Scheiben Spezial: Vor 30 Jahren erschien das Debüt von „Bobo in White Wooden Houses“
Thomas Claer
Diese Musik passte so richtig gut in die Zeit. Damals, in den frühen Neunzigern, als Indie-Folk sehr en vogue war. Besonders der auf einer irischen Volksweise beruhende Eröffnungssong „Ever the Wind“, aber auch Stücke wie „Wide Awake“ und „Hole in Heaven“ konnten überzeugen und machten aus der selbstbetitelten ersten Platte von „Bobo in White Wooden Houses“ gewissermaßen die Antwort der neuen Bundesländer auf die Rainbirds. Aus heutiger Sicht muss man allerdings einschränken: Nicht alle Lieder auf dem Debütalbum sind gleichermaßen gut gealtert – wohl aber lässt sich dies von der bezaubernden Sängerin und Bandleaderin Bobo (bürgerlich Christiane Hebold, Pfarrerstochter aus Gräfenhainichen in Sachsen-Anhalt) sagen, die auch noch mit Mitte fünfzig wie ein junges Mädchen wirkt und mit elfengleicher Stimme unvermindert ihr Publikum in ihren Bann zieht.
Dabei hatte sich schon wenige Jahre nach ihrem furiosen Start ein tragischer Schatten über die Band gelegt: Gitarrist Frank Heise, mit dem Bobo auch privat liiert war, beging 1995 Suizid – und hinterließ eine ratlose Band, die nun nicht mehr weitermachen konnte. Nach nur drei Platten, von denen insbesondere auch die elektronisch ausgerichtete „Cosmic Ceiling“ (1995) gefallen konnte, war vorläufig Schluss. Fortan widmete sich Bobo verschiedenen Kooperationen, von denen man ihr insbesondere jene mit Rammstein (1997/98) nicht zu sehr vorwerfen sollte, denn schließlich war sie jung und verwitwet und brauchte offensichtlich auch das Geld…
Mitte der Nullerjahre kam es aber dann doch zur gefeierten Wiederauferstehung von „Bobo in White Wooden Houses“ in neuer Besetzung. Parallel dazu gründete Bobo das Projekt „Bobo und Herzfeld“, das sich der experimentellen Interpretation deutscher Volkslieder wie auch der Vertonung klassischer deutscher Dichtung widmet, was Bobos glockenhelle Stimme auf gewohnt anmutige Weise zur Geltung bringt. Seitdem sind mehrere neue Alben sowohl von den „White Wooden Houses“ als auch von „Bobo und Herzfeld“ erschienen. Kurzum, Bobo geht auch noch nach drei Jahrzehnten ihren Weg – mit und ohne weiße Holzhäuser.
Bobo in White Wooden Houses
Bobo in White Wooden Houses
Pilgrim Records / Polydor (Universal Music) 1992
ASIN: B00000ASYQ