Deutsche Juristenbiographien, Teil 29: Eduard Lasker
Matthias Wiemers
Der liberale Politiker Eduard Lasker war einer der Väter der Entwicklung Deutschlands zum Rechtsstaat im 19. Jahrhundert. Er was auch ein Beispiel für ein jüdisches Bildungsbürgertum, das häufig in der Konversion zum Christentum endete. So auch hier.
Jizchak oder Eisek Lasker kommt am 14. Oktober 1829 in einer kinderreichen Familie in Jarotschin in der preußischen Provinz Posen zur Welt. Die Kleinstadt ist überwiegend von Polen bevölkert. Eiseks Vater ist Kaufmann und als Fabrikant von Nägeln, Glaswaren und Pottasche tätig. Die Familie ist jüdischen Glaubens und gilt als gebildet. Neben einer tiefen Religiosität tritt die Verehrung für die preußische Monarchie. Früh erhält der Sohn talmudischen Unterricht, doch Eisek strebt nach einer freieren Bildung und wechselt im Alter von vierzehn Jahren auf ein Gymnasium in der schlesischen Hauptstadt Breslau, wo er sogleich den Vornamen Eduard annimmt. Nach dem Abitur 1847 schreibt sich Eduard an der Universität Breslau für das Fach Mathematik ein und wechselt im Sommersemester 1849 zu Rechtswissenschaft. Dies geschieht wohl unter dem Eindruck der 48er Revolution, und im Revolutionsjahr gründet der junge Lasker ein Tageblatt namens „Der Socialist“, in dem er sich den herrschenden sozialen Missständen annimmt. Nach der Niederlage der Revolutionäre vertieft Lasker sein Studium in Breslau und Berlin. Das erste Staatsexamen (damals: Auskultatur) besteht Lasker im Frühjahr 1851. Zwar steht ihm nach dem Buchstaben der preußischen Verfassung der Staatsdienst offen, aber in der Praxis ist dies für Nichtchristen unmöglich. Lasker denkt an Übertritt zum Christentum, arbeitet aber erst einmal als Auskultator und legt 1853 das Zweite Staatsexamen (Referendarexamen) ab. Lasker unterbricht sodann seine juristische Ausbildung und geht nach London und nimmt dort eine kaufmännische Tätigkeit an. Der berufliche Erfolgt bleibt aus, und so beantragt Lasker zwei Jahre später den Wiedereintritt in den juristischen Vorbereitungsdienst, setzt diesen fort und besteht 1857 die Assessorenprüfung. Da ihm die Aufnahme in den besoldeten Staatsdienst versperrt bleibt, bleibt Lasker unbesoldeter Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter beim Berliner Stadtgericht und wird daneben als Publizist und politischer Vortragsredner tätig, u. a. auch bei der damals schon bestehenden Juristischen Gesellschaft zu Berlin. Im März 1865 erfolgt die Wahl in das Preußische Abgeordnetenhaus für die Fortschrittspartei über einen freigewordenen Berliner Wahlkreis, wo sich Lasker umgehend als Haushaltsredner im damaligen preußischen Verfassungskonflikt engagiert. Drei Monate später wird das Parlament vom König geschlossen, und erst ein Jahr später wird erneut gewählt, darunter Lasker. Bereits ein Jahr später wird nochmals gewählt, und Lasker kandidiert für Magdeburg, das damals bereits zu Preußen gehört, von 1873 bis 1879 vertritt Lasker das neu-preußische Frankfurt am Main im Abgeordnetenhaus. Ab 1867 ist Lasker auch Abgeordneter des Reichstages, zunächst des Norddeutschen Bundes, später des Deutschen Kaiserreichs, wo Lasker ebenfalls in verschiedenen Wahlkreisen kandidiert.
Inhaltlich engagiert sich Lasker vor allem in der Rechtspolitik, so für das preußische Genossenschaftsgesetz von 1867 und dann später im Reichstag zunächst für die Vorarbeiten zum Bürgerlichen Gesetzbuch und die Reichsjustizgesetze. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Innen- und Deutschlandpolitik, wo er für die allmähliche Durchsetzung einer gewissen Rechtseinheit eintritt. Daneben fordert er ein höchstes Bundesgericht (Reichsgericht) und verantwortliche Bundesministerien. Parteipolitisch entwickelt sich Lasker von der eher linksliberalen Fortschrittspartei zu den Nationalliberalen, für die er den Wahlaufruf zur ersten Reichstagswahl im Jahre 1871 entwirft.
Es ist seinerzeit üblich, gleichzeitig sowohl im preußischen Abgeordnetenhaus wie im Reichstag zu sitzen. Für Lasker dienen die den preußischen Abgeordneten gezahlten Diäten zum Lebensunterhalt, während im Reichstag noch bis 1906 ein Diätenverbot gilt. Daneben bezieht er Einnahmen aus publizistischer Tätigkeit und ist, seit 1870 als Rechtsanwalt zugelassen, seit 1872 hauptberuflich als Chefsyndikus für das Berliner Pfandbriefamt tätig. An akademischen Ehrungen erhält Lasker 1873 in Leipzig die juristische, zwei Jahre später in Freiburg die philosophische Ehrendoktorwürde. Auch für die Reform der Juristenausbildung in Preußen setzen sich die Nationalliberalen unter Führung Eduard Laskers ein. Lasker hält nichts von der damals üblichen Praxis, Richter bereits nach Absolvierung des Staatsexamens einzustellen, sondern tritt dafür ein, dass diese sich erst einmal in einem anderen Beruf, etwa als Rechtsanwalt, bewährt haben müssten. Eingeführt wird als Mindestvoraussetzung ein mindestens dreijähriges Studium, mindestens dreijähriges Referendariat und zwei Staatsprüfungen, die richterliche Unabhängigkeit wird in Preußen begründet. Bei den Landgerichten werden die Kammern für Handelssachen eingeführt.
Im Reichstag kandidiert Lasker nach dem Auseinanderfallen der Nationalliberalen für die Liberale Vereinigung und erringt erneut ein Mandat in Sachsen-Meiningen. 1884 fusioniert die Liberale Vereinigung mit der Fortschrittspartei zur Deutschen Freisinnigen Vereinigung.
Die Aufspaltung der Liberalen ist das Werk Bismarcks, und Lasker, der in der unmittelbaren Reichsgründungsphase für die Schaffung von Rechtseinheit und Rechtsstaat eingetreten ist, wird nun zu deren Verteidiger. Der zeitlebens Alleinstehende und nur für die Politik Lebende leidet seit 1875 ständig unter Erschöpfungserscheinungen. Der Erholung dient auch eine Mitte 1883 angetretene USA-Reise, von der Lasker im Januar 1884 zur Wiedereröffnung des Reichstags zurückkehren will. Der Tod am 5. Januar 1884 macht diesem Vorhaben ein Ende.
Quelle: Adolf Laufs, Eduard Lasker. Ein Leben für den Rechtsstaat, 1984