Der Anteil der Rechtswissenschaftler unter den Vorstandsvorsitzenden der deutschen Top-Unternehmen sinkt rapide
Thomas Claer
Das wird niemanden überraschen: Der gute Jurist, der angeblich alles kann, der immer alles im Griff hat und alles kompetent beurteilen kann, ist in den Chefetagen immer weniger gefragt. Was im Wirtschaftsministerium noch ganz gut funktioniert, ist an der Spitze der 30 größten und umsatzstärksten börsennotierten deutschen Unternehmen die Ausnahme geworden – und war doch noch vor gar nicht langer Zeit die Regel. Wie eine im ersten Halbjahr 2009 durchgeführte Studie der Personalberatung Odgers Berndtson ergibt (siehe untenstehende Tabelle), hat nur noch weniger als ein Fünftel aller Dax-Chefs einen juristischen Abschluss. Bei Gründung des Dax im Jahre 1988 waren es noch fast die Hälfte gewesen. Die Zeit ist eben eine andere geworden. Die Zukunft gehört eindeutig den Ingenieuren und Ökonomen. Der Vorstandsvorsitzende von morgen kommt aus dem operativen Geschäft und hat in den Kernbereichen seines Unternehmens bereits operative Erfolge erzielt. Das dabei erworbene Fachwissen wird künftig als selbstverständlich vorausgesetzt. Was ein CEO sonst noch braucht? Laut der Studie: Soft Skills, Führungsstärke, Mitarbeiterorientierung, Sozialkompetenz und Teamfähigkeit. Und was davon lernt man im Jurastudium? Eben!
Bemerkenswert ist ferner der Anteil von Frauen unter den Vorstandsvorsitzenden. Er liegt stabil bei 0,00 Prozent. Auch die Promotion verliert zunehmend gegenüber dem MBA-Abschluss an Bedeutung. Während 1988 noch 68 Prozent der Dax-CEOs einen Doktortitel hatten, waren es 2008 nur noch 55 Prozent. Dafür hat sich der Anteil von Dax-Chefs mit einem MBA von Null auf 23 Prozent erhöht – Tendenz: weiter zunehmend. Heißt das nun also, dass der Dr. jur. ein Auslaufmodell geworden ist? Das vielleicht nicht gerade, aber er ist gewiss nicht mehr das, was er früher einmal war.
Akademische Ausbildung der Vorstandsvorsitzenden der Dax-Unternehmen im Jahr 2008 (Anteil in Prozent, in Klammern 1988):
Natur- und Ingenieurwissenschaften: 42% (26%)
Wirtschaftswissenschaften: 35% (23%)
Rechtswissenschaften: 19% (45%)
Sonstige/keine: 4% (6%)
Quelle: Odgers Berndtson (2009)