Deutsche Juristenbiographien, Teil 9: Max Fleischmann (1872-1943)
Matthias Wiemers
Max Fleischmann war ein Pionier des Völkerrechts in Deutschland, gleichzeitig war er Konvertit und stand als assimilierter Jude auf der rechten Seite des politischen Spektrums in Kaiserreich und Weimarer Republik. Seine jüdische Herkunft wurde ihm gegen Ende des „Dritten Reichs“ dennoch zum Verhängnis.
Max Michael Fleischmann wird am 5. Oktober 1872 in Breslau als Sohn eines Notariats-Bürovorstehers geboren. Bis 1891 durchläuft er das humanistische Gymnasium und studiert sodann bis 1894 in seiner Heimatstadt Rechts- und Staatswissenschaften sowie Geschichte. Seine Lehrer sind vor allem Siegfried Brie und Felix Dahn. Die im Jahre 1894 abgeschlossene und zwei Jahre später publizierte rechtsgeschichtliche Dissertation betreut der Zivilist Moritz Wlassak. Das Assessorexamen legt Fleischmann, der als Referendar in Schlesien bleibt, im Jahre 1898 ab. Im selben Jahr erscheint seine Kommentierung des Margarinegesetzes, die ihn zu einem frühen Vertreter des Lebensmittelrechts in Deutschland macht.
Ebenfalls noch im Jahre 1898 erscheint seine Schrift „Der Weg der Gesetzgebung in Preußen“, mit der sich Fleischmann 1902 als Privatdozent für Staats- und Verwaltungsrecht in Halle habilitiert.
Nach dem Assessorexamen ist Fleischmann kurzzeitig in der Nähe Berlins tätig, dann ab 1900 als Gerichts-Assessor im damals preußischen Halle, wo er von 1905 bis 1910 Amtsrichter in Zivil- und Strafsachen ist. Um die Jahrhundertwende erfolgt die Konversion zum evangelischen Glauben, und er heiratet im Jahre 1901 eine Witwe italienischer Abstammung.
Noch während der Privatdozentenzeit veröffentlicht Fleischmann u. a. auf dem Gebiet des Kolonialrechts und erhält deshalb in Halle neben dem Prädikat „Universitäts-Professor“ einen speziellen Lehrauftrag für Kolonialrecht. Es ist der erste in Preußen überhaupt. Daneben lehrt er Völkerrecht und Deutsche Rechtsgeschichte.
Im Jahre 1911 wird Fleischmann außerordentlicher, 1915 ordentlicher Professor in Königsberg. In seinen kolonialrechtlichen Schriften legt Fleischmann eine zum Teil rassistische Einstellung an den Tag, wenn er etwa von „Rassenschranken“ und „Rassebewusstsein“ gegenüber der schwarzafrikanischen Bevölkerung spricht. Am ersten Weltkrieg nimmt Fleischmann u. a. als Militärrichter teil und wird stellvertretender Präsident des Reichsschiedsgerichts für Kriegswirtschaft. Von dem Straf- und Völkerrechtler Franz von Liszt übernimmt er dessen klassisches Völkerrechtslehrbuch, das er 1925 in 12. und letzter Auflage neu herausbringt.
1921 wechselt Fleischmann als Ordinarius nach Halle. Der Weimarer Reichsverfassung und der von ihr errichteten Ordnung steht Fleischmann kritisch gegenüber.
Die nationalsozialistische „Machtergreifung“ von 1933 hat für Fleischmann keine unmittelbaren Folgen, jedoch wird er zwei Jahre später vorzeitig entpflichtet und tritt in den Ruhestand. 1941 siedelt Fleischmann nach Berlin über, wo er sich weiter wissenschaftlich betätigt. Am 14. Januar besucht Fleischmann den ehemaligen Reichsjustizminister Eugen Schiffer in dessen Charlottenburger Wohnung. Das Eintreffen von Gestapo-Beamten, die jüdische Bewohner des Hauses abholen wollen, versetzen Fleischmann in Panik. In der Toilette des Hauses nimmt er Gift und wird als Leichnam hinausgetragen. Schiffer, obwohl ebenfalls jüdischer Konvertit, sollte verschont, Fleischmann aber von der Maßnahme betroffen sein. Er teilt sein Schicksal mit vielen geborenen Juden, die sich, nicht zuletzt als Teilnehmer am Ersten Weltkrieg, zeitlebens bemühten, besonders „deutsch“ zu wirken. Nicht wenige davon waren Juristen.
Quelle: Walther Pauly, Max Fleischmann und das Öffentliche Recht in Halle, in: Hallesche Rechtsgelehrte jüdischer Herkunft, S. 33 ff.