Ein Anwalt im Kalten Krieg

Deutsche Juristenbiographien, Teil 28: Diether Posser

Matthias Wiemers

Der nordrhein-westfälische Landespolitiker Diether Posser ist über die Landesgrenzen kaum bekannt und auch jüngere Nordrhein-Westfalen dürften ihn kaum noch kennen. Sein Berufsleben begann als Anwalt in politischen Prozessen der Nachkriegszeit.

Diether Posser wird am 9. März 1922 in Essen als Sohn eines kaufmännischen Angestellten geboren und besucht u. a. das humanistische Burggymnasium in Essen, wo er im Jahre 1940 das Abitur ablegt. Es folgt ein Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften sowie Geschichte an den Universitäten Münster und Köln, wobei das Studium bereits 1941 – nach drei Trimestern Volkswirtschaftslehre und Rechtswissenschaften – durch die Einberufung zur Luftwaffe unterbrochen wird. Als Leutnant der Reserve aus der Wehrmacht entlassen, kehrt Posser 1947 aus französischer Kriegsgefangenschaft zurück und legt bereits ein Jahr später die Referendarprüfung ab. 1950 promoviert er mit dem Thema „Prozessuale Fragen des Verfahrens vor dem Ständigen Internationalen Gerichtshof unter besonderer Berücksichtigung des Chorzow-Falles“ zum Dr. jur. 1951 folgt die Assessorprüfung. Die Verkürzung des Studiums ist auch deshalb möglich, weil Posser während der Kriegsgefangenschaft die Möglichkeit nutzt, an einer so genannten Lagerakademie, wie sie zahlreich in den Gefangenenlagern der Westalliierten eingerichtet wurden, teilzunehmen, woraus ihm von einer Anerkennungsstelle zwei Semester angerechnet werden. Die letzten beiden Semester studiert Posser in Köln, wo er auch promoviert wird. Der wohl bis heute bedeutendste Politiker aus der Stadt Essen, Gustav Heinemann, war mit Ausnahme der Zeit seiner Staatsämter auf Bundesebene in Essen als Rechtsanwalt tätig. In dessen Kanzlei tritt Posser, der zunächst eine Karriere im Auswärtigen Dienst angestrebt hat, noch im Jahre 1951 ein und wird 1965 auch Notar.
In dieser Kanzlei ist Posser auch mit zahlreichen (Straf-)Rechtsfällen befasst, die sich aus der auch in Deutschland namentlich in den 1950er Jahren abspielenden Verfolgung von (vermeintlichen) Kommunisten ergeben. Was in den USA als „Mc Carthy-Ära“ bekannt wurde, hat erhebliche Auswirkungen auch in Deutschland. Eine Tatsache, an die nicht zuletzt die lesenswerten Erinnerungen Possers erinnern. Man hat bei der Lektüre den Eindruck, dass viele nur deshalb verfolgt werden, weil sie der bedingungslosen Entscheidung Adenauers für die Westintegration der Bundesrepublik ablehnend gegenüberstehen. Dies betrifft nicht nur Anhänger der SPD oder der im Jahre 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Kommunistischen Partei, sondern auch christliche Pazifisten.
Heinemann, der zuvor (als Bundesinnenminister) der CDU angehört, gründet 1952 u. a. mit Posser und dem jungen Johannes Rau sowie weiteren „Abtrünnigen“ aus anderen Parteien die Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP), die den deutschlandpolitischen Kurs der Bundesregierung ablehnt. Die GVP bleibt letztlich politisch erfolglos, und so wird sie im Mai 1957 aufgelöst, woraufhin sich die meisten Mitglieder der SPD anschließen.
Dieter Posser wird 1966 erstmals für die SPD in den Landtag von Nordrhein-Westfalen gewählt und bereits zwei Jahre später zunächst Minister für Bundesangelegenheiten in der Regierung Heinz Kühn. Weitere vier Jahre später wird Posser Justizminister, bevor er 1978, sodann unter dem neuen Ministerpräsidenten Johannes Rau, Finanzminister wird. Dies bleibt er bis 1988 und ist – in der zeitweiligen Alleinregierung der SPD in Nordrhein-Westfalen – auch stellvertretender Ministerpräsident.
In seiner politischen Arbeit setzt sich Posser u. a. in den 1960er Jahren für Strafrechtsreformen ein, darunter für eine teilweise Abschaffung des politischen Strafrechts und die Verbesserung der Rechtsschutzmöglichkeiten Betroffener, die wesentlich im Strafrechtsreformgesetz des Jahres 1968 münden.
Nach Ende seiner politischen Tätigkeit im Jahre 1990 arbeitet Posser an seinen Erinnerungen und stirbt schließlich am 9. Januar 2010 in seiner Heimatstadt Essen. Einem Nachruf in der Regionalpresse ist zu entnehmen, dass Posser der Patenonkel des bekannten Schauspielers Diether Krebs war, ebenfalls ein gebürtiger Essener.

Quellen: Munzingers Archiv, und Diether Posser, Anwalt im Kalten Krieg (1991)

Veröffentlicht von on Apr. 20th, 2020 und gespeichert unter DRUM HERUM, RECHT HISTORISCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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