Die Migranten und ihr Recht

Drei aktuelle Standard-Titel

Matthias Wiemers

Das Verhältnis der deutschen Staatsbürger wie der deutschen Gesellschaft zu ausländischen Mitbewohnern, die man gelegentlich auch Mitbürger nennt, ist einem stetigen Wandel unterworfen. Wenn man zunächst an das Lehrbuch von Ernst Isay von 1923 „Das deutsche Fremdenrecht“ (bei Georg Stilke in Berlin) denkt, wird schon der Wandel deutlich. Der Untertitel des Werks lautete: „Ausländer und Polizei“. Deutlicher als durch diesen Untertitel könnte nicht herausgestellt werden, dass das Ausländerrecht klassisch dem Recht der Gefahrenabwehr zugehörig ist (ähnlich: „Baupolizei“).
Die junge Bundesrepublik traute sich erst im Jahre 1965 einen gesetzlichen Neuansatz aus einem Guss zu schaffen, der 1990 durch eine Neufassung ersetzt wurde, die schließlich Ende 2004 außer Kraft trat. Seit 2005 existiert auf Bundesebene ein Aufenthaltsgesetz, das in Zusammenhang mit dem damals beschlossenen Zuwanderungsgesetz in Kraft trat, dessen Artikel 1 es darstellte.
Daneben gab es lange Zeit das Asylverfahrensgesetz, das inzwischen Asylgesetz heißt. Nomen est omen, möchte man hier sagen. Gleichzeitig wissen wir, dass auf politischer immer wieder über Änderungen des Ausländerrechts diskutiert wird, die dann auch oftmals beschlossen werden, noch bevor überhaupt die vorherige Novelle in den notorisch überlasteten Ausländerämtern angekommen ist. Umso wichtiger ist es, dass das weiter steigende Personal, das diese Rechtsmaterie anzuwenden hat, gut ausgebildet wird – von den Ausländerbehördenmitarbeitern über Sozialarbeiter in und außerhalb der öffentlichen Verwaltung bis hin zu Anwälten und Richtern. An deutschen Universitäten gibt es gleich mehrere Forschungsstellen (soweit bekannt in Gießen, Osnabrück und Halle (wo Max Fleischmann das Kolonialrecht in Deutschland begründet hatte).
Anzuzeigen ist zunächst die inzwischen bereits sechste Auflage eines Lehrbuchs aus der recht neuen Reihe „NomosEinführung“ zum „Ausländer- und Asylrecht“ von dem Augsburger Honorarprofessor und Vorsitzendem Richter am dortigen VG Andreas Dietz. Im Unterschied zu den meistern Politikern und anderen, die als Juristen nicht nur zur Wahrung des Rechts, sondern auch für die Förderung des Gemeinwohls berufen sind und oftmals ihre juristische Sozialisation vergessen lassen, spricht Dietz in seiner kurzen Einführung über „Die Bedeutung des Ausländer- und Asylrechts in Deutschland“ (1. Teil) alle wesentlichen Entwicklungsschübe in tatsächlicher Hinsicht und die rechtlich-politischen Antworten hierauf an und zeigt bereits in den ersten Fußnoten, durch welche Fakten das gegenwärtige Migrationsgeschehen und seine Folgen in unseren Land gekennzeichnet ist. Im eigentlichen Fließtext werden weitere Konfliktlagen angesprochen. Ebenfalls im ersten Teil wird die „normative Verflechtung von Ausländer- und Asylrecht“ kurz dargestellt (§ 2).
Der 2. Teil des Bandes ist der Darstellung der Grundlinien des Ausländerrechts in Deutschland gewidmet (§§ 3 bis 7). Dies umfasst die Darstellung von Aufbau Geltungsbereich und Zielen des Aufenthaltsgesetzes (§ 3), „Die Regelungen für die Eineise und den Aufenthalt eines Ausländers“ (§ 4), „Die Regelungen für die Beendigung des Aufenthalts eines Ausländers“ (§ 5), ergänzt um „Die Sonderregelungen für freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger“ (§ 6) und „Die Sonderreglungen für assoziationsberechtigte türkische Staatsbürger“ (§ 7).
Der 3. Teil stellt die Grundlinien des aktuellen Asylrechts in Deutschland dar (§§ 8 bis 10), gegliedert in zunächst eine knappe Darstellung des Asylrechts im weiteren Sinne im Vergleich um Ausländerrecht (§ 8), eine ausführliche Darstellung des vierteiligen Asylantrags i. w. S. nach § 13 AsylG (§ 9) und schließlich eine Darstellung des formellen Asylverfahrens (§ 10).
Der 4. Teil ist schließlich den Grundlinien des künftigen Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) gewidmet, wo in zwei Kapiteln zunächst der weiterhin vierteilige materielle Asylantrag i. w. S. (§ 11) und „Das formelle Asylverfahren nach der GEAS-Reform“ (§ 12). Damit stellt dieses doch recht häufig wieder erscheinende Lehrbuch mit den jetzt angefügten 4. Teil einen alternativen Rechtsstand dar, der ab Sommer des kommenden Jahres praktisch den 3. Teil des Bandes ablösen wird. Das Vorgehen des Autors ist absolut nachvollziehbar, weil diejenigen, die sich erstmals mit der Materie beschäftigen, nunmehr eine gewisse Zeit beide Rechtslagen erlernen müssen. Hoffen wir, dass das Werk in künftigen Auflagen wieder gekürzt werden kann!

Andreas Dietz
Ausländer- und Asylrecht
Nomos Verlag, 6. Auflage 2025
394 Seiten; 29,90 Euro
ISBN: 978-3-7489-4836-0

Wenn wir den zweiten hier vorzustellenden Titel aufschlagen, nämlich den von Winfried Kluth und Andreas Heusch herausgegebenen Online-Kommentar zum Ausländerrecht und hiervon die 3. Printauflage des Kommentars, so die Herausgeber hier in ihrem Vorwort auf eine Darstellung der letzten Jahre verzichtet, bestätigen aber, dass im Zeitraum seit der letzten Auflage Vorschriften sogar mehrfach geändert wurden – und deuten damit implizit ebenfalls die Schwierigkeiten an, die Rechtsänderungen auch in die praktische Anwendung zu bringen. Diesbezüglich sind sie aber überzeugt, dass die Kommentierungen bei der Bewältigung der Herausforderungen „helfen wollen und können“.
Auch eine Einführung enthält der Kommentar nicht, es geht medias in res. Nd hier werden neben dem Aufenthaltsgesetz weiterhin die Beschäftigungsverordnung, das Asylgesetz und das Asylbewerberleistungsgesetz sowie das EU-Freizügigkeitsgesetz vollständig kommentiert. Hinzu kommen der Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation , der AEUV, die EMRK, das GG, die jeweils in Auszügen kommentiert werden. Das Staatsangehörigkeitsgesetz wiederum erfährt eine vollständige Kommentierung.

Winfried Kluth / Andreas Heusch (Hrsg.)
Ausländerrecht (Kommentar)
Verlag C.H. Beck, 3. Auflage 2025
2984 Seiten; 219,00 Euro
ISBN: 978-3-406-82879-9

Bei dem nun schon in 15. Auflage erschienenen Kommentar zum Ausländerrecht, der von Jan Bergmann und Klaus Dienelt herausgegeben wird, die als Verwaltungsrichter mit einer Ausnahme (Ingo Kolber, Bundespolizeipräsidium) von insgesamt elf Richterinnen und Richtern als Bearbeitern unterstützt werden, handelt es sich ebenfalls um ein Standardwerk. Auch wenn dies nicht mehr ausdrücklich angegeben wird, handelt es sich um einen Band aus der Reihe „Juristische Kurzkommentare“, der erstmals 1967 von Werner Kanein und später von Günter Renner herausgegeben wurde (Der frühere „Kanein/Renner“ war in der Reihe „Gelbe Erläuterungsbücher“ gestartet, wo er inzwischen durch den Huber/Mantel, aktuell 4. Aufl. 2025, ersetzt wurde).
Enthalten sind Kommentierungen des Aufenthaltsgesetzes, des Freizügigkeitsgesetzes EU, der ARB 1/80, der EMRK (Auszüge), der EU Grundrechtecharta, des Art. 16 a GG sowie des Asylgesetzes.
Wir sehen also weitgehende Übereinstimmungen in den kommentierten Vorschriften und zudem zwei Standardwerke auf aktuellen Stand. Der Bergmann/ Dienelt zeichnet sich dadurch aus, dass er in den Einzelkommentierungen näher auf die Entstehungsgeschichte der einzelnen Regelungen eingeht. Anders als das Lehrbuch bieten jedoch beide Kommentierungen nicht auch eine geschlossene Erläuterung der künftigen Rechtslage. Man wird also insgesamt schon bald mit Neuauflagen zu rechnen haben.

Jan Bergmann / Klaus Dienelt
Ausländerrecht (Kommentar)
Verlag C.H. Beck, 15. Auflage 2025
2.990 Seiten; 209,00 Euro
ISBN: 978-3-406-82411-1

Am Tag, an dem ich diesen Text schreibe, hat das Handelsblatt ein Wochenendtitelthema gewählt: „Nichts wie raus. Warum immer mehr Deutsche ihrem Land den Rücken kehren (8.8. 2025, S. 46 ff.). Darin wird gezeigt, dass die Auswanderung qualifizierter und noch leistungsfähiger deutscher Staatsbürger in den letzten Jahren auf Rekordwerte gestiegen ist. (Dietz spricht das Thema auf S. 10 ebenfalls an). Auch die aktuelle Bundesregierung hat hierauf leider keine wirksamen Antworten.
Das politische System sollte wenigstens die hier vorgestellten Versuche einer sachlichen Darstellung des geltenden Ausländer- und Asylrechts zur Kenntnis nehmen und versuchen, nicht noch mehr komplizierte Regelungen zu treffen. Die Betroffenen in den Vollzugsbehörden und letztlich auch die Ausländerinnen und Ausländer werden es ihnen danken. So bemerkt Dietz zu Anfang seines zweiten Teils hinsichtlich der Begrenzung und Ausweitung von Zuwanderung: „Angesichts der auch durch Zuwanderung knapper werdenden Kapazitäten von Betreuungs- und Bildungseinrichtungen sowie an Wohnraum erfordert ihre Steuerung aber nicht nur den verbalen Willen, sondern auch die praktische Konsequenz in der Durchsetzung geltenden Rechts. Mit Blick auf Legalisierungsbestrebungen unerlaubten Aufenthalts wie in § 104 c AufenthG sind allerdings Zweifel angebracht, ob der politische Wille hierzu überhaupt vorhanden ist und das „klare Zeichen“ nicht in den Herkunftsländern vieler Asylbewerber als weitgehende Öffnung für irreguläre Zuwanderung missverstanden wird. Zudem erschwert die Gesetzgebungstechnik die Durchsetzung der Grundregeln der Zuwanderung: Zu den Grundregeln wie z. B. der Pass- und Visumspflicht werden immer mehr Ausnahmen geschaffen, die zusätzlichen bürokratischen Aufwand verursachen und die Kapazitätsengpässe bei Ausländerbehörden und Visastellen weiter verschärfen. Längere Wartezeiten sind die Folge und machen Deutschland als Ziel regulärer Zuwanderung umso unattraktiver, als andere Einwanderungsländer wesentlich schneller und unkomplizierter Visa erteilen.“
Denn am Tatbestand der Migration – in die eine oder die andere Richtung – lässt sich nichts wegdiskutieren. „Wir sind“ – wie es im Vorblatt des Bergmann/Dienelt (Wie lange schon?) heißt – „alle Ausländer – fast überall“.

Veröffentlicht von on Aug. 18th, 2025 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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