Für Ambitionierte

Das Insider-Dossier: Karriere in der Großkanzlei von Caspar Behme, Nicolas Nohlen

Sven Heller

Umschlag_aussen-KORRIGIERT.aiIn der Reihe „Insider-Dossiers“ des squaeker.net-Verlags liegt nun neben vergleichbaren Titeln wie „Bewerbung in der Wirtschaftsprüfung“, „Brainteaser im Bewerbungsgespräch“ und „Praktikum in China“ ein auf Wirtschaftsjuristen zugeschnittener „Karriere-Knigge“ vor, mit dem Anspruch, dem verheißungsvollen Nachwuchs den Weg in die schillernde Welt der sog. Großkanzleien „auf dem deutschsprachigen Markt“ aufzuzeigen. Der Ratgeber richtet sich an „ambitionierte“ Jurastudenten, Referendare und junge Berufseinsteiger, und will diesen „den entscheidenden Wissensvorsprung in Hinblick auf eine zielorientierte Karriereplanung, eine erfolgreiche Bewerbung sowie einen gelungenen Einstieg in der Großkanzlei“ bieten.

In ihrer Darstellung verlassen sich die Autoren dabei auf einen traditionellen Aufbau und zeichnen nach einer Einordnung der Terminologie „Was ist eine Großkanzlei“ (Kapitel I 1.) und einem Überblick über den aktuellen Kanzleimarkt (Kapitel I 2. und 3.) historisch den Weg in die Großkanzlei vom ersten Federstrich bei der Bewerbung (Kapitel II) über das Auftreten in der Kanzlei (Kapitel III) und eine „zielsichere Karriere-Planung in den Kanzleien“ (Kapitel IV) bis hin zu möglichen Alternativen und „Exit-Optionen“ (Kapitel IV 2.), für den Fall, dass es mit der Equity-Partnerschaft dann trotz der Lektüre ihres Buches und dem Befolgen aller Insider-Tipps und Tricks doch nichts werden sollte, nach. Hervorzuheben ist hier die Leistung der Autoren, die Folgen der aktuellen Wirtschaftskrise für den Anwaltsmarkt realistisch mit in ihre Darstellung aufgenommen zu haben. Beeindruckend und informativ ist das Kapitel V, in dem die vom Beratungsangebot der Kanzleien umfassten Fachbereiche vorgestellt werden. Gerade für Referendare ist dies ein fast unentbehrlicher Überblick, ist es doch aufgrund der engen Stationsvorgaben nahezu unmöglich, in einer Großkanzlei alle Bereiche kennen zulernen. Hier hilft das Buch wirklich weiter. Im Kapitel VI stellen sich dann die zuvor ohnehin schon stets und zahlreich zu Wort gekommenen Kanzleien („Partner dieses Buches“) mit seitenformatigen Werbeanzeigen und den üblichen Angaben dem Leser nochmals vor, was zum kostendeckenden Druck des Buches beigetragen haben dürfte.

Der Seminar- und Doktorarbeits-gewöhnte Jurist findet sich in dem Aufbau des Buches schnell zurecht, entspricht dieser doch ganz der bekannten juristischen Gliederungssystematik. Zuweilen fühlt man sich bei der Lektüre aber auch an leidige Repetitorienskripten erinnert, weil die Autoren meinen, den Haupttext mit grau unterlegten Kästchen mit Weisheiten auf Abreißkalenderniveau anreichern zu müssen. Und dies bildet den Hauptkritikpunkt am vorgelegten Karriere-Ratgeber. Mit dem von den Autoren postulierten „Insider-Element“, bei dem ausschließlich Personen zu Wort kommen sollen, „die Großkanzleien und ihre Besonderheiten von innen kennen“, verliert das Buch jegliche Lesbarkeit. Neben Gehaltstabellen erscheinen Fallbeispiele, Diagramme und Kästchen mit Rechtsfragen. Da findet sich auf S. 75 in einem Kästchen mit der Überschrift „Work-Life-Balance“ tatsächlich folgende Aussage eines Rechtsanwalts: „Wer schneller denkt, ist früher fertig“. Welchen Erkenntniswert eine solche, üblicherweise auf sog. Motivations-Coachings vermittelte Floskel für den Leser auf die für zukünftige Associates in der Tat bedeutsame Frage nach der Vereinbarkeit von Arbeitszeit und Privatleben enthält, lassen die Autoren leider auch an vielen anderen Stellen unbeantwortet.

Stattdessen langweiligen sie vor allem in Kapitel II und III mit absoluten Selbstverständlichkeiten, von denen hier nur ganz wenige stichwortartig wiedergegeben werden sollen: „Entscheidend: der Gesamteindruck“ (S. 54), „Die Auswahl des Mittagessens“ (S. 85), Hinweis auf Tipps für den Krawattenknoten (S. 99) oder das „Auftreten gegenüber nicht-juristischem Personal bzw. Paralegals“ (S. 93).

Ärgerlich ist dabei vor allem die Diskrepanz des Anspruchs, welche die Autoren an den Leser stellen. Es scheint, als hätten sie den fachlich perfekten, aber sozial höchst unsicheren Junganwalt vor Augen. Denn auf die Belanglosigkeiten zur „richtigen“ Bewerbung und zum „richtigen“ Auftreten in der Kanzlei in den gerade genannten Kapiteln, folgt in Kapitel V eine Dichte juristischer Informationen, welche ohne gesellschaftsrechtliche Vorkenntnisse nicht zu bewältigen ist.

Hier wird das „Täglich-Brot“ der Großkanzleien in der gesellschaftsrechtlichen Beratung in Fallbeispielen anspruchsvoll, aber aufgelockert und praxisnah dargestellt. Von der Vorbereitung eines Börsengangs, über die Gründung einer Societas Europaea, die Beratung einer Akquisitionsfinanzierung und beispielsweise dem Rückerwerb eigener Aktien wird dem Leser ein Einblick in die gesellschaftsrechtliche Beratung und mit dem Beitrag „Litigation – Prozessführung im Kartellrecht“ auch in die forensische Praxis der Großkanzleien gegeben. Für jeden dargestellten Fall in dieser sammelbandartigen Darstellung des Kapitels zeichnet jeweils eine Anwältin bzw. ein Anwalt aus den jeweiligen Fachbereichen der großen Kanzleien verantwortlich. Literaturhinweise am Ende eines jeden Beitrags, laden den Leser bei Interesse zur Vertiefung mit der Materie ein.

Einziger Kritikpunkt am angesprochenen Kapitel ist, dass sich das Kapitel allein auf gesellschafts- und kapitalmarktrechtliche Bereiche beschränkt, was einem Bezug zum Verlagsort Frankfurt geschuldet sein mag. Wer jedoch von einem Insider-Einblick in die Fachbereiche spricht, sollte die Bedeutung des öffentlichen und des privaten Baurechts, des Vergaberechts, des Insolvenzrechts und des sog. Grünen Bereichs für die alltägliche Arbeit in den Großkanzleien ebenfalls darstellen.

Ein nützliches Glossar am Ende des Buches hilft denjenigen weiter, die mit den englischsprachigen Begriffen des „Kanzlei-Slangs“, den die Autoren in ihrer Darstellung etwas häufiger verwenden, als es im Büro einer Großkanzlei nach eigener Erfahrung tatsächlich geschieht, noch nicht vertraut sind. Den Ratschlag der Autoren, das Buch als Arbeitsbuch zu betrachten, können wir bei nahezu 400 eng beschriebenen Seiten und begrenzter Lesefreundlichkeit aber uneingeschränkt folgen.

Caspar Behme, Nicolas Nohlen
Das Insider-Dossier: Karriere in der Großkanzlei. Bewerbung, Einstieg und Aufstieg. Squeaker.net Frankfurt a. M. 2009
394 S., € 24,90 (bis zum 30.9. 2009 gilt der Subskriptionspreis von € 19,90)
ISBN: 978-3-940345-066

Informationen:

http://www.squeaker.net

Veröffentlicht von on Sep 28th, 2009 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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