Recht cineastisch Spezial: Vor 30 Jahren erschien „Der Himmel über Berlin“. Ein persönlicher Rückblick
Thomas Claer
Mein Gott, was für ein großartiger Film! Und ich habe es nicht gemerkt! Damals, in den Neunzigern, als Jurastudent in Bielefeld, sah ich zum ersten Mal dieses fantastische Drama von Wim Wenders – und konnte nicht viel damit anfangen. Zwei Engel in Menschengestalt (Bruno Ganz und Otto Sander als verdammt junge Männer) landen in West-Berlin und durchwandern ausgiebig die geteilte Stadt, machen dabei sogar einen Abstecher in den Osten. Sie sind unsichtbar für die Menschen, können dafür aber hören, was diese denken. Die beiden Engel fahren U-Bahn, besuchen die Staatsbibliothek, stehen am damals noch ruinenhaften Potsdamer Platz, wo ein sehr alter Mann von sehr fernen Zeiten fabuliert, als hier noch pralles Leben getobt habe. Sie ziehen durch die Straßen von Schöneberg und Kreuzberg mit ihren damals noch grauen, kaputten Häusern. Und dann landen sie in einem Kreuzberger Keller, wo zwei Bands aus Australien, Crime & the City Solution und Nick Cave & the Bad Seeds, eine unglaubliche Musik spielen. Zwei japanische Mädchen, und wohl nicht nur sie, erleben dabei, ausweislich ihrer von den Engeln belauschten Gedanken, überwältigende Glücksgefühle.
Doch all diese magischen Momente ließen mich damals kalt. Ich empfand die Handlung als ziemlich langatmig. (Das in der Tat etwas verschwurbelte Drehbuch hat der notorisch verschwurbelte Peter Handke geschrieben). Die Liebesgeschichte zwischen dem Engel Damiel (Bruno Ganz) und der Menschenfrau Marion (Solveig Dommartin), einer Zirkusakrobatin, die seinerzeit auf mich recht tantig wirkte, fand ich nur schwer nachvollziehbar. (Aus heutiger Sicht hingegen – inzwischen bin ich selbst so alt wie damals Bruno Ganz – erscheint mir Marion als durchaus attraktiv.) Vor allem aber war ich blind für all die schönen poetischen Bilder, aus denen dieser Film besteht. Und noch weit weg von Berlin, das mir später für all das die Augen öffnen sollte.
Eine Szene des Films spielt an der erst vor einem Jahr verschwundenen Imbissbude am U-Bahnhof Güntzelstraße, in unmittelbarer Nähe zu den Räumen unseres Lexxion Verlags. Und auf dem Weg in die Verlagsräume sah ich früher an warmen Tagen oft Otto Sander, der gleich um die Ecke wohnte, bei einem Glas Rotwein im Straßencafé sitzen. Ganz nah an seiner einstigen Wirkungsstätte. Dieser Film hat wie kaum ein anderer den Zauber dieser Stadt eingefangen.