Der Vater des Polizeirechts im 20. Jahrhundert

Deutsche Juristenbiographien, Teil 24: Bill Drews (1870 – 1938)

Matthias Wiemers

Wilhelm Arnold Drews, genannt „Bill“, war eine der prägendsten Juristengestalten des 19. Jahrhunderts und hat als Mann der Praxis die Rechtsprechung und Gesetzgebung im Bereich des Polizeirechts maßgeblich geprägt.
Geboren wird Drews als Preuße, nämlich am 11. 2. 1870 als Sohn des Justizrats und Notars Carl Friedrich Drews (1818 – 1882), der u. a. als Rechtsanwalt für Otto von Bismarck wirkte.
Wie auch Bismarck, studiert Drews Rechtswissenschaften an der Universität Göttingen und wird dort Mitglied des Corps Bremensia. Bereits im November 1891 erfolgt die Promotion in Göttingen mit einer Arbeit über „Die Banknote und ihre Stellung zum Gelde“, und zum 1. Dezember folgt die Aufnahme des Referendariats – nach Examen mit dem Prädikat „gut“ – im Bezirk des Kammergerichts. Das Examen als Regierungsassessor, einer damals spezialisierten Juristenausbildung für Verwaltungsfachleute, erfolgt Ende 1896 mit dem sehr seltenen Prädikat „mit Auszeichnung“, und bereits Anfang 1897 tritt Drews als Vertreter des Landrats in dem kleinen Landkreis Usingen an, heute Teil des Hochtaunuskreises. Schon zum 16. Juni desselben Jahres wird Drews allerdings zurück nach Berlin gerufen, wo er eine Stelle als Hilfsarbeiter in das preußische Ministerium des Inneren antritt.
Vom 15. August 1902 bis 12. Juni 1905 verlässt Drews das Ministerium, um als Landrat in Oschersleben (preußische Provinz Sachsen) zu amtieren. Nach Rückkehr ins Innenministerium wird er am 23. November 1905 zum Geheimen Regierungsrat und bereits am 1. Dezember 1908 zum Geheimen Oberregierungsrat ernannt. Zwischen dem 13. März 1911 und dem 17. März 1914 wirkte Bill Drews als Regierungspräsident von Köslin in der preußischen Provinz Pommern. Hier lässt sich einfügen, dass die spezielle Ausbildung als Regierungsreferendar, die die Referendare bereits frühzeitig von der Mehrheit der Justizreferendare trennte, die Wahrscheinlichkeit, einmal selbst Regierungspräsident zu werden, stark erhöhte. Nach Rückkehr ins Ministerium wirkt Drews bereits als Unterstaatssekretär, was einem heutigen Staatssketär auf Länderebene entspricht – wenn man Preußen überhaupt mit den heutigen Bundesländern vergleichen kann.
Durch allerhöchste Kabinettsordre vom 19. Januar 1917, also durch den König von Preußen, wird Bill Drews als Staatskommissar für die Verwaltungsreform eingesetzt. Ziel ist es, sicherlich auch unter dem besonderen Eindruck der Kriegssituation, die bis dato zahlreiche Sonderverwaltungen hervorgebracht hat, Vorschläge zur Vereinfachung und Verbilligung aller Staatsverwaltungen, mit Ausnahme der Justiz und des Eisenbahn- und Bergwesens, auszuarbeiten. Bereits kurz nach Vorlage seines Abschlussberichts vom 29. Juli 1917 wird Bill Drews zum 6. August der letzte Preußische Minister des Inneren.
Eine der nun anstehenden Aufgaben war die Reform des preußischen Landtagswahlrechts, also die Abschaffung des Drei-Klassen-Wahlrechts. Die Gleichheit der Wahl konnte allerdings erst im Oktober 1918 – praktisch zeitgleich mit der Parlamentarisierung auch der Reichsregierung – erreicht werden.
Im Auftrag des letzten Reichskanzlers Prinz Max von Baden legt Drews dem Kaiser und König Wilhelm II Anfang November des Jahres im deutschen Hauptquartier im belgischen Spa die Abdankung nahe. Am 11. 11. 1918 beginnt für Drews zunächst der Ruhestand als Minister. Sich zunächst weiter für die Verwaltungsreform, unter starker Betonung des Selbstverwaltungsgedankens, einsetzend. Dabei sollte ein Einheitsstaat geschaffen und die bisherigen Länder und Provinzen zu Selbstverwaltungseinheiten unterhalb des Reichs umgewandelt werden. Auch zur Frage der Einrichtung eines Reichsverwaltungsgerichts liefert er Vorschläge; dieses Gericht entsteht freilich erst während des Zweiten Weltkriegs unter dem NS-Regime.
Vom 1. März 1921 an wirkt Drews als Präsident des bis dahin bedeutensten Verwaltungsgerichts im Deutschen Reich, nämlich des im Jahre 1875 geschaffenen preußischen Oberverwaltungsgerichts in der Berliner Hardenbergsraße. Ein Jahr später ernennt ihn die Berliner Universität zum Honorarprofessor, und im November 1925 erfolgt die Ernennung zum Dr. rer. pol. durch die Universität Kiel. Mit zwei Sondergesetzen vom März 1935 und März 1936 wird die Amtszeit des OVG-Präsidenten jeweils über die eigentlich erreichte Altersgrenze verlängert. Der Präsident wirkte als Vorsitzender des III. Senats. Bill Drews war Autor einiger wegweisender verwaltungswissenschaftlicher bzw. besser verwaltungspolitischer Abhandlungen und hat sodann zunächst das Polizeirecht in der von von Brauchitsch herausgegeben Sammlung der preußischen Verwaltungsgesetze und hat dann erstmals 1927 ein eigenes Lehrbuch zum Polizeirecht veröffentlicht. Dieser zunächst sehr knappe Band behandelte das preußische Polizeirecht in seinem allgemeinen Teil. Ers tim Jahre 1933 wurde diesem ein von Drews nur herausgegebener zweiter Band zum Besonderen Polizeirecht an die Seite gestellt, der freilich noch den Rechtstand vom Ende der Weimarer Republik wiedergab und deren einer Mitarbeiter der späterer Ankläger im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess Robert W. Kempner war. Den Allgemeinen Teil hat Drews selbst im Jahre 1936 in fünfter Auflage herausgebracht.
Eine sechste und siebte Auflage erschien 1951 und 1961 unter dem Titel „Allgemeines Polizeirecht“ aus der Feder von Gerhard Wacke, während seine Schüler Klaus Vorgel und Wolfgang Martens in den 1970er Jahren eine zweibändige achte und 1986 eine neunte und letzte Auflage jeweils unter dem Titel „Gefahrenabwehr“ herausbrachten. Dieses Lehrbuch gilt bis heute als Standardwerk des Polizei- und Ordnungsrechts gilt.
Mit diesem Lehrbuch wirkt das durch die praktische und wissenschaftliche Arbeit von Bill Drews geschaffene preußische Polizeiverwaltungsgesetz von 1931 mit seinem beschränkten Polizeibegriff bis in die frühe Bundesrepublik fort.
Dass man hinsichtlich der fortwirkenden Tätigkeit Drews´ als OVG-Präsident im Dritten Reich nichts wirklich Negatives über ihn lesen kann, liegt daran, dass er am Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung stets festhielt, seit 1927 Mitglied der NS-kritischen Mittwochsgesellschaft war und sich zudem einer zunehmenden Kritik von NS-Juristen ausgesetzt sah. Auch sah Drews im NS-Staat sein Modell eines dezentralisierten Einheitsstaats verwirklicht, was man angesichts der Wirkungen des Gesetzes über den Neuaufbau des Reiches von 1934 auch zunächst annehmen konnte.
Bill Drews heiratete im Jahre 1907 eine Engländerin und hatte mit ihr zwei Töchter. Im März 1937 als Gerichtspräsident verabschiedet, stirbt Drews schon ein knappes Jahr später, am 17. Februar 1938. Seine Grabstätte befindet sich bis heute in der Trakehner Allee 1 in Berlin-Westend.

Quellen:
Gerhard Wacke, Vorwort zur 6. Auflage von „Allgemeines Polizeirecht“ (1951) und Carl Hermann Ule, Bill Drews, in: Männer der Deutschen Verwaltung (1963), S. 261 ff.

Veröffentlicht von on Apr 8th, 2019 und gespeichert unter DRUM HERUM, RECHT HISTORISCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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