Ein Jurist als Pionier der Soziologie in Deutschland

Deutsche Juristenbiographien, Teil 2: Max Weber (1864–1920)

Matthias Wiemers

Max Weber spielt in soziologischen und auch politischen Debatten bis heute eine wahrnehmbare Rolle. Welcher Politiker, der in einer Rede gelehrt klingen will, zitiert nicht gerne das „Bohren dicker Bretter“ als Aufgabe des Politikers oder eine andere Sentenz aus Webers Rede „Politik als Beruf“?
Aber Max Weber wurde weder als Soziologe geboren, noch erhielt er eine genuin soziologische Ausbildung. Denn letzteres existiert in Deutschland noch gar nicht, als Weber nach dem Abitur 1882 das Studium der Jurisprudenz in Heidelberg aufnimmt. Webers Vater war ebenfalls Jurist, der, politisch national und monarchistisch gesinnt, in der preußischen Verwaltung Dienst tat; zur Zeit der Geburt des Sohnes Max war er in Erfurt tätig, das damals zu Preußen gehörte.
Unterbrochen durch den Wehrdienst als „Einjähriger“ im Jahre 1884 in Straßburg, setzte Weber sein Studium im Wintersemester 84/85 und Sommersemester 1885 in Berlin und WS 85/86 in Göttingen fort und schloss es dort im Mai 1886 mit dem Referendarexamen ab. Während der dreijährigen Referendarzeit schrieb er an seiner überwiegend juristischen Dissertation, die er 1889 abschloss. Auch die Habilitation, zwei Jahre später und während einer Tätigkeit als Assessor beim Berliner Kammergericht angefertigt, war rechtshistorischer Natur. Während der Arbeit an der Habilitation hielt Weber noch juristische Vorlesungen in Berlin, wurde aber zum Wintersemester Professor für Nationalökonomie in Freiburg, 1896 in Heidelberg. Seit 1899 überwiegend aufgrund eines Nervenleidens beurlaubt, kehrt Weber im Jahre 1918 an die Universität zurück, indem er in Wien einen neugeschaffenen Lehrstuhl für Soziologie übernimmt. Im folgenden Jahr wird Weber Nachfolger des Nationalökonomen Lujo Brentano an der Universität München, bevor er im Jahre 1920 stirbt – an einer Lungenentzündung, die ein Spätausläufer der Grippewelle ist, die am Ende des Ersten Weltkriegs in Europa wütet.
Der frühe Tod und die bereits vorher angeschlagene Gesundheit Webers bringen es mit sich, dass zahlreiche Arbeiten unvollendet geblieben sind, darunter das posthum erschienene Hauptwerk „Wirtschaft und Gesellschaft“, das u. a. von der Ehefrau, Marianne Weber, herausgegeben wird; Marianne hat auch eine Biographie ihres Mannes verfasst. Neben „Wirtschaft und Gesellschaft“, das aufgrund mangelnder Lesbarkeit hauptsächlich als Nachschlagewerk herangezogen werden kann, sind es vor allem die religionssoziologische Studie „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ sowie die gedruckten Vorträge „Politik als Beruf“ und „Wissenschaft als Beruf“, die Webers Ruhm bis heute tragen. Sind es auch soziologische Studien, die Webers Bedeutung für die Wissenschaft des 20. Jahrhunderts begründen, so zeigen schon die vielfältigen Lehrverpflichtungen Webers auf, dass er an der Schwelle zur Entstehung einer neuen wissenschaftlichen Disziplin in Deutschland steht, der Soziologie. Auch nach ihm sollten noch „gelernte“ Juristen den Weg zu den Sozialwissenschaften finden.

Quellen:
Donald G. Mc Rae, Max Weber, dt. Ausgabe, München 1975
Marianne Weber, Max Weber – ein Lebensbild, 2. Aufl. 1950  

Veröffentlicht von on Dez 7th, 2015 und gespeichert unter RECHT HISTORISCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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