Deutsche Juristen-Biographien, Teil 45: Bernard große Broermann (1943 bis 2024)
Matthias Wiemers
Bernard große Broermann stammte von einem Bauernhof im Oldenburger Münsterland. Wer die nördliche A 1 kennt, kennt die Stelle, wo es nicht Raststätten links und rechts der Autobahn gibt, sondern wo ein einziges Restaurant über die gesamte Autobahn gebaut ist: Damme im Kreis Vechta, ein bis heute recht katholischer Flecken (Der zuständige Weihbischof des Bistums Münster hat in Vechta seinen Sitz).
Dort wurde Bernard große Broermann am 20. November 1943 geboren und hat – sicher anlässlich seines 80. Geburtstages – noch im letzten Jahr eine knapp gefasste Lebenserinnerung veröffentlicht, die im Finanzbuchverlag erschienen ist.
Dem Rezensenten ist nicht bekannt, inwiefern dem Autor, der am 24. Februar dieses Jahres verstorben ist, sein nahendes Lebensende vor Augen stand, als er die knappe Darstellung seines Lebens vornahm. Dieses sei aber nachfolgend anhand der Selbstdarstellung große Broermanns geschildert.
Teil I des Bandes führt uns gleich zu einem der der interessantesten Teile des Bandes, weil dort jugendliche Bildungs- und Berufsüberlegungen berichtet werden, die zunächst zu den Naturwissenschaften (Chemie und Medizin in Münster) führen und dann (an der Freien Universität Berlin) zum Studium der Betriebswirtschaftslehre und Jurisprudenz. Hier ist vor allem interessant, wie sich der Autor von Anfang an sein Studium selbst verdient und sich bereits frühzeitig mit einem Fondsvertrieb selbständig macht. Er beklagt vernehmlich, dass die BWL (damals, auch noch heute?) an der Universität viel zu theoretisch gewesen sei (S. 32 ) und beschloss, nach dem Diplom noch an eine Businessschool zu gehen. Bis zur Promotion in Jura blieb er in Berlin, ging dann nach Fontainebleau bei Paris und dann nach Harvard, wo er jeweils einen MBA erwarb und legte danach noch in Deutschland das Zweite Staatsexamen in Jura ab.
Teil II des Bandes ist mit „Der Weg zu Asklepios“ (S. 51 ff.) überschrieben. Zurück in Deutschland folgten die Anwaltszulassung sowie die Qualifizierung zum Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Schon im Schüleraustausch in den USA selbständig tätig und dann auch während des Studiums, beginnt große Broermann noch in den Siebzigerjahren mit der eigenen Entwicklung von Einzelhandelsimmobilien im Rhein-Main-Gebiet. Von einer Jugendidee, ein Pharmaunternehmen zu gründen, hat er sich längst verabschiedet, weil hierzu der finanzielle Aufwand zu groß erschien. Mit den Erträgen aus dem Immobiliengeschäften gewinnt er Kapital, um sich um Krankenhausimmobilien zu kümmern. Als Initial wird hierzu die Übernahme eines Beratungsauftrags zur Schaffung einer kleinen Krankenhauskette in Kalifornien geschildert (S. 59 ff.), der eine eigene Kette, ebenfalls in Kalifornien folgte, die anschließend veräußert wurde. Die Beschreibung des „Startschusses“ (S. 60) zeigt die Problematik der Krankenhausfinanzierung in Deutschland mit ihrer hohen Defizitfinanzierung durch den Steuerzahler auf. Große Broermann sucht sich zunächst einen Arzt als Partner und entwickelt gemeinsam mit dem Gefäßchirurgen Lutz Mario Helmig 1984 die Asklepios Klinikgruppe. Der Autor beschriebt hierzu die Sanierungsfälle als Wachstumsmotor (S. 68). Sodann ergeben sich aus der deutschen Wiedervereinigung gute Wachstumschancen (S. 71). 1994 trennen sich große Broermann und Helmig, der sich aus dem Klinikgeschäft zurückziehen wollte, dann aber bei der Aufteilung des Unternehmens ebenfalls Kliniken erhielt, die viele Jahre unter dem Namen „Helios“ firmierten und inzwischen von der Fresenius Gruppe übernommen wurden (der Nr. 1 in Deutschland vor Asklepios). Trotz der Halbierung wuchs Asklepios in den folgenden zehn Jahren bis auf 39 Kliniken an, darunter 26 Akut-Kliniken und 13 Reha-Kliniken. Erst jetzt wurde nach den Schilderungen des Autors der Aufbau einer zentralen Verwaltung sinnvoll (vgl. S. 76). Nicht alle wirtschaftlich maroden Einrichtungen wurden dabei in Eigentum überführt, gelegentlich wurde auch nur ein Managementvertrag geschlossen. Das im Buch geschilderte Beispiel Sachsen-Anhalt zeigt, dass das Land die von Asklepios gemanagte Psychiatrie wieder in eigene Verwaltung (S. 77). Insgesamt bewegt sich das Tätigkeitsfeld der Asklepios-Gruppe von Norden über den Osten nach dem Süden Deutschlands (vgl. S. 79). Große Broermann schildet auch, wie er aufgrund gewisser Umstände auch mehrfach in den Besitz von Hotels kam, worunter das berühmteste Objekt das bekannte „Atlantic“ in Hamburg zu nennen ist. Was immer wieder deutlich wird, ist, dass nicht nur die Verwaltung innerhalb des Konzerns zentralisiert und vereinfacht wird, sondern auch bei Umbauten und Sanierungen standardisierte Elemente Verwendung und moderne Materialien finden. (vgl. S. 82 f). Bei Privatisierungen in Ostdeutschland ließ man die Mitarbeiter darüber entscheiden, wer den Zuschlag für eine Privatisierung erhielt, nicht die Politiker (S. 72). Nachdem das Thema Qualitätsmanagement bei Asklepios schon im zweiten Teil vorgekommen war (S. 75), widmet sich Teil III der Erinnerungen Asklepios und den Asklepios-Leilinien (S. 95 ff.). Hier geht es nicht nur um Qualität, sondern vor allem um das große Potential der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Der Leser gewinnt hier ohne weiteres den Eindruck, dass der inzwischen zentral (von Hamburg aus) geführte Konzern hier grundsätzlich bessere Möglichkeiten hat als die in öffentlicher Trägerschaft verbliebenen Einheiten, einschließlich der Universitätsklinika. Der Autor zeigt in diesem Kapitel aber auch auf, dass es ihm nicht nur um Innovationen vor allem durch Digitalisierung ging, sondern dass das Unternehmen auch seine soziale Verantwortung gegenüber Mitarbeitern wahrnimmt, z. B., indem es für diese Wohnungen errichtet (S. 104). In Teil IV („Meilensteine und Tiefpunkte“, S. 111) wird (und nicht nur dort), dass im Bereich der Krankenversorgung oftmals mit harten Bandagen gekämpft wird. Musste sich doch der niedersächsische Katholik dem von einem Gewerkschafter ausgesendeten Verdacht erwehren, er sei ein Scientologe. Darin zeigt er auch auf, wie oftmals mit Vorurteilen gegenüber gewinnorientierten Unternehmen gearbeitet wird. (Jeder, der sich an Plakatierungen in Kommunalwahlkämpfen erinnert, wird bestätigen können, dass im Bereich der kommunalen Krankenversorgung bis heute mit unhaltbaren Versprechen gearbeitet wird – zu Lasten von uns allen). Im Teil V, einer kurzen Betrachtung zum Thema unternehmerischer Verantwortung („Shareholder Value und Privatisierung“) betont große Broermann die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen uns weist explizit die Haltung der „Chicago Boys“ um Milton Friedman zurück. Es ging ihm nicht nur um Gewinnerzielung, sondern um die Erreichung von Zielen für die Gesellschaft, die Umwelt, die Kunden und Mitarbeiter. Ein Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft (S. 122). Es folgen eine Zwischenbetrachtung zum Thema „Erfolg“ (VI), wo auch etwas auf die Führungsstruktur des Unternehmens eingegangen wird und „Ungeplant: Hotels“ (VII). Im vorletzten Kapitel zeigt der Autor, dass er sich bereits seit langem mit dem Thema Prävention beschäftigt hat und hierfür auch eine eigene Stiftung besteht. Bekanntlich ist Prävention ein Thema, das von unternehmerischer Seite lange als unwirtschaftlich zurückgewiesen wurde, und bis heute sind viele unter dieser Fahne segelnde Projekte, die über das SGB V abgerechnet werden, hinsichtlich ihrer Entlastungsfunktion fragwürdig. Broermann hatte hier einen weitergehenden Ansatz und ging mit eigenem Beispiel voran: Ernährungsumstellung in der eigenen Familie. Gesundheitliche Aufklärung wollte auch nicht der entsprechenden Behörde überlassen, sondern hat sich dafür engagiert und u. a. ein eigenes „Health TV“ gegründet (S. 151, 160). Das Ganze mündet sodann in ein Schlusskapitel
(IX) über „Ein neues Gesundheitssystem in Deutschland“ (S. 165). Ich erinnere mich an eine Veranstaltung der ZEIT vor Jahren im
„Atlantic“, als auch der Hausherr Bernard große Broermann auftrat und gegen die DRGs wetterte. In seinem Buch schreibt er im Kern: „Am Anfang einer Entwicklung eines besseren Gesundheitssystems sollte die Neuausrichtung der Vergütung für Ärzte, Kliniken, und Therapeuten stehen. (…) Die Kostenerstattung in unterschiedlichen Ausprägungen hat sich nicht bewährt, es besteht weder ein Anreiz für eine qualitativ hochwertige Leistung noch ein Anreiz für eine wirtschaftliche Verwendung der eingesetzten Ressourcen. Die Mängel des Gesundheitssystems, die auf Kostenerstattung beruhen, belegen dies täglich. Hinzu kommt im deutschen DRG-System ein gleichermaßen hoher Aufwand für Ärzte des medizinischen Dienstes der Krankenkassen, die die Rechnungen der Leistungserbringer prüfen, die Mitarbeiter, die den Abrechnungsprozess verwalten, und Richter, die über die vielen Klagen, die über den streit zwischen Krankenhaus und Leistungserbringer geführt werden, urteilen müssen. Ein in der Praxis kafkaeskes System, bei dem Ärzte und Pfleger und Gegenprüfer der Kassen einen viel zu großen Teil ihrer Zeit mit Abrechnungen verbringen, statt Patienten zu behandeln. Das DRG-System war eine Fehlentscheidung und sollte insgesamt und nicht nur in Teilen abgeschafft werden.“ (S. 171 f.). Große Broermann liefern nun keine Patenlösung für alle Versorgungsbereiche, empfiehlt aber insgesamt die Umstellung auf ein präventives Gesundheitssystem, beginnend mit einer monatlichen pauschalen Vergütung statt Einzelabrechnungen, mit einem daraus erwachsenden natürlichen Interesse zur Prävention und zusätzlich Wahlfreiheit und Wettbewerb für Patientinnen und Patienten und drakonischen Strafen bei ausgenutzten Anreizen zur Unterversorgung (S. 173, 176). Der Band schließt mit bereits weltweit vorhandenen Beispielen für eine präventives Gesundheitssystem (S. 180) und einem Schlusswort voller Dankbarkeit – nicht ohne den Hinweis, dass die Asklepios-Kliniken heute als erste Krankenhausgruppe „papierlos und voll digitalisiert“ arbeitet (S. 187).
Die Privatwirtschaft hat hier am Beispiel einer großen Unternehmerpersönlichkeit gezeigt, dass eine entpolitisierte Gesundheitsversorgung für alle besser ist als eine nur den Lobby-Interessen in der so genannten Selbstverwaltung überlassene Gesundheitsversorgung. Niemand kann sich wünschen, dass Einzelentscheidungen im Gesundheitswesen demnächst im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages entschieden werden. Die Gesundheitspolitik sollte aber den Mut haben, den gesetzlichen Rahmen so zu setzen, dass Handeln im wohlverstandenen eigenen Interesse wirklich gemeinwohlfördernd ist. Die demnächst zu erwartenden weiteren Klinik-Insolvenzen werden den Druck hierzu hoffentlich ausreichend erhöhen.
Quelle und zugleich aktueller Literaturtipp:
Bernard große Broermann – Leidenschaft für Gesundheit, Finanzbuch-Verlag 2023, ISBN 9783959724517