Bauen und Vergeben

Der „Ingenstau/Korbion“ ist seit Jahrzehnten das Standardwerk dazu

Matthias Wiemers

Die beiden Namensgeber tragen ein Zeichen hinter ihrem Namen, das ihr Ableben anzeigt. Denn der hier vorzustellende Großkommentar zum Baurecht und Vergaberecht wurde erstmals 1960 – und seither in kurzen Abständen aufgelegt.
Herausgeber sind heute Professor Stefan Leupertz und Prof. Dr. Mark von Wietersheim, die von insgesamt 15 weiteren Autoren aus dem gesamten Bundesgebiet unterstützt wurden. Der Kommentar ist von Praktikern für Praktiker geschrieben.

Warum nun könnte er für die Leser dieser Seite interessant sein? Das private Baurecht wurde in den letzten Jahren einem langwierigen Reformprozess unter Beteiligung zahlreicher Wissenschaftler unterzogen. Der Grund dafür war, dass man die Vorschriften des BGB-Werkvertrages als nicht mehr ausreichend für eine moderne Bauprozessabwicklung ansah. Zu recht. Je professioneller die Akteure am Bau unterwegs sind, desto eher versuchen sie, Allgemeine Geschäftsbedingungen zum Gegenstand der Verträge zu machen. Und die bekanntesten AGBs im Baubereich sind die Regelungen der „Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB)“ (Der Rezensent erinnert sich an die einschlägige Frage eines OLG-Richters in seinem mündlichen Staatsexamen.)
Die VOB besteht nun aus mehreren Teilen, den Teilen A, B und C, wobei Teil C, wobei Teil C, der technische Normen aus dem Bereich des Bauens betrifft, nicht Gegenstand des Kommentars ist.
Teil A regelt das allgemeine Recht für die Vergabe öffentlicher (Bau-)Aufträge im so genannten Unterschwellenbereich, nämlich den Aufträgen, die noch nicht zur Anwendung des EU-Vergaberechts führen, das als ein Abschnitt im GWB (§§ 97 ff.) geregelt ist. Teil B nimmt die klassische Ergänzungsfunktion gegenüber den gesetzlichen Regelungen wahr, wobei aufgrund der Neuregelungen im BGB bis heute nicht vollständig geklärt ist, was dies für die weitere Notwendigkeit der VOB/B im Einzelnen bedeutet. Sie ist aber weiter bedeutsam und wurde 2019 neu gefasst, worin das neue, seit Anfang 2018 geltende Baurecht, berücksichtigt wurde.
Es bestehen aber auch zahlreiche Querverbindungen zwischen den Teilen A und B der VOB . Die wichtigste hiervon ist wohl in § 8 a VOB/A geregelt, der vorschreibt, dass in den Vergabeunterlagen die Anwendung der VOB-Teile B und C jeweils vorzuschreiben ist. Keine Vergabe also nur mit dem BGB.
Diese Zusammenhänge und auch die Entwicklung der VOB seit 1926 sowie des Kommentars seit 60 Jahren finden sich ausführlich erklärt in der vorzüglichen Einleitung der beiden Herausgeber. Hier kann man auch einen guten Überblick über das für den Laien sonst kaum noch zu verstehende System des Vergaberechts gewinnen (Rdnr. 27 ff.).
Nach knapp 1000 Seiten beginnt dann die Kommentierung der VOB/B, die von „Vorbemerkungen (Keldungs) eingeleitet wird (zum Verhältnis zum BGB s. insbes. Rdnr. 11). Wer sich im Werkvertragsrecht ein wenig auskennt, der weiß, dass das zentrale Rechtsinstitut dort die Abnahme darstellt. Diese erfährt in der VOB/B insbesondere in § 12 eine nähere Regelung – und umfangreiche Kommentierung.
Hinzuweisen ist hier noch auf drei Anhänge des Kommentars. Der erste Anhang betrifft die „Sicherung von Vergütungsansprüchen der Bauunternehmer“ (Bearbeiter: Joussen) und damit letztlich Kommentierungen der §§ 650e und 650 f aus dem BGG, in Zusammenhang mit weiteren Vorschriften einschließlich der Frage des Schadensersatzes nach § 823 Abs. 2 GBG i. V. m. dem Bauforderungssicherungsgesetz. Anhang 2 schließlich beinhaltet eine Erläuterung des selbständigen Beweissicherungsverfahren nach §§ 485 ff. ZPO (Joussen).
Vor dem Hintergrund der Qualifizierung der VOB/B als Allgemeine Geschäftsbedingungen ist es nur konsequent, dass in einem dritten Anhang das „Recht der AGB“ ausführlich behandelt und ausführlich in seiner Entstehungsgeschichte sowie seinen Bezügen zum Baurecht dargestellt wird (Sienz). Anhand dieser Erläuterungen ist es möglich, AGB-Klauseln – insbesondere bei ihrer Verwendung gegenüber Verbrauchern (vgl. Sienz, Rdnr. 49) – angemessen zu bewerten.
Alles in allem liegt damit wieder eine aktuelle Kommentierung der in der Baupraxis wichtigsten Vorschriften des Baurechts vor, die zudem auch denjenigen, die über eine Spezialisierung im Baurecht nachdenken, wertvolle Zusammenhänge erläutert.

Heinz Ingenstau/ Hermann Korbion, VOB Teile A und B. Kommentar, 21. Auflage, Köln 2020, 3054 S., 250 Euro (ISBN 978-3-8041-5304-2)

Veröffentlicht von on Jan 4th, 2021 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

Hinterlassen Sie einen Kommentar!