Altmeister Peter Badura aktualisiert wieder im Drei-Jahres-Rhythmus
Matthias Wiemers
Das im Jahre 1986 erstmals erschienene „Staatsrecht“ von Peter Badura liegt nun erneut in aktualisierter Form vor. Wieder hat sich am Grundrechtsteil des Grundgesetzes nichts geändert, wohl aber am staatsorganisatorischen Teil, und zwar diesmal u. a. in Form der unseligen „Reform“ der Finanzverfassung vom Juli des vergangenen Jahres hin zu mehr Zentralismus und Vermischung von Verantwortung.
Für diejenigen, die das seit der Erstauflage in der Struktur unveränderte Werk nicht kennen, sei auf die – so der Untertitel – „systematische Erläuterung des Grundgesetzes“ eingegangen, für die „Kenner“ ist neben eventuellen Besonderheiten der aktualisierten Teile besonders das ausführliche Vorwort des Autors interessant, mit dem Badura die der Neubearbeitung unmittelbar vorausliegende verfassungsrechtliche Entwicklung zu beschreiben und einzuordnen pflegt.
Systematische Erläuterung bedeutet nicht eine Kommentierung anhand von Grundgesetzartikeln, sondern nur eine aufbaumäßige Orientierung des Buchs an den Abschnitten des Grundgesetzes. Badura, der durchgehend auch auf die Entstehungsgeschichte bzw. historische Vorläufer der Normen Bezug nimmt, ermöglicht weiterhin durch zahlreiche Verweisungen innerhalb des Bandes ein vertieftes Verständnis für das gesamte Staatsrecht. Besonders das Kapitel A. („Einleitung“) bringt eine Klärung vieler Vorfragen, die zum Verständnis des Staatsrechts besonders bedeutsam sind:
– Staat und Recht
– Verfassung
– Verfassungsrecht
– Entstehung von Grundgesetz und Bundesrepublik Deutschland
– Verfassungsgeschichte
– Verfassungsentwicklung seit 1949
– Wiedervereinigung Deutschlands und deutsche Frage
Dieser Abschnitt ist insbesondere auch für Nichtjuristen interessant, und das Buch wird auch von diesen – etwa Politikwissenschaftlern und Historikern – seit langem genutzt. Auch Nebenfachstudenten und Examenskandidaten können sich in dem Abschnitt A. einen guten Überblick verschaffen.
Die erwähnten Neuerungen sind an den entsprechenden Stellen in den Text eingearbeitet, und Badura hält sich dort kurz hinsichtlich von Bewertungen. Neben der abermaligen Reform der Finanzverfassung wurde die Bundesfernstraßenverwaltung neu geregelt, indem nunmehr der Bund zuständig ist und sich hierzu der Hilfe einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen kann (s. Kap. G, Rdnr. 46). Hier kann der Zentralismus vermutlich wirklich u mehr Effizienz führen.
Peter Badura war zwar – anders als etwa sein Schüler Peter-Michael Huber – selbst nie Inhaber eines Staatsamts, hat aber zu diesen stets Fühlung gehalten. Sein Hinweis im Vorwort auf die Staatspraxis (S. V u. VIII a. E.) ist deshalb besonders hervorzuheben, weil dies nur von wenigen Lehrwerken geleistet wird. Dies geschieht im Buch etwa durch regelmäßige Bezugnahme auf amtliche Drucksachen wie etwa parlamentarische Anfragen.
Die Veranschaulichung der Grundgedanken und Leitbilder sowie Erfahrung durch Staatspraxis und Geschichte werden im Vorwort zum Programm erhoben (S. V). Innerhalb der Erwähnung der Digitalisierung in Form der „digitalisierten Informations- und Kommunikationsbeziehungen“ sieht der Autor „neuartige Wege plebiszitären Einflusses auf die Entscheidungen und Wirkungen der parlamentarischen Demokratie in Parlament, Regierung und Verwaltung“ (S. VI). Die Entwicklung der Grundrechte sieht der Autor durchaus zwiespältig: Einerseits sieht er ihre „zunehmend vertiefte Ausarbeitung als Schutzwehr des Einzelnen“ etwa bei, Schutz der Persönlichkeit gegen den Informationszugriff der öffentlichen Gewalt auf personenbezogene Daten.“ Andererseits erkennt Badura, dass die „institutionelle Verkörperung grundrechtlicher Freiheit, wie sie im besonderen Schutz von Ehe und Familie und in Religionsfreiheit und Staatskirchenrecht wirksam“ sei, in der sich wandelnden Lebenswelt „hinter die Durchsetzung individueller Selbstbestimmung und im Falle der Religion auch durch den Rückgang der geschichtlich überkommenen kulturstaatlichen Bedeutung des Christentums und die neue Kraft anderer Religionsgemeinschaften zurück. Bestrebungen, die verfassungsrechtliche Strenge des „besonderen Schutzes“ von Ehe und Familie durch den auch apologetischen Begriff der „sexuellen Orientierung“ abzuschwächen seien nicht ganz ohne Erfolg geblieben (S. VI). Am Schluss stellt der langjährige Kommentator des Art. 6 im „Maunz/Dürig“ unmissverständlich klar: „Das rechtspolitische Prinzip der Ehe für alle, nunmehr gesetzlich verwirklicht in der Fortentwicklung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft verläßt die verfassungsrechtliche Wertentscheidung und Garantie für die Ehe als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau.“
Badura sieht eine Entgrenzung von Staatsaufabgaben auch auf europäischer Ebene (S. VII) und stellt dabei klar: „Die Europäische Union ist und bleibt ein supranationaler Staatenverbund, nicht ein föderativer Verfassungsstaat sui generis.“ (S. VIII)
Fazit: Auch wer nicht jede Einschätzung des Autors im Ergebnis teilt, wird in diesem Kompendium einen sicheren Wegweiser durch das geltende deutsche Staatsrecht finden.
Peter Badura
Staatsrecht. Systematische Erläuterung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland
Verlag C.H. Beck, 7. Auflage 2018
1184 Seiten; 89,00 Euro
ISBN-10: 3406723225