Clausen und Schroeder-Printzen legen ihr opus magnum in der 4. Auflage vor
Matthias Wiemers
Das seit über 20 Jahren rasant wachsende Medizinrecht als Rechtsgebiet spiegelt einerseits die entgegen vieler politischer Versuche des Eigenlobs negative Entwicklung in seinem Realbereich wider, auf der anderen Seite hat die Ausdifferenzierung auch dieses Rechtsgebiets – herausgefordert von immer neuen „Gesundheitsreformen“ eine Reihe von Sammelwerken hervorgebracht, von denen sich eines seit 2009 allmählich in den Vordergrund schob: das Münchner Anwaltshandbuch Medizinrecht.
Es wird von den langjährig erfahrenen Rechtsanwälten Dr. Tilmann Clausen und Jörn Schroeder-Printzen herausgegeben und umfass nunmehr 28 Einzelkapitel über das gesamte Rechtsgebiet. Der Vorteil dieses Handbuchs ist, dass es – neben dem bei allen Bänden der Reihe Münchner Anwaltshandbuch gewohnten Praxisbezug – eine wirklich vollständige Darstellung des Medizinrechts auf aktuellem Stand enthält. Mag man sich auch über die Grenzen einzelner Rechtsgebiete streiten, in diesem Handbuch wurde versucht, eine umfassende Darstellung auch des Berufsrechts zu erbringen. Dies betrifft zum einen die Zahnärzte, Apotheker und Veterinäre und zum anderen Physiotherapeuten, Masseure und medizinische Bademeister sowie Hebammen, Ergotherapeuten und Logopäden (§ 15) sowie Psychotherapeuten im Besonderen (§ 16). Doch der Reihe nach!
Der Rechtsanwalt und Arzt Dr. med Eckart Feifel beginn die Darstellung über die „Zivilrechtliche Arzthaftung“ (§ 1) mit einer durchaus kritischen Darstellung des Patientenrechtegesetzes. Sodann wird praktisch die Durchführung eines haftungsrechtlichen Mandats in chronologischer Form dargestellt, so dass der Anwalt sich hier bis einschließlich eines Gerichtsprozesses zurechtfinden kann. Dies ist sogleich der umfangreichste Beitrag, der sodann in § 2 durch eine Abhandlung zum „Medizinschadensrecht“ durch Professor Jens Prütting von der Bucerius Law School ergänzt wird. Damit der Klägervertreter auch weiß, was er im Prozeß überhaupt einklagen kann. Die Rechtsanwälte Dr. Ulrich Sommer und Dr. Michael Tsambikakis, beide Honorarprofessoren, ergänzen um das „Medizinstrafrecht“ (§ 3). Rechtsanwältin Henriette Marcus stellt die „Gesetzliche Krankenversicherung sowie Grundzüge der gesetzlichen Pflegeversicherung“ (§ 5) dar, wobei Letztere ja bekanntlich eigentlich nicht so heißt, weil mit der Bezeichnung „Soziale Pflegeversicherung“ betont werden sollte, dass mit dem Gesetz auch die Privatversicherten verpflichtet werden sollten. Rechtsanwalt Dr. Ronny Rudi Richter erläutert das ärztliche Berufsrecht (§ 6) , ergänzt um eine Darstellung der speziellen Problematik der „Werbung im Gesundheitswesen“ (§ 7) durch Rechtsanwalt Dr. Christian Maus. Mit dem „Vergütungsrecht der Heilberufe“ (§ 8) setzt sich Mitherausgeber Dr. Clausen auseinander. Noch einmal Henriette Marcus stellt das „Vertragsarztrecht und Vertragszahnarztrecht“ dar (§ 9). An einer Darstellung von medizinischen Versorgungszentren kommt ein solches Handbuch seit langem nicht mehr vorbei. Diese wird durch Rechtsanwältin Dr. Deniz Cansun-Labenski besorgt (§ 10). Rechtsanwalt Dirk R. Hartmann stellt sodann „Gesellschaftsrecht und sonstiges Vertragsrecht“ (§ 11) dar und streift das Thema MVZ hier am Ende noch einmal am Rande. Mitherausgeber Schroeder-Printzen greift mit seiner Darstellung der „Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung“ (§ 12) im Grunde in eine schwärende Wunde des deutschen Gesundheitswesens. Zu recht hebt er zu Beginn hervor, dass das Thema nicht nur juristisch sondern auch gesundheitspolitisch eine lange Tradition hat (§ 12, Rdnr. 1). Die Rechtsanwälte Kai Labenski und Dr. Kyrill Makoski führen in das „Krankenhausrecht“ (§ 13) ein. Die Rechtsanwälte Sven Rothfuß und Stephan Barz stellen das „Arbeits- und Dienstrecht im Gesundheitswesen“ (14) dar. Die Rechtsanwälte Anja Möwisch und Dr. Robert Kazemi sowie der Vorsitzende Richter am OLG Michael Goebel bringen den eingangs schon erwähnten Überblick über das „Recht der nichtärztlichen Leistungserbringer“ (§ 15), das sie mit einer interessanten Gesamtübersicht über die Leistungen der Pflegeversicherung (§ 15, Rdnr. 113) anreichern, die fast drei Doppelseiten im Buch einnimmt. So etwas ist selten, und der Leser kann sich hier schnell orientieren, was es so alles gibt, auch wenn die soziale Pflegeversicherung noch keine Vollversicherung darstellt, wie sie von einigen Realitätsverweigerern immer noch gefordert wird (Hier finden wir dann auch den Entlastungsbeitrag in allen Pflegegraden in Höhe von 131 Euro, der schlichtweg gestrichen gehört – ohne Fortzahlung bei Bedürftigkeit, wie neulich in Unkenntnis der bürokratischen Folgen vorschlug). Die Darstellung des „Recht(s) der Psychotherapeuten“ (§ 16) stammt von Rechtsanwalt Jan H. Immen. Die Rechtsanwälte Dr. Stefan Schmidt, und Carmen Rösch-Mock geben eine Einführung in das „Apothekenrecht“ (§ 17). Prof. Dr. Wilfried Kügel und Dr. Wolf-Henrik Friedrich stellen „Grundzüge des Arzneimittel- und Medizinproduktrechts“ (§ 18). Das Recht der Transplantations- und Transfusionsmedizin“ (§ 19) verdankt seine Darstellung Rechtsanwalt Dr. Jörg Adam und das „Recht der Reproduktionsmedizin“ (§ 20) wiederum Makoski. Prof. Dr. Jens Adolphsen von der JLU Gießen beschäftigt sich mit dem „Veterinärhaftungsrecht“ (§ 21) und Rechtsanwalt Kai Bemmann sowie dr. med vet Eberhard Schüle sowie Dipl.Kffr. Petra Dörken mit dem „Berufsrecht der Veterinäre“ (§ 22). Das „Vergaberecht im Gesundheitswesen“ (§ 23) ist aus demselben nicht mehr wegzudenken und wird deshalb von Rechtsanwältin Rebecca Dreps und Kirstin van de Sande auf etwa 120 Seiten ausführlich dargestellt. Die Rechtsanwälte Gerald Spyra und Dr. Christian Maus ergänzen um den „Datenschutz im Gesundheitswesen“ (§ 24) und die Rechtsanwälte Dr. Thomas Willaschek und Ricarda Maria Essel stellen das wachsende Phänomen „Digital Health“ dar (§ 25). Wo schon bei Digital Health in Deutschland viele Erwartungen enttäuscht wurden und werden, dürfen die Versprechungen von „KI“ nicht fehlen. Daher haben sich Rechtanwältin Karolina Lange-Kuhlmann und ihr Kollege Thanos Rammos bereits jetzt mit „Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen“ (§ 26) beschäftigt. Rechtsanwalt Dirk Wachendorf berichtet von „Steuerrecht im Gesundheitswesen“ (§ 27) und Rechtsnwältin Henrike Korn, MBA, hat abschießend zwei Themen zusammengebaut, die man bisher eher nicht in direktem Zusammenhang lesen konnte: „Infektions- und Gesundheitsschutz“ (§ 28), also die seuchenrechtliche Prävention nach dem IfSG und die sonstigen Regelungen zur Prävention im Sozialrecht. Das macht Sinn! Die Autorinnen und Autoren entstammen fast ausschließlich der Anwaltschaft (Prütting ist ebenfalls in einer einschlägigen Fachkanzlei engagiert) und geben das wieder, was ihrer Berufserfahrung entspricht. Dies verdeutlicht sich nicht zuletzt an der Anzahl der in die Texte eingestreuten grau unterlegten Texte mit dem Überschrift „Praxistipp“. Ansonsten folgen die Beiträge keinem festen Schema, was angesichts der thematischen Breite auch untunlich wäre.
Die Einzelbeiträge enthalten zum Teil noch die Namen ihrer Erstbearbeiter, aber es hat im Vergleich zur Vorauflage ein großer Autorenwechsel stattgefunden, der überwiegend generationell bedingt war. Wir dürfen gespannt sein, wie dieses so wichtige Werk in die fünfte Auflage geführt werden wird. Dass es diese Auflage geben wird, kann keinem Zweifel unterliegen.
Tilman Clausen / Joern Schroeder-Printzen
Münchener Anwalts-Handbuch Medizinrecht
Verlag C.H. Beck, 4. Auflage 2025
2.264 Seiten; 118,00 Euro
ISBN: 978-3-406-81191-3