Den Bachelor vom Basar

In ihren Herkunftsländern gekaufte Bildungsabschlüsse erschweren Flüchtlingen die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt

Benedikt Vallendar

una-3Hannover – Taxi fahren? Im Orient kann das ein Traumjob sein. Ohne Ausbildung sein Geld zu verdienen und immer wieder neue Leute kennenlernen. So mancher Jordanier, Iraker oder Somalier spart für ein eigenes Auto, um sein eigener Herr zu sein. Doch was dort ein Ziel, ist hierzulande nicht selten ein echtes Problem, wenn es um den Aufbau einer eigenen Existenz geht: Denn Asylbewerber und Flüchtlinge aus diesen Ländern haben, anders als immer wieder behauptet wird, in Wirklichkeit nur geringe Chancen, dass ihre vermeintlichen Bildungsabschlüsse anerkannt werden; schlimmer noch: Oft sind die Ausbildungsnachweise, die die Migranten im Gepäck haben, das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben wurden, trotz gegenteiliger Beteuerungsrhetorik deutscher Politiker, die gerne von einer „offenen Gesellschaft“ und dem „Bedarf an gut qualifizierten Fachkräften“ sprechen.

Zwar wirbt der deutsche Staat im Internet für die Anerkennung ausländischer Abschlüsse, hat gar Hotlines und Beratungsstellen eingerichtet, doch ist die Realität in den Amtsstuben oft eine andere, als es die bunten Bilder und Werbebuttons vermuten lassen. Denn jedem Antrag auf Anerkennung eines Examens folgen oft aufwändige Überprüfungen und Nachfragen durch die Sachbearbeiter, die zumeist damit enden, dass der Antragsteller vieles nachholen soll, was er oft nicht kann oder will. Derweil ein Großteil seiner Landleute darauf angewiesen ist, ihr Geld dauerhaft im Niedriglohnsektor zu verdienen; als Spülhilfen, Lagerarbeiter, Babysitter oder eben Taxifahrer, was erklärt, weshalb in der Branche überdurchschnittlich viele Migranten beschäftigt sind und mehr Migranten von Sozialleistungen leben, als ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ausmacht. So mancher Taxigast würde staunen, wüsste er, mit welchen Abschlüssen sein Fahrer dereinst in die Bundesrepublik eingereist ist.

Korrupte Strukturen

Dabei ist das Problem nicht anerkennungsfähiger Uniabschlüsse aus Entwicklungsländern nicht neu, sondern den Behörden hinlänglich bekannt, wie eine stichprobenartige Umfrage in den Ländern bestätigt. „Uni-Abschlüsse von außerhalb der EU genügen oft nicht den hohen deutschen Standards“, spricht der Steyler Missionar Konrad Liebscher SVD Klartext. „Zum einen wegen der oft schlechten Ausstattung an den Herkunftsuniversitäten, zum anderen wegen der oft korrupten Verhältnisse in diesen Ländern“, sagt er. Liebscher ist Betriebswirt und hat einige Jahre als Seelsorger in Angola gearbeitet; er hat zudem im Auftrag seines Ordens viele Länder bereist und die teils miserablen Zustände in staatlichen und auch privaten Bildungsinstituten südlich der Sahara und in Südamerika kennen gelernt.

Lackmusstest Bibliothek

Relativ gut kommen immer wieder kirchliche Einrichtungen weg, da sie Spenden aus dem Ausland kriegen und oft von gut ausgebildeten Kräften, Ordensleuten, getragen werden. „Manchmal genügt ein Blick in die Bibliothek, um abschätzen zu können, welchen „Wert“ das Institut und vor allem die Abschlüsse besitzen, die es vergibt“, sagt Liebscher. Als Missionsprokurator wird er regelmäßig um Stipendien und Beihilfen gebeten, auch um Bildungsabschlüsse in Deutschland nachholen zu können. Denn traditionell tun sich deutsche Behörden schwer, akademische Abschlüsse aus Dritte-Welt-Staaten anzuerkennen. Und das aus gutem Grund. „In Afrika lässt sich praktisch alles kaufen“, sagt Pater Liebscher, der das korrupte Gebaren angolanischer Behörden Anfang der neunziger Jahre am eigenen Leib erfahren hat. Dazu gehören auch Zeugnisse und Universitätsabschlüsse, bei denen oft fraglich ist, wie sie zustande gekommen sind.

PDF-Dateien statt Bücher

Auch in Südamerika, etwa in Paraguay oder Chile, hat sich ein regelrechter Markt entwickelt, auf dem sich kommerzielle Privatinstitute tummeln, die sich vollmundig „Universität“ nennen und Abschlüsse verteilen, bei der sich die Wissensvermittlung oft allein auf das Auswendiglernen von Skripten beschränkt, die die Studenten als PDF-Dateien zugemailt bekommen. Über eine gut sortierte Bibliothek, wie sie für ein Studium Grundvoraussetzung ist, verfügen die wenigsten Einrichtungen. Selbst Einheimische kennen das Problem und nennen diese Privatinstitute, die an zahlreichen Ausfallstraßen in der Hauptstadt Asunción mit übergroßen Plakaten für sich werben, abschätzig „Universidades de garaje“, Garagenuniversitäten, die oft mehr versprechen als sie hergeben und einzig dazu dienen, gegen Gebühr vermeintlich akademische Titel zu vergeben; in der trügerischen Hoffnung, damit wenigstens im Ausland etwas anfangen zu können.

Das Problem zweifelhafter Uniexamina bestätigen hierzulande auch jene, die direkt aus der Praxis kommen. Frank Rettig, Allgemeinmediziner in Braunschweig, hat in deutschen Kliniken schon viele Kollegen, vor allem aus Osteuropa und der GUS erlebt, die sich mit einem Medizindiplom geschmückt haben und oft noch nicht einmal über Basiswissen bei der Behandlung von Leistenbrüchen und Menstruationsbeschwerden verfügten. „Es ist unverantwortlich, wie da mit der Gesundheit von Patienten umgegangen wird“, kritisiert Rettig. Um Außenstehenden die Orientierung zu erleichtern, ist es in einigen Bundesländern, etwa in NRW, üblich, dass ausländische Akademiker ihren im Heimatland erworbenen Abschluss nur mit einem Landeskürzel, etwa „RO“ für Rumänien, im Namen führen dürfen.

Hinzu kommt: Nicht selten haben Asylbewerber und Flüchtlinge auch nach Jahren in Deutschland kaum ausreichende Sprachkenntnisse, um etwa nur eine Ausbildung zum Konditor oder als Bürokauffrau zu absolvieren. „Gerade bei den Büroberufen sind die Anforderungen hoch, so dass selbst abgebrochene Studenten aus Nicht-EU-Staaten diese nur selten erfüllen könnten“, sagt Wilfried Röttgen, der als Pastoralreferent im Erzbistum Köln viele Jahre afrikanische und asiatische Studenten betreut hat; und dabei mit vielen Schicksalen konfrontiert wurde, die in Perspektivlosigkeit und manchmal sogar in der Kriminalität geendet haben.

„In vielen Fällen ist es bloßes Wunschdenken, wenn Politiker dafür plädieren, Asylbewerber durch Praktika und Sprachvermittlung in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren“, sagt der Berliner Gastronomie-Unternehmer Norbert Siebelds, der, aus leidvoller Erfahrung, nur noch gut qualifiziertes Personal mit akzentfreien Deutschkenntnissen einstellt. „Viele der jungen Leute, die zu uns kommen, sind kriegstraumatisiert und kapitulieren vor den hohen, bürokratischen Hürden“, sagt Siebelds. Dazu gehören auch familiär-kulturelle Barrieren, etwa um als muslimische Frau sein eigenes Geld verdienen zu dürfen, bis hin zu offenen Ressentiments im Alltag; was auch schon mal dazu führt, dass Handwerksmeister aus Angst vor ihren vorurteilsbehafteten Kunden keinen dunkelhäutigen Lehrling einstellen wollen, wie es Fernsehjournalisten von Phoenix erst kürzlich bei einem Selbstversuch in einem hessischen Asylbewerberheim erfahren mussten.

Veröffentlicht von on Sep 21st, 2015 und gespeichert unter DRUM HERUM, SONSTIGES. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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