Gehört die Beschneidung zu Deutschland – oder doch nur die Beschnittenen?

Die große Beschneidungs-Debatte – jetzt auch hier in der Justament

david-thumb-500x333Niemand soll sagen, wir würden uns um heikle Fragen herumdrücken. Seit im Juni dieses Jahres ein Urteil des OLG Köln die religiöse Beschneidung von Jungen als Körperverletzung wertete, setzte eine äußerst vielschichtige und nicht enden wollende Debatte ein, die uns bis heute in Atem hält. Was soll schwerer wiegen: das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Kinder oder doch besser das elterliche Erziehungsrecht und die Religionsfreiheit der Eltern? Brauchen wir ein Gesetz, das religiöse Beschneidungen ausdrücklich erlaubt oder vielmehr eins, das sie ausdrücklich verbietet? Nun wollen auch wir nicht länger schweigen. Aber wer hat recht? Klarer Fall, sagen die einen: Hier werde unter dem Deckmantel eines aufgeklärten Säkularismus das schmutzige Geschäft der Anti-Islam-Populisten betrieben. Wenn man schon sonst nichts gegen die immer selbstbewussteren Muslime sagen könne, dann halte man ihnen eben ihr Beschneidungs-Ritual vor – und den Juden das ihre gleich noch mit nach dem Motto: Man wird ja wohl noch sagen dürfen …  Aus dem Zentralrat der Juden war sogar zu hören, dass jüdisches Leben in Deutschland ohne religiöse Beschneidungen nicht möglich sei. Doch melden sich auch jeder xenophoben Tendenz unverdächtige Ärzte und Psychoanalytiker zu Wort, die von der traumatisierenden Wirkung des blutigen Eingriffs auf die unschuldige kindliche Psyche berichten und die wichtige erotische Funktion der männlichen Vorhaut betonen. Andere sehen in der Beschneidung im Kleinkindalter vor allem ein grausames Ritual der Machtausübung, das den potenziell aufmüpfigen Einzelnen disziplinieren und gleichschalten und seinen Willen brechen soll. Und wie seht Ihr das, liebe Leserinnen und Leser? Eure Meinung ist auch diesmal gefragt!

Die Redaktion

Veröffentlicht von on Aug 20th, 2012 und gespeichert unter DRUM HERUM, SONSTIGES. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

7 Antworten for “Gehört die Beschneidung zu Deutschland – oder doch nur die Beschnittenen?”

  1. Johannes Kraut sagt:

    Es handelt sich hier um ein wohl letztlich unauflösbares Dilemma. Zwar spricht auch einiges dafür, dass der Staat seine Schutzpflicht ausüben sollte, denn ein Leben ohne Vorhaut muss für die Betreffenden sehr unbequem sein und zu erotischer Abstumpfung führen. Aber andererseits wäre ein solches Verbot ohnehin praktisch undurchführbar, da die Beschneidungen dann sicherlich heimlich oder andernorts stattfänden. Und vor allem könnte es sich Deutschland schon aus historischen Gründen einfach nicht erlauben, die Religionsausübung der Juden einzuschränken. Es wäre auch kein gutes Signal gegenüber unseren Muslimen.

  2. Marcel Nakoinz sagt:

    In meinen Augen handelt es sich bei dem wieder einmal aufgeflammten Thema der Zirkumzision nur um ein Deckmäntelchen des nach wie vor tobenden Kampfes um die höchst philosophische Frage, wie ein gutes Leben auszusehen hat. Für die einen gehört dazu eben das Ausleben der Spiritualität, des Mystischen, der Religion. Das andere Lager gefällt sich dagegen in seinem postnietzscheanischen Gelassenheitsatheimus, in dem man sich möglichst modern und aufgeklärt gibt. Dass aber auch ein Mensch, der von sich aus lautstark behauptet keiner Religion zuzugehören, durchaus nur einen Götzen (Gott) durch einen anderen (Geld, schicke Autos, DSDS) ersetzt, sah schon jener hammerschwingende Philosoph, der eben verkündete, dass Gott tot sei. Wie viele Atheisten beschneiden sich und ihr Leben nicht ebenso, um sich all die kleinen Spielereien wie Flachbildschirme und i-Pads zu leisten, wie andere ihre Kinder beschneiden um ihren Göttern zu huldigen? Aber auch mein goldener Mittelweg des „Leben und leben lassen“ ist natürlich nicht so unvoreingenommen, wie ich es gern hätte. Denn insgeheim bin ich schon froh, dass niemand über meinen Körper bestimmte, als ich mich dessen noch nicht erwehren konnte.

  3. Mimi P. sagt:

    Das ist doch alles viel Lärm um nichts! Sollen doch die Eltern entscheiden, ob sie ihre (männlichen) Kinder beschneiden lassen wollen oder nicht! Die kleinen Jungen wird dieser Eingriff sicherlich nicht stärker traumatisieren, als wenn sie sich mal den Finger in der Tür klemmen oder auf der Straße das Knie aufschlagen.

  4. D. Langer sagt:

    Also der Mann, der der Vorhaut diese überaus wichtige erotische Funktion zuschreibt, überschätzt diese schon Mal… Ansonsten ist es leider eine hetzerische Debatte geworden, die zudem in den Verbote-Wahn unserer Zeit passt.

  5. Rüdiger R. sagt:

    Das glaube ich nicht, dass da jemand was überschätzt. Zumindest was die autoerotische Funktion der Vorhaut angeht, sind die Philosophen sicherlich einsame Experten… Das mit der hetzerischen Debatte stimmt allerdings.

  6. Maler Möller sagt:

    „Die Debatte um die Beschneidung von Jungen ist an Peinlichkeit kaum noch zu überbieten. Die Befürworter berufen sich auf die Religionsfreiheit, auf die Tradition, religiös-rituelles Brauchtum und sogar auf Gott. Übersehen wird dabei zumeist, dass wir inzwischen im 21. Jahrhundert und in der Mitte Europas leben und dass in Deutschland Gesetze gelten, die einer Beschneidung von Jungen – wie übrigens auch von Mädchen – eindeutig entgegenstehen.“ … „Das ist die verfassungsrechtliche Seite des Beschneidungsproblems: das Recht auf Würde und Selbstbestimmung des Menschen über seinen Körper.“ … „Des Weiteren ist die Frage nach den sozial-psychologischen Auswirkungen der Vorhautentfernung zu stellen.“ (Dr. jur. Wolfgang Bittner auf http://www.hintergrund.de/201208232214/politik/inland/die-selbstbestimmung-des-menschen-ueber-seinen-koerper.html)

  7. Wolfgang Haupt sagt:

    Soll der nicht beschnittene Mensch, allgemein denn ein abgewerteter sein ? Ist vielleicht so, eine Art Zwang – Dualität in dem Vorgang zu verstehen? = Vom davon ablassen der Tratition zu gunsten des Kindes. Oder aber widerum als Stammeshalter der TESTOSTERON – Überproduktion eines „So“ beschnittenen als Protest – Akt der NICHT beschnittenen gegenüber steht ?
    Vor und Nachteil /Denken-> Dualer – Prozess ; CONTRA-> Toleranzbegriff, da Rücksichtnahme & Vernunft die „Dualität der Dinge“ in der Gesellschaft teilweise entschärfen könnte, sichere ich mit dem „Muß“ auf der Ebene zweier gleichstarker Gesprächspartner, hindeutungsweise auf Rücksichtnahme & Vernunft ! “ ergo “ -> Wir (alle Humanuiten) müssen uns selbst (Selbstbeherrschung) zum „besseren Mensch Sein“ zwingen !!! mfg. W. Haupt / Techniker

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