Erfahrungsbericht über die Anwaltausbildung an der Fernuni Hagen
Hans-Peter Anlauf
Ziel des Rechtsreferendariats ist es, die Referendare „berufsfähig“ zu machen – so oder so ähnlich werden bundesweit die Vorworte der Info-Broschüren der Landes-Justizministerien lauten, wenn es um die Erläuterung der Ziele des Referendariats geht. Das Referendariat in seiner ursprünglichen Ausrichtung auf eine Tätigkeit in Justiz und Verwaltung hat dieses Ziel bislang sicherlich nicht so umfassend erreicht, wie dies womöglich wünschenswert wäre – bereits seit Jahren wird das Gros der Volljuristen bundesweit primär in Anwaltschaft und Wirtschaft tätig und nicht in Justiz und Verwaltung. Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und mit dem Gesetz zur Reform der Juristenausbildung aus dem Jahr 2002 – das in Bayern immerhin schon mit Wirkung für den Herbst 2005 umgesetzt worden ist – das Referendariat stärker auf die Realität ausgerichtet, z.B. durch die Verlängerung der Anwaltsstation. Parallel zu den gesetzgeberischen Reformbemühungen hat der Deutsche Anwaltverein (DAV) 2003 die DAV-Anwaltausbildung als praxistaugliches Ergänzungsmodell der staatlichen Referen-dariatsausbildung ins Leben gerufen. Teilnehmen können Juristen, die das 1. Staatsexamen bestanden haben.
Der Theorie-Teil wird als Fernstudium an der Fernuni Hagen durchgeführt, das fortlaufend angeboten wird. Die Studienmaterialien werden via Internet zur Verfügung gestellt und glie-dern sich in zwei Blöcke. Block 1 behandelt „Die Anwaltskanzlei“, wobei Themen aufgegrif-fen werden wie z.B. anwaltliches Berufsrecht, Gründung einer Kanzlei, strategische Ausrich-tung und Kanzlei-Marketing. Block 2 greift demgegenüber unterschiedliche Rechtsgebiete auf und vermittelt so spezifische Kenntnisse in den unterschiedlichsten Bereichen. Die Bandbreite reicht dabei von IPR über Arbeits- und Sozialrecht, Wettbewerbsrecht, Insolvenzrecht, Steu-errecht und Gesellschaftsrecht bis hin zu Themengebieten wie Mediation, Prozessrecht und –taktik. Grundsätzlich stehen je Kurseinheit 2 Prüfungsaufgaben zum Download zur Verfü-gung, die schriftlich zu bearbeiten sind. Sämtliche 8 Kurseinheiten von Block 1 sind ver-pflichtend zu lösen, während die Teilnehmer nur 10 der insgesamt 19 Kurseinheiten von Block 2 bearbeiten müssen, wenn sie eine Gesamtpunktezahl von mindestens 1.350 Punkten erreichen. Je nach Ambition lässt sich also der Bearbeitungsaufwand steuern. Natürlich ist es möglich, trotz Erreichens dieser Punktezahl auch noch die restlichen Aufgaben zu bearbeiten.
Der Praxis-Teil der DAV-Anwaltausbildung dauert 12 Monate und findet grundsätzlich wäh-rend der staatlichen Referendars-Ausbildung in einer vom DAV anerkannten bzw. zugelasse-nen Ausbildungskanzlei statt, kann aber auch nach dem Referendariat absolviert werden. Der Inhalt der praktischen Ausbildung wird durch ein Ausbildungshandbuch bestimmt und gere-gelt. Dieses Ausbildungshandbuch ist das Kernstück der praktischen Anwaltausbildung, da es einen genau umrissenen Katalog von Ausbildungsgegenständen beinhaltet, die über die 12-monatige Praxisausbildung hinweg den Teilnehmern zu vermitteln sind – auf diese Weise ist es nicht nur ein Leitfaden für die Referendare, sondern auch für die jeweilige Ausbildungs-kanzlei. Dabei bekommt der Referendar eine Arbeitsversion, in die er eigene Eintragungen vornehmen kann. Die Themen umfassen im Grunde genommen alles, was zur täglichen Ar-beit und den Aufgaben eines Anwalts gehört. So soll sichergestellt werden, dass der teilneh-mende Rechtsreferendar einen umfassenden, praktischen Einblick in das Anwaltsleben erhält. Den Abschluss der Ausbildung bildet ein Präsenzseminar, in dessen Verlauf die Teilnehmer in Übungen, Vorträgen und Workshops in Ergänzung der theoretischen und praktischen Aus-bildung weiteres Handwerkszeug ihrer späteren anwaltlichen Tätigkeit lernen sollen.
Die DAV-Anwaltausbildung ist sicherlich ein guter Weg, sich umfassend auf die Tätigkeit als Anwalt vorzubereiten. Ich selbst habe noch eine bayerische Referendariatsausbildung nach „altem“ Modell (vor 2005) „genossen“, also ohne nennenswerte Vorbereitung auf die anwalt-liche Praxis. Nach dem Referendariat war ich zunächst in einer mittelständischen DAV-Ausbildungskanzlei tätig und habe dort im Nachgang zum Referendariat die DAV-Anwaltausbildung angefangen. Nachdem ich jedoch relativ bald die Tätigkeit als Rechtsan-walt gegen die Tätigkeit als Syndikusanwalt in der Rechtsabteilung eines Unternehmens ge-wechselt habe, habe ich lediglich den Theorie-Teil der Anwaltausbildung an der Fernuni Ha-gen beendet, dabei aber auch wertvolle Kenntnisse gesammelt. Bedauerlich ist dennoch, dass – zumindest im Theorie-Teil der Anwaltausbildung – das für die Praxis wichtige Thema der Vertragsgestaltung nicht als Kurseinheit behandelt wird. Evtl. bietet die zukünftige Ausgestal-tung des Theorie-Teils der Anwaltausbildung an der Fernuni Hagen als LL.M.-Studiengang die Möglichkeit einer Überprüfung ihrer Inhalte.
Wir möchten gerne den abschließenden Ausblick von Herrn Hans-Peter Anlauf auf die zukünftige Ausgestaltung des Studiums als Masterstudiengang aufgreifen und Sie ergänzend darüber informieren, dass der Theoretische Kurs nach erfolgreichem Abschluss des Akkreditierungsverfahrens zwischenzeitlich durch den weiterbildenden Masterstudiengang „Anwaltsrecht und Anwaltspraxis“ ersetzt wurde.
Während die Studieninhalte des bisherigen Theoretischen Kurses in eine vierteilige Modulstruktur überführt wurden, wurden das System der Einsendeaufgaben durch insgesamt vier Modulabschlussklausuren sowie eine sich daran anschließende Masterabschlussarbeit ersetzt.
Eine Teilnahme am Praxis-Teil der DAV-Anwaltausbildung empfiehlt sich nach wie vor, um die Inhalte des Studiengangs durch Anwendung in der Praxis zu vertiefen und zu ergänzen. Allerdings kann der Masterstudiengang auch ohne Teilnahme am Praxisteil absolviert werden.
Dr. André Brambring und Dr. Sven Grotendiek
Projektbetreuer
des weiterbildenden Masterstudiengangs „Anwaltsrecht und Anwaltspraxis“
des Instituts für Juristische Weiterbildung
der FernUniversität in Hagen