zeigt sich die Düsseldorfer Marketingexpertin Claudia Gölz optimistisch. Die Menschen verstünden, dass sich dahinter nicht bloß ein Produkt, sondern eine Botschaft verbirgt, die uns alle angeht, sagt Gölz.  „Wir wollen mit der Aktion das Bewusstsein der Konsumenten gegen weniger Plastik im Alltag schärfen“, beschreibt Rebecca Störmer das Anliegen der Kampagne, die sie und ihre Mitstreiter zwei Jahre lang vorbereitet haben.

Wie sehr dahinter ein gesamtgesellschaftliches Problem steckt, zeigen Seehundkadaver, die mitunter an die Strände von Nord- und Ostsee gespült werden. „Oft nehmen die Tiere bei der Nahrungssuche Plastik auf, was ihre Mägen verstopft und sie qualvoll verhungern lässt“, sagt Störmer. Da Plastik erst nach 450 Jahren verrottet, finden sich kleinste Partikel davon mittlerweile auch in Seefisch, der als Tiefkühlware in den Supermärkten landet.

Eigentlich hätte Helgoland eine solche Umweltaktion gar nicht nötig gehabt. Denn von jeher gilt die Insel als ausgesprochen umweltbewusst, worauf allein schon die zahlreichen Mülleimer im Oberland und das vorbildliche Mülltrennungssystem hindeuten. Doch schon oft sind von dort wichtige Impulse für das Festland ausgegangen. Angefangen beim „Lied der Deutschen“, das Hoffmann von Fallersleben 1841 auf Helgoland komponierte und dessen dritte Strophe heute die deutsche Nationalhymne bildet; bis hin zur Quantenphysik Werner Heisenbergs, deren Grundlagen der Heuschnupfen geplagte Forscher während eines Sommerurlaubs entwickelt hat. Seit 1890 ist Helgoland in deutscher Hand. Davor stand sie unter dänischer und britischer Verwaltung, was zeigt, wie sehr es die Inselbewohner gelernt haben, global zu denken – und zu handeln.

Veröffentlicht von on Aug. 3rd, 2015 und gespeichert unter DRUM HERUM, SONSTIGES. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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