Vor 35 Jahren entstanden die ersten Musikaufnahmen der Einstürzenden Neubauten
Thomas Claer
Nach offizieller Geschichtsschreibung gründeten sich die Einstürzenden Neubauten, die bedeutendste und berühmteste aller Kreuzberger Szenebands, am 1.April 1980, als Sänger Blixa Bargeld gefragt wurde, ob er nicht im Berliner Moon-Club spielen wolle und einfach ein paar Freunde anrief. Doch gab es durchaus schon frühere Tonaufnahmen von Blixa Bargeld und „seinen Freunden“ aus dem Jahr 1979, die später als Stücke der Einstürzenden Neubauten auf einem Sampler und einer raren Bootleg-Pressung namens „Zuckendes Fleisch“ erschienen, weshalb man den Beginn der Band-Historie mit Fug und Recht auch schon einige Monate eher ansetzen darf. Und genau das wollen wir hiermit tun und daher bereits jetzt an 35 Jahre Einstürzende Neubauten erinnern.
Aus heutiger Sicht erscheint es als nahezu unglaublich, dass eine so radikale, so atonale, so sperrige Musik, wie sie von den frühen Neubauten damals gespielt wurde, jemals ein größeres Publikum finden konnte. Und der eigentliche Mythos wurde ja erst 1981 geboren, als die Musiker aus verzweifelter wirtschaftlicher Not einen Großteil ihrer Instrumente verkaufen mussten und auf der Suche nach Ersatz auf dem Schrottplatz fündig wurden. Fortan traten sie mit Schlagbohrmaschine auf und trommelten auf Teilen von ausgedienten Autowracks herum. Das war so einmalig, dass bald die Musikkritik auf die seltsame Untergrund-Combo aufmerksam wurde, und die neuen Szene-Stars waren geboren. Einige Jahre und Platten lang blieben die Kreuzberger Industrial-Rebellen dann ihrem durch und durch expressionistischen Stil treu und sonderten zur mit existentiellem Ernst herausgebrüllten Lyrik Blixa Bargelds fortwährend die infernalischsten Klänge ab, wie z.B. hier. Dabei begründeten sie eine völlig neue Ästhetik des Anti-Establishmets und wurden bald schon für Theater-Inszenierungen gebucht. Dass sich der zur Erschaffung und Präsentation einer solchen Musik erforderliche, alle menschlichen Ressourcen aufs Äußerste strapazierende Lebensstil der Bandmitglieder nicht unbegrenzt fortsetzen lassen würde, war klar. Irgendwann jenseits der 30 wurden die Neubauten ruhiger und manchmal sogar eingängiger, ohne jedoch ins Kommerzielle oder Beliebige abzudriften. Seit gut zehn Jahren vermarkten sie ihre Musik nur noch direkt über das Internet. Unerreicht bleibt das ihren gewaltigen Ruhm begründende Frühwerk. Das Urteil für Letzteres lautet: sehr gut (16 Punkte).
Einstürzende Neubauten
Kollaps
Some Bizarre 1981
ZZ 65
Einstürzende Neubauten
Zeichnungen des Patienten O.T.
Some Bizarre 1983
RTD 18
Einstürzende Neubauten
½ Mensch
Some Bizarre 1985
EFA 026014
Einstürzende Neubauten
Kalte Sterne / Early Recordings
Mute Recordings Ltd. 2004
CDStumm 137