Scheiben vor Gericht spezial: BAP-Sänger Wolfgang Niedecken in seiner Autobiographie „Für ´ne Moment“
Oliver Niekiel
Verdamp lang her ist es, dass Wolfgang Niedecken im gleichnamigen Buch „Auskunft“ über seine Arbeit als Rockmusiker und Künstler gab. Mehr als zwanzig Jahre später liegt nun mit „Für ´ne Moment“ eine über 500 Seiten starke Autobiographie des Kölners vor. Niedecken erzählt darin von der für ihn so wichtigen Malerei, den Ausstellungen und der New Yorker Kunstszene der 1970er Jahre. Er gibt Einblicke in seine Zeit im katholischen Internat, die dortigen Erlebnisse und die Rolle seines Vaters. Einen Schwerpunkt des Buches bilden die Anfänge und Erfolge von BAP, die musikalischen Ausflüge mit den weniger bekannten Complizen und das Songschreiben im Allgemeinen. Schnell wird klar, dass es innerhalb der BAP-Besetzung schon früh unterschiedliche Ansichten über den Weg gab, den die Band nehmen sollte. So wird insbesondere mehrfach darauf hingewiesen, dass Klaus Heuser – anders als Niedecken – eher kommerzielle Musik machen wollte, was in einigen Liedern auch zum Ausdruck kommt. Niedecken erzählt von seiner Begegnung mit Heinrich Böll, der Zusammenarbeit mit Wim Wenders und von seinem Freund Manfred Hell. Er berichtet von der geplatzten Tour durch die damalige DDR, dem ersten großen Rockpalast-Auftritt sowie dem „Arsch huh – Zäng ussenander“-Konzert auf dem Chlodwigplatz in Köln. Erwähnung finden seine gemeinsamen Auftritte mit Bruce Springsteen, aber auch ihn beeinflussende Musikgrößen wie Rory Gallagher und Bob Dylan. Gegen Ende des Buches erfährt der Leser von den Reisen des Autors nach Afrika mit Horst Köhler, von den dortigen Flüchtlingslagern und Hilfsprojekten. Das Buch gibt Auskunft darüber, wieso die Band von Wolfgang Niedecken BAP heißt und weshalb sich auf dem ersten Album „Wolfgang Niedecken´s BAP rockt andere kölsche Leeder“ noch der namentliche Hinweis auf den „Frontman“ der Band befindet. Der Leser erfährt weiter, wie Klaus Heuser zum Major wurde, auf welche Weise er zur Band gestoßen ist und wie Hans „Honçe“ Heres sowie Manfred „Schmal“ Boecker zu ihren Spitznamen gekommen sind. Niedecken berichtet über die Entstehung des Songs „Niemals geht man so ganz“, der zusammen mit Trude Herr und Tommy Engel aufgenommen wurde, was er von den Bläck Fööss hält und wie sich seine Einstellung zum Karneval im Laufe der Zeit geändert hat. Die über 500 Seiten lesen sich weitgehend flüssig. Manchmal ist es aber nicht ganz einfach, einzelne Vorgänge chronologisch einzuordnen, weil das Buch zeitlich nicht dem Lebensweg des Autors folgt. Der Bereich der Kunst, insbesondere der Malerei, mag dem musikinteressierten Leser an mancher Stelle etwas zu viel Raum einnehmen. Gleiches gilt für die immer wieder eingestreute Kritik an Klaus Heuser. Gleichwohl ist das Buch für den Fan des Musikers Wolfgang Niedecken und der Gruppe BAP ein Muss. Es inspiriert dazu, die eine oder andere CD wieder aus dem Schrank zu holen und diese mit dem durch das Buch vermittelten Hintergrundwissen anzuhören. Das Urteil lautet daher: 13 Punkte (gut).
Wolfgang Niedecken: Für ´ne Moment
Gebundene Ausgabe: 527 Seiten
Verlag Hoffmann und Campe 2011
ISBN-10: 345550177X
ISBN-13: 978-3455501773
Preis: 24,00 €