Die Schlachten unserer Zeit
Recht cineastisch, Teil 48: „One Battle After Another“ von Paul Thomas Anderson
Ju Yeon Han
Als ich hörte, dass Paul Thomas Anderson Thomas Pynchons Roman Vineland verfilmt hat, war mein erster Gedanke: endlich. Die Begegnung zwischen einem der bedeutendsten amerikanischen Regisseure und einem der komplexesten Schriftsteller unserer Zeit versprach Größe. Also eilte ich, kaum dass ich davon erfahren hatte, ins Kino – und wurde überrascht.
One Battle After the Other unterscheidet sich deutlich von Andersons bisherigen Werken. Der Film beginnt mit expliziten Szenen und entfaltet sich über zweieinhalb Stunden wie ein klassischer Hollywood-Actionfilm. Was auf der Oberfläche nach Genre klingt, entpuppt sich bald als Versuch, politische Extreme, familiäre Bindungen und gesellschaftliche Überforderung filmisch zu verbinden. Eine linksradikale Geheimrevolutionsgruppe und eine rechtsradikale Organisation treiben die Handlung voran, verstricken sich ineinander, spiegeln einander. Anderson inszeniert das mit unerwarteter Publikumsnähe – fast so, als wolle er prüfen, wie nah Unterhaltung und Ernsthaftigkeit sich kommen dürfen.
Die Schauspieler glänzen in diesem Spannungsfeld. Sean Penn als US-Offizier ist ebenso eindrucksvoll wie Leonardo DiCaprio als alleinerziehender Vater Bob, der mit seiner Tochter in eine ungewisse Zukunft flieht. Bemerkenswert ist, dass sich beide nie direkt begegnen; ihre Beziehung besteht aus Schatten, Versatzstücken, Spiegelungen. Besonders DiCaprio überzeugt: In kleinen Alltagsmomenten, in Gesten zwischen Verzweiflung und Humor, erdet er den Film in menschlicher Erfahrung.
Die Geschichte spannt sich über Jahre. Nachdem Bobs Frau – eine leidenschaftliche Revolutionärin – verhaftet wird und unter Druck Geheimnisse ihrer Bewegung verrät, bleibt er allein zurück. Er taucht unter, zieht seine Tochter groß, schottet sich ab. Doch sechzehn Jahre später holt ihn die Vergangenheit ein. Anderson übersetzt Pynchons Vorlage ins Heute, ohne die Zeitlosigkeit der Konflikte zu verlieren. Polizeieinsätze gegen Protestierende, hitzige Debatten über nationale Identität, junge Menschen, die Diversität als Selbstverständlichkeit leben – das alles zeigt ein Amerika, das zugleich erwacht und erschöpft wirkt.
Was bei Pynchon literarische Satire war, wird bei Anderson zum Spiegel unserer Gegenwart. Die Konflikte zwischen den radikalen Polen scheinen vertraut, fast alltäglich. Man fühlt sich ertappt, wenn man bemerkt, wie leicht der eigene Blick Partei ergreift. Nach dem Film bleibt ein Nachhall: Lebe ich einfach weiter, als ginge mich das alles nichts an?
Die letzten Szenen öffnen den Raum für Selbstbefragung – und führen zur Frage nach dem, was man heute Wokeness nennt. Ursprünglich Ausdruck eines wachen Bewusstseins für Diskriminierung und sozialer Gerechtigkeit, ist der Begriff längst Kampfbegriff geworden. Anderson deutet dies nicht anklagend, sondern melancholisch. Sein Film zeigt Menschen, die in ihrem Eifer, das Richtige zu tun, manchmal vergessen, einander zuzuhören. In dieser Spannung zwischen Mitgefühl und Überforderung liegt vielleicht die wahre Schlacht unserer Zeit.
One Battle After Another (USA, 2025)
Regie: Paul Thomas Anderson
Drehbuch: Paul Thomas Anderson
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Benicio Del Toro, Tevana Taylor