Zum 90. Geburtstag von Alexander Kluge
Thomas Claer
„Ein Jurist, der nicht mehr ist als ein Jurist, ist ein arm Ding“, wusste schon Martin Luther. Und genauso hat es wohl auch der am 14. Februar 1932, heute vor neunzig Jahren, als noch niemand den Valentinstag auf dem Schirm hatte, in Halberstadt im Harz geborene Alexander Kluge gesehen. Denn nach seinem Jura-Studium in Freiburg, Marburg und Frankfurt am Main zog es ihn Mitte der Fünfzigerjahre sogleich zur berühmten und ebendort ansässigen „Schule“, um beim Justitiar des „Instituts für Sozialforschung“ eine Station seines Referendariats abzuleisten. Dort hat ihn dann Theodor W. Adorno höchstselbst zum Filmregisseur Fitz Lang geschickt, der ihn von seinen literarischen Bestrebungen abbringen sollte, da er die Literatur für ein „abgeschlossenes Gebiet“ hielt. Hat aber alles nichts genutzt, ganz im Gegenteil: Kluge avancierte nicht nur zum Schriftsteller im Umfeld der Gruppe 47, sondern auch zum gefeierten Autorenfilmer, der bereits 1962 bei den 8. Westdeutschen Kurzfilmtagen zu den Initiatoren des „Oberhausener Manifests“ gehörte, die die Abkehr vom „alten deutschen Film“ forderten. Und so wurde Alexander Kluge mit Filmen wie „Abschied von gestern“ (1966) konsequenterweise ein wichtiger Repräsentant des „Neuen Deutschen Films“.
Parallel dazu hatte er sich bereits nach dem Bestehen seines Assessorexamens 1958, wozu war er schließlich Volljurist, in West-Berlin und später in München als Rechtsanwalt niedergelassen. Ab 1963 lehrte er als Professor an der Hochschule für Gestaltung Ulm und leitete mit Edgar Reitz die Abteilung für Filmgestaltung. Im selben Jahr betätigte er sich auch erstmals unternehmerisch und gründete seine eigene Produktionsfirma Kairos-Film. 1973 wurde er Honorarprofessor an der Universität Frankfurt am Main. Es folgten beinahe 50 Bücher und mehr als 30 Filme, theoretisch-sozialwissenschaftliche Werke mit seinem Kumpel, dem Soziologen Oskar Negt, Essays und Kurzgeschichten, Hörspiele und Features.
Sein vielleicht größter Geniestreich aber war sein Wirken als Fernsehproduzent. Mit Gründung der dctp (Development Company for Television Program) und als deren Gesellschafter mit 37,5%igem Anteil schaffte er 1987 erstmalig eine Plattform für unabhängige Programme im deutschen Privatfernsehen und befüllte sie seitdem, „um das Fernsehen offen zu halten für das, was außerhalb des Fernsehens stattfindet“, mit großartigen selbstproduzierten Kulturmagazinen im Nachtprogramm von RTL, SAT1 und Vox wie „10 vor 11“, „Prime Time Spätausgabe“ und „News & Stories“. Dabei gelang es ihm spielend, seinen Freund Hans Magnus Enzensberger zu widerlegen, der das Fernsehen zum „Null-Medium“ erklärt hatte. Man kann wohl sagen, dass Kluges nächtliche Kultursendungen zum Interessantesten gehörten, was das Medium Fernsehen jemals hervorgebracht hat. Hier eine besonders gelungene Sendung mit dem Goethe- und Asienkenner Dr. Manfred Osten über die Opiumkriege zwischen England und China Mitte des 19. Jahrhunderts:
Wir wünschen alles Gute zum 90. Geburtstag!