Zum 80. Geburtstag von Alice Schwarzer
Thomas Claer
An Alice Schwarzer scheiden sich zumeist die Geister. Die einen preisen sie für ihren unermüdlichen lebenslangen Einsatz für Gleichberechtigung und Frauenrechte. Den anderen ist sie wohl schon immer schrecklich auf die Nerven gegangen. Nun, nach acht wirkungs- und ereignisreichen Jahrzehnten, sollte man sich aber unbedingt vor ihrem Lebenswerk verneigen. Mit ihrem Engagement hat sie nämlich den Weg für alle weiblichen Wesen geebnet, die heute wie selbstverständlich die Früchte ihrer Bemühungen ernten, oftmals sogar ohne sich dessen bewusst zu sein…
Dass Alice Schwarzer als streitbare Publizistin immer auch viel Widerspruch provoziert hat, spricht keineswegs gegen sie. Und dass sie als altlinke Kämpferin zuletzt zweimal in Folge mit CDU-Ticket (!) als Prominente in der Bundesversammlung saß, verrät vermutlich mehr über den Wandel des Zeitgeistes und den unserer konservativen Volkspartei als über ihren eigenen, denn anders als bei vielen ausgeprägten Renegaten aus ihrer Generation hat sich ihre inhaltliche Positionierung über die Jahre hin eigentlich kaum verändert. Gegen muslimische Kopftücher ist sie auch schon vor vierzig Jahren gewesen. Nur ist damals noch niemand auf die Idee gekommen, ihr deshalb Rassismus vorzuwerfen.
Manchmal wünschte man sich heute von ihr allerdings die eine oder andere Aktualisierung ihres Weltbildes, denn mittlerweile funktioniert ein Großteil der von ihr stets vehement kritisierten Prostitution ganz ohne Zuhälter und ein ebenso erheblicher Anteil der von ihr ebenso geschmähten Pornographie ohne jegliche Ausbeutung. Nun könnte man natürlich einwerfen, genauso sei es doch auch mit dem muslimischen Kopftuch, denn inzwischen tragen es doch zweifellos viele muslimische Frauen ganz selbstbewusst und freiwillig. So wie andere Frauen viel Freude aus ihrer Arbeit als Sexarbeiterinnen ziehen oder sich vollkommen selbstbestimmt freizügig im Netz exponieren. Womöglich sind das sogar alles Spielarten eines modernen Feminismus – im Gegensatz zu Alice Schwarzers altbackenem Altfeminismus. Wobei ich aber zugeben muss, dass mich davon die Umdeutung des berüchtigten Unterdrückungssymbols Kopftuch zur Insignie praktizierter religiöser Freiheit am wenigsten überzeugt… Hier sehe ich mich eher bei Alice Schwarzer.
Ganz anders als aktuell in der Ukraine-Frage. Ihren gemeinsam mit anderen verfassten „offenen Brief“ gegen Waffenlieferungen an die Ukraine halte ich für gefährlichen Unfug, der letztlich der Logik des Aggressors folgt. Aber gemessen an ihrer Lebensleistung fällt dies nicht so sehr ins Gewicht. Zum Glück hat sie mitunter sogar richtig viel Humor bewiesen. Es ist wirklich ein Jammer, dass ihr großartiger Talkshowauftritt aus den Achtzigern („NDR-Talkshow“ oder „3nach9“?), als sie den Schauspieler Klaus Löwitsch für sein Machotum durch den Kakao zog, bei YouTube nicht auffindbar ist. Herzlichen Glückwunsch an Alice Schwarzer zum Achtzigsten!