Schaltzentrale zwischen Industrie, Wirtschaft und Politik

Alessandro Foderà
Alessandro Foderà

Die Tätigkeit im Verband als neue Karrierechance für Juristen

Alessandro Foderà

Die beruflichen Möglichkeiten, die sich dem staatlich geprüften Volljuristen bieten, werden im Allgemeinen in drei verschiedene Gruppen unterteilt: Neben dem für viele wohl unerreichbaren Richteramt stehen im Wesentlichen der öffentliche Dienst sowie der Weg in die Anwaltschaft zur Wahl. Letzterer stellt für einige Absolventen ohne Prädikatsexamen die berufliche Notlösung dar und erweist sich gerade am Anfang sowohl in persönlicher wie auch finanzieller Hinsicht als undankbarer Weg.

Eine Chance bietet sich vor diesem grauen und tristen Hintergrund aber jenen Juristen, die bereit sind, neue Wege zu gehen und von altbekannten (und erlernten) Strukturen abzuweichen. Wenn sich diese persönliche Flexibilität mit einem gewissen Mut zum „Sprung ins kalte Wasser“ paart, winkt der etwas andere Berufseinstieg: der vielseitige Arbeitsplatz als Verbands-Jurist.

Rahmenbedingungen

Verbände sind Vertreter bestimmter Industrie- und Wirtschaftszweige und sind im Allgemeinen dazu berufen, die Interessen Ihrer Mitglieder gegenüber Politik, Behörden und Funktionären zu wahren.

Viele dieser Vereinigungen scheinen in letzter Zeit zu erkennen, dass die von Jura-Absolventen mitgebrachten Qualifikationen, nämlich systematisches und analytisches Denkvermögen, (unterstellte) Sprachgewandtheit und eine breit angelegte Rechtskenntnis, gerade für die Bewältigung Ihrer Aufgaben unerlässlich sein können.

Der Volljurist als Rechtsberater/Rechtsbeobachter

Verbände sind in der Regel so etwas wie die Schaltzentrale zur Information ihrer Mitglieder, d.h. der einzelnen Unternehmen. Entsprechend vielseitig sind Ihre Aufgaben. Hierzu gehören insbesondere die Beobachtung von laufenden Gesetzgebungsverfahren und die Mitteilung der branchenspezifischen Neuverabschiedungen und Revisionen. Nicht zuletzt der immer größer werdende Richtlinienurwald stellt hier einige Nichtjuristen vor zeitlich und fachlich nicht zu bewältigende Hürden.

Auch die Unterscheidung zwischen relevanter und unerheblicher Rechtsprechung vermag der Jurist manchmal besser, häufig aber jedenfalls schneller vorzunehmen als etwa ein Ingenieur.

Schließlich machen nicht zuletzt kartellrechtliche Beschränkungen (Stichwort: Preisabsprachen im Verband!) eine gewisse rechtliche Grundkenntnis unabdingbar.

Der Volljurist als Lobbyist

Neben traditioneller Arbeit mit rechtsnahen Themen ist die tägliche Arbeit des Verbandsjuristen eng verknüpft mit politischen und wirtschaftlichen Ereignissen. Daher spielt die Kommunikation mit Politikern und Vertretern aus Wirtschaft und Industrie, sogenanntes Lobbying, eine große stets präsente Rolle. Die Aufgabe besteht darin, ein Gespür dafür zu entwickeln, wer wen aus welchem Anlass und auf welche Art und Weise unterstützen kann. So wird sich ein Industrieverband, der etwa Energiekonzerne vertritt, häufig die Frage stellen, wie er rechtliche Rahmenbedingungen bei der Umsetzung einschlägiger europäischer Richtlinien für seine Mitglieder positiv beeinflussen kann. Hierzu wird er zunächst versuchen zu klären, von welchen Gesichtspunkten der politische Wille (die „gesetzgeberische Intention“) geprägt ist. Er wird dann Anfragen an die Ministerien richten, etwa das Wirtschafts- oder das Umweltministerium. Schließlich wird er persönliche Gespräche mit Referatsleitern und Abgeordneten vereinbaren, um diesen den Standpunkt seiner Branche zu erläutern. Schließlich gehören auch gesellschaftliche Anlässe und die Organisation von sog. „parlamentarischen Abenden“ zum regelmäßigen Arbeitsrepertoire. All diese Tätigkeiten sind keine originär-juristischen Tätigkeiten, die ausgefeilte juristische Technik erforderten. Vielmehr kann derjenige glänzen, der sich in sprachlich gewählter und überzeugender Weise ausdrücken und dabei auf relevante Kenntnisse etwa staatsrechtlicher Rahmenbedingungen zurückgreifen kann. Das Fingerspitzengefühl spielt genauso wie im Umgang mit Mandanten eine oft entscheidende Rolle. Eine wichtige Zusatzqualifikation stellen – insbesondere weil man immer wieder auf europäische Ansprechpartner trifft – gute bis sehr gute Fremdsprachenkenntnisse dar. Daher wird hier die während Studium oder Wahlstation im Ausland verbrachte Zeit ein großer Pluspunkt im Rahmen der Bewerbung sein. Bereits bestehende Kontakte zur Politik sind sicherlich  auch von Vorteil.

Der Volljurist als Referent

Immer wieder wird der Verbandsjurist Reden oder Vorträge halten müssen. So kann z.B. eine bestimmte Verordnung Anlass zu einer verbandsinternen Tagung sein, auf der ausgewählte Verbandsmitglieder über neue Entwicklungen oder behördliche Maßnahmen informiert werden. Genauso denkbar ist ein Vortrag zu einem aktuellen Thema anlässlich einer Fachmesse. Der Volljurist gilt hier bei vielen als versierter Redner. Ob dies im Vergleich zu anderen Absolventen stets zutreffend ist, kann dahinstehen. Fest steht aber, dass gerade juristische Aktenvorträge oder Referate in Uni-Seminaren den Berufskandidaten perfekt auf diese Aufgaben vorbereiten.

Der tägliche Kontakt mit Ministerien, Parlamentariern und Vertretern von Wirtschaft und Industrie macht aus der Stelle als Verbandsjurist einen anspruchsvollen und interessanten Dreh- und Angelpunkt aus dem zwangsläufig interessante Kontakte und weitere Berufsmöglichkeiten erwachsen können.

Fazit:

Die Tätigkeit im Verband stellt sich als eine bislang noch weitgehend unbekannte Beschäftigung für den Volljuristen dar. Dennoch dürfte die Perspektive einer abwechslungsreichen und originellen Tätigkeit viele Absolventen ansprechen, die die Beschäftigung in der Großkanzlei nicht als einziges Karrieresprungbrett ansehen möchten. Gefragt ist dabei weniger der Prädikatsjurist mit Doktortitel und LLM, als vielmehr der Allrounder. Flexibilität, durch Auslandsaufenthalte erworbene praktische Sprachkenntnisse und einen interessanten Lebenslauf bilden hier die Eckpfeiler einer erfolgreichen Bewerbung.

Veröffentlicht von on Apr. 29th, 2009 und gespeichert unter UND DANACH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

3 Antworten for “Schaltzentrale zwischen Industrie, Wirtschaft und Politik”

  1. Der Beitrag soll die Vielseitigkeit der Tätigkeit aufzeigen und die Bedeutung von seogenannten „Soft-Skills“, die während der juristischen Ausbildung allzu häufig vernachlässigt werden und die in den Examina nicht abzuprüfen sind.

  2. Anne Schmidt sagt:

    Schöner Beitrag,

    denke auch darüber nach mich bei einem VErband zu bewerben. Schön finde ich die Darstellung der charakterlichen Fähigkeiten.

    Gruß

    Anne

  3. Dana_Tools sagt:

    was ich suchte, danke

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