Jahrbuch des Staatsrechts

Christoph Degenhart legt die 40. Auflage seines Lehrbuch-Klassikers vor

Matthias Wiemers

Der Leipziger Staatsrechtslehrer ist so alt wie das Grundgwesetz. Sohn des Richters am „Bayerischen Obersten“ und langjähriger Mitarbeiter an einem Kommentar, dessen Name heute nicht mehr genannt werden darf, hat Degenhart als Schüler Peter Lerches zunächst zehn Jahre in Münster gelehrt, bevor er 1991 an die Universität Leipzig wechselte.
Als der Rezensent im WS 1990/91 an die Universit Münster kam, hörte er nacheinander bei Degenhart Statsrecht I und Staatsrecht II. Während im zweiten Semester das Lehrbuch von Pieroth/Schlink empfohlen wurde, kam Degenhart gleich mit seinem Lehrbuch und pries es mit dem Hinweis auf Hörerscheine an (nach meiner Erinerung mit 20 % Ersparnis auf den Ladenpreis). Die Hörerscheine erwähnte er mehrfach im Rahmen der Vorlesung, und wohl ein oder zweimal erlebte ich es, dass er Altauflagen aus senem persönlichen Besitz für einen Zehner „vertickte“ (nein, dieses echt westfälische Tuwort kam aus dem Munde von Hans Brox, bei dem ich damals – er war schon Emeritus – u. a. Erbrecht hörte).
Degenharts Vorlesung war erfrischend und angenehm war sein Münchner Idiom. Mangel an Selbstbewußtsein hatte er nie. So pflegte er etwa regelmäßig andere Rechtsgebiete abzuqualifizieren. Drei davon sind mir noch im Kopf: „Meine Damen und Herren, im Völkerrecht geht Macht vor Recht“. Zum Zivilrecht: „A kauft von B eine Kuh. Wer hat recht?“ und zum Strafrecht: „ A zieht an Bs Zigarette. Wie hat A sich strafbar gemacht?“
Ich erwarb tatsächlich damals mit Hörerschein ein neues Exemplar, somit wohl die sechste Auflage, die ich aber nicht mehr besitze. Ich habe noch die 35. Auflage, die auf dem Titelblatt einen dünnen gelben Werbebanner enthält „In guter Verfassung: 70 Jahre GG & 35 Jahre „Staatsrecht I“. Man hätte damals auch auf den 70. Geburtstag des Autors hinweisen können. Dieser zeichnete sich durch eine stets dynamische Art des Vortrags aus und er hat den eben schon erwähnten Hans Brox, der gleich mehrere Beststeller des Zivilrechts auf den Markt gebacht hat, jedenfalls in einem Punkt deutlich geschlagen: Mit der 40. Auflage des „Staatsrecht I“, die wirklich jedes Jahr neu aufgelegt wird und die er bis heute vollständig allein als Autor verantwortet, hat er einen absoluten Rekord aufgestellt. Ich kam übrigens nur darauf, mir das Buch zu bestellen, weil Degenhart selbst im Internet auf diesen Rekord hinweist. Legt man verschiedene Auflagen des Buchs nebeneinander, so wird deutlich, dass dieses im Gegensatz zu den meisten anderen nicht nur den Weg zu immer mehr Volumen kennt, sondern gelegentlich auch gekürzt wird. (Als Beispiel: 35. Auflage 368 S., 40. Auflage genau 350 S.!).
Inhaltlich ist der Band in drei größere Teile gegleidert, worin die Anliegen Degenharts deutlich werden. Er beginnt mit „Staatszielgestaltende Grundentscheidungen – Staatszielbestimmungen“ – von den Grundlage der Abgrenzung des Statsrechts und der Verfassungsinterpretation (§ 1) bis hin zu den Staatszielbestimmungen in Bund und Ländern (§ 6).
Im zweiten Teil werden die „Staatsorgane“ präsentiert – vom Bundestag bis zum Bundespräsidenten (und ergänzt um einen Anhang zu den Staatsorganen der Länder).
Der dritte Teil schließlich stellt den Schutz der Verfassung durch die Verfassungsgerichtsbarkeit dar. Dort werden die Bundesverfassungsgerichtsbarkeit und die Landesverfassungsgerichtsbarkeit (§§ 11 und 12) dargestellt und anhand von Anhängen die prozessulaen Fragen der Fälle im Buchtext sowie die verschiedenen Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene präsentiert.
Der Verfasser erweist sich hier wie auch in seinen sonstigen öfffentlichen Äußerungen als ein Vertreter des liberalen Rechtsstaats, der sich insbesondere im Rundfunkrecht besonders profiliert hat – was sich auch im Lehrbuch äußert.
Der Preis ist mit heute 27 Euro immer noch als sehr moderat zu bezeichnen, und die jährliche Aktualität macht das Buch sicherlich zu einem Tipp für die Vorbereitung auf das mündliche Examen – je nach Zusammensetung der Prüfungskommission.
Da dem Rezensenten allerdings die 35. Auflage noch eine Weile ausreichen wird, wäre er bereit, die 40. auch zu veräußern – zum Beispiel an Examenskandidaten…

Christoph Degenhart
Staatsrecht I. Staatsorganisationsrecht. Mit Bezügen zum Europarecht
C.F. Müller, 40. Auflage 2024
378 Seiten; 27,00 Euro
ISBN: 978-3-8114-6205-2

Veröffentlicht von on Okt. 21st, 2024 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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