Dirk Streifler
Oft liegt der Gerichtsstand und damit das Prozessgericht aufgrund der Regelungen der §§ 12–19a ZPO auswärts. Mit dem Urteil vom 13. 12. 2000 – 1 BvR 335/97 des BVerfG wurde das Lokalisationsprinzips bei den Land- und Oberlandesgerichten aufgegeben. Seither werden in der Regel die Rechtsanwälte am Sitz der Partei als Prozessbevollmächtigte tätig. Und seither nehmen die Gerichtsentscheidungen zu diesen besonderen Rechtsverhältnissen zwischen Prozessbevollmächtigten und Terminsvertretern zu.
Mit der Entscheidung des BGH, Urteil vom 29. 6. 2000 – I ZR 122/98, wurde erstmals festgestellt, dass im Fall einer Beauftragung des Terminsvertreteres durch den Prozessbevollmächtigten im eigenem Namen das RVG (damals noch BRAGO) keine Anwendung findet. Diese Entscheidung hatte jedoch nur das wiedergegeben, was die Rechtswirklichkeit bereits vorweg genommen hatte. Auch vor dieser Entscheidung wurde bei den meisten Terminsvertretungen eine unechte Gebührenteilung vereinbart. Danach treten die Prozessbevollmächtigten als Auftraggeber der Terminsvertreter als Gegenleistung für die Terminswahrnehmung die festsetzbaren gerichtlichen Kosten hälftig ab.
Unechte Gebührenteilung
Eine unechte Gebührenteilung bei zwei anfallenden Gebühren, d.h. ein Rechtsstreit mit Termin zur mündlichen Verhandlung, ohne Vergleichsschluss, I. Instanz, sähe z.B. wie folgt aus: Bei einem Gegenstandswert von 5.000,00 EUR entstünden eine 1,3 Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3100 VV RVG i.H.v. 391,30 EUR zzgl. Post- und Telekommunikationsentgelte gem. Nr. 7002 VV RVG i.H.v. 20,00 EUR. Hinzu kämen für die Terminsvertreter eine 0,65 Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3401 VV RVG i.H.v. 195,65 EUR, eine 1,2 Terminsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3104 VV RVG i.H.v. 361,20 EUR sowie Post- und Telekommunikationsentgelte gem. Nr. 7002 VV RVG i.H.v. 20,00 EUR. Das ergibt insgesamt 978,15 EUR zzgl. MwSt. i.H.v. 185,85 EUR, folglich 1.164,00 EUR. Hiervon je die Hälfte wären dann brutto 582,00 EUR.
Diese Absprache beinhaltet bereits eine Besserstellung des Prozessbevollmächtigten im Vergleich zu der Regelung nach RVG.
Echte Gebührenteilung
Bei einer Gebührenteilung nach RVG (echte Gebührenteilung) entstehen hingegen für die Prozessbevollmächtigten eine 1,3 Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3100 VV RVG und für die Terminsvertreter eine 0,65 Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3401 VV RVG sowie eine 1,2 Terminsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3104 VV RVG zzgl. Auslagen und MwSt. Nach diesem Beispiel ergäben sich für die echte Gebührenteilung folgende Zahlen: Gegenstandswert 5000,00 EUR; 1,3 Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3100 VV RVG i.H.v. 391,30 EUR plus Post- und Telekommunikationsentgelten gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR zzgl. MwSt. i.H.v. 78,15 EUR, also insgesamt 489,45 EUR. Hinzu kämen für die Terminsvertreter eine 0,65 Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3401 VV RVG i.H.v. 195,65 EUR, eine 1,2 Terminsgebühr §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3104 VV RVG i.H.v. 361,20 EUR sowie Post- und Telekommunikationsentgelte gem. Nr. 7002 VV RVG i.H.v. 20,00 EUR zzgl. MwSt. i.H.v. 109,60 EUR, also insgesamt 686,45 EUR. Die Prozessbevollmächtigten bekämen bei einer echten Gebührenteilung einen Betrag in Höhe von 489,45 EUR, die Terminsvertreter bekämen 686,45 EUR.
Ergebnis unzureichend
Die unechte Gebührenteilung stellt den Prozessbevollmächtigten daher besser als dies in der RVG Regelung vorgesehen ist. Diese Besserstellung aus der Perspektive des Prozessbevollmächtigten ist jedoch weiterhin in vielen Fällen unzureichend. Es ist nur schwer einsehbar, warum ein Kollege nach zahlreichen Gesprächen mit dem Mandanten eine umfangreiche Klageschrift erstellt … und der Terminsvertreter nach kurzer Vorbereitung oftmals lediglich den Antrag aus der Klageschrift stellen muss und dafür dasselbe Geld erhalten soll.
Viele Kollegen sind daher auch bereit für geringere Beträge die Terminswahrnehmung zu übernehmen. Dennoch ergeben sich bei der telefonischen Nachfrage häufig unangenehme Gesprächssituationen, wenn es um die Höhe der Vergütung geht. Auch werden die Absprachen unter Anwälten gemäß der Volksweisheit – Lehrers Kinder, Pastors Vieh gedeihen selten oder nie – nur verkürzt und unzureichend getroffen.
Wenn überhaupt klar gestellt wird, ob eine Auftragsvergabe im eigenem Namen erfolgt oder im Namen des Mandanten, dann fehlen jedoch regelmäßig Regelungen zur Frage wer das Solvenzrisiko der Kostenschuldner trägt und wann der Anspruch des Terminsvertreters fällig wird. Absprachen zu Haftungsbeschränkungen oder Haftungsverteilungen fehlen fast immer. Dabei ist die Haftung ein nicht gering zu schätzendes Thema. Auch Regelungen zur Verteilung von zusätzlichen Gebührentatbeständen sucht man vergebens. Was passiert aber mit den Gebührenansprüchen des Terminsvertreters, wenn der Prozessbevollmächtigte das Mandat vor dem Termin niederlegt oder entzogen bekommt. Und was geschieht, wenn der Terminsvertreter selbst aus nicht vorhersehbaren Gründen an der Terminswahrnehmung gehindert wird? Es gibt zu den vorstehenden Fragen eine Vielzahl von gerichtlichen Entscheidungen mit Teils sehr widersprüchlichen Aussagen.
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Der Autor:
RA Dirk Streifler ist Partner der Kanzlei S&K Streifler & Kollegen in Berlin-Mitte und betreibt ein seit dem 13.11.2008 verfügbares das Internetportal, das Terminsvertretungen für Prozessbevollmächtigte vermittelt.