Die roten Strafrechts-Lehrbücher AT und BT aus dem Gieseking-Verlag in Neuauflagen
Rainer Stumpf
Der gemeine Jurastudent ist meistens schon heilfroh, wenn er die Standard-Lehrbücher so halbwegs verstanden hat. Darüber hinausgehenden Vertiefungen ist er größtenteils abgeneigt. Doch es gibt unter den angehenden Juristen auch jene seltenen Exemplare, die noch Appetit auf mehr entwickeln. Für jenen überschaubaren Kreis, aber auch für hochspezialisierte Wissenschaftler und mitunter sogar Praktiker gibt es die Kategorie „großes Lehrbuch“, was sich zumeist sowohl auf den Umfang als auch auf den fachlichen Tiefgang bezieht.
Im Strafrecht ist schon seit Jahrzehnten „der Baumann“ eine Institution, aus dem das mittlerweile in 13. Auflage erschienene, 820 Seiten dicke Lehrbuch „Strafrecht, Allgemeiner Teil“ von Baumann, Weber Mitsch, Eisele hervorgegangen ist. Das zugehörige Parallelwerk „Strafrecht, Besonderer Teil“ von Arzt, Weber, Heinrich und Hilgendorf bringt es sogar auf 1278 Seiten, ist aber nunmehr erst in 4. Auflage an den Start gegangen. Es versteht sich, dass solche Monumentalwerke nicht im Jahresrhythmus erscheinen können, doch haben sich selbst bei ihnen die Intervalle zwischen den Auflagen schon merklich verkürzt. Anders ließe sich die quantitativ immer weiter ausufernde Stoffmenge an aktueller Rechtsprechung sowie einschlägigen wissenschaftlichen und rechtspolitischen Entwicklungen auch kaum noch bewältigen. So erscheinen die beiden voluminösen Bände diesmal fünf respektive sechs Jahre nach ihren Vorauflagen, was in der juristischen Literatur schon einer halben Ewigkeit gleichkommt.
Was aber auch in den wieder gründlich überarbeiteten Neuauflagen sogleich ins Auge springt, ist der didaktische Ansatz: Niemand sollte sich von den „großen Lehrbüchern“ abschrecken lassen, denn hier wird der Leser an die Hand genommen und Schritt für Schritt in die examensrelevanten und mitunter auch darüber hinausgehenden Gebiete des strafrechtlichen Wissens geführt.
Die Aktualisierung beinhaltet im Allgemeinen Teil z.B. die Vorsatzproblematik beim sogenannten „Berliner Autoraserfall“, die Diskussion zur Nothilfe für Tiere, die Erweiterungen beim erfolgsqualifizierten Delikt, die Begründung der Ingerenz-Garantenstellung, die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts bei abstrakten Gefährdungsdelikten, die objektive Vorhersehbarkeit bei Mitverschulden beim Fahrlässigkeitsdelikt sowie die objektive Zurechnung bei Waffenverkäufen im sogenannten. Darknet. Im Besonderen Teil sind die Behandlung des Gesetzes zur Bekämpfung der Geldwäsche, der Gesetze zur Bekämpfung der Korruption (§ 299 StGB n.F sowie §§ 299a, 299b StGB), des neuen Qualifikationstatbestands des § 244 IV StGB (Wohnungseinbruchsdiebstahl), der 49. und 50. StÄG (Reform des Sexualstrafrechts), des Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität, der neue Datenhehlerei (§ 202d StGB) sowie des § 217 StGB (Einführung und Nichtigkeitserklärung) hervorzuheben. Und last, but noch least: Auch auf strafrechtsrelevante Fragen zur Corona-Pandemie wird in beiden Bänden eingegangen.
So kommt, wer sich durch diese beiden klar strukturierten Bände gearbeitet hat, gleichsam auf die Höhe der gegenwärtigen Strafrechtslehre. Connaisseure wissen es zu schätzen.
Baumann, Weber, Mitsch, Eisele
Strafrecht, Allgemeiner Teil (Lehrbuch)
Gieseking Verlag, 13. Auflage 2021
820 Seiten; 59,00 Euro
ISBN 978-3-7694-1246-8
Arzt, Weber, Heinrich, Hilgendorf
Strafrecht, Besonderer Teil (Lehrbuch)
Gieseking Verlag, 4. Auflage 2021
1278 Seiten; 84,00 Euro
ISBN 978-3-7694-1247-5