Im Gespräch mit Hülya Sözsahibi vom Fachbereichszentrum für Schlüsselqualifikationen der Frankfurter Goethe-Universität über die Bedeutung von Schlüsselqualifikationen
Justament: Frau Sözsahibi, seit dem Jahr 2003 ist in § 5a Abs. 3 des Deutschen Richtergesetzes der Grundsatz verankert, wonach die Schlüsselqualifikationen in der universitären juristischen Ausbildung zu berücksichtigen sind. Welchen Sinn hat diese Regelung?
Hülya Sözsahibi: Studierende sollen bereits so früh wie möglich „Schlüsselkompetenzen“ erwerben, Einblick in die Berufswirklichkeit erhalten, sich frühzeitig auf ihre Berufswahl konzentrieren; das bedeutet schon in frühen Studienjahren ihr Leben entsprechend planen und umsetzen zu können. Der Gesetzgeber wollte ihnen quasi so früh wie möglich den richtigen Schlüssel für ihre Türen geben. Studierende haben durch die praxisnahe Verknüpfung der Seminare aufgrund der interaktiven Gestaltung der Veranstaltungen die Möglichkeit, einen Einblick in die Berufswirklichkeit zu gewinnen. So können sie ihre Berufsvorstellungen mit den tatsächlichen Gegebenheiten durch Rollenspiele und Präsentationen abgleichen.
Justament: Welche Seminarthemen bieten Sie an der Uni in Frankfurt am Main an?
Hülya Sözsahibi: Oh, eine sehr umfangreiche Palette von insgesamt 25 Angeboten, davon 12 Lehrveranstaltungen in fremdsprachigen Rechtskenntnissen und Rechtsordnungen in insgesamt 11 Sprachbereichen. Das Angebot reicht von anglo-amerikanischer über romanische bis hin zu osteuropäischen Rechtsordnungen. Die 12 sogenannten „soft skills“, decken folgende Themen ab:
Die Anwaltskanzlei als Unternehmen- strategische, organisatorische, finanzielle und menschliche Herausforderungen, In-house Counsel – wie geht das?, Die Rolle der Schlüsselqualifikationen bei der Anwalts- und Berufsfeldorientierung (mit integriertem moot court zum Mietrecht), Verhandeln und Vergleichen, Kommunikation- und Gesprächsführung, Wirtschaftsmediation, Mandantengespräch, Sachverhaltsvortrag und Prozessführung im verwaltungsrechtlichen Mandat (am Beispiel des Asyl- und Ausländerrechts), Vernehmungslehre aus psychologischer Sicht (im blended learning),“Lernen lernen“, Zeit-, Selbst- und Lernmanagement zur effektiven Examensvorbereitung, Rhetorik für Juristen u.v.m.
Justament: Typischer Grund für die Entscheidung zum Jurastudium ist der, sich die Berufswahl noch eine Weile offen zu halten. Warum ist es trotzdem sinnvoll, sich bereits während des Studiums mit Themen wie Kanzleigründung und Kanzleiführung zu beschäftigen?
Hülya Sözsahibi: Als selbständige Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt ist man in erster Linie Unternehmer und erst an zweiter Stelle Jurist, hiermit scheinen die meisten Kanzleigründer Schwierigkeiten zu haben. Je früher man sich mit der Selbständigkeit beschäftigt, desto früher kann man den Markt kennen lernen und beginnen ihn zu beobachten, sich zu spezialisieren, sich für eine Kanzleiform zu entscheiden, Werbestrategien zu verinnerlichen, Netzwerke zu nutzen und Studienfreundschaften zu pflegen. Man erfährt rechtzeitig, dass die Mitgliedschaften, die ehrenamtlichen Engagements, die Praktika im Studium, die Nebenjobs ernst zu nehmen sind und wie man sie pflegt. Eine wichtige Rolle nehmen auch alle Themen rund um die Kommunikation ein: Gesprächsführung, Rhetorische Fähigkeiten, Verhandlungsführung, Mediationskompetenz. Die innere Haltung wird geschult: Wann sage ich nein, wie gehe ich mit Mandaten im Freundeskreis um, welches Mandat nehme ich an, welches nicht, wie kann ich mich abgrenzen. Gerade solche Fragen werden in den Veranstaltungen angerissen.
Justament: Als Geschäftsführerin haben Sie das Fachbereichszentrum aufgebaut, Sie halten die Fäden in der Hand und bieten auch selbst Veranstaltungen an. Wie haben Sie die Dozentinnen und Dozenten ausfindig gemacht und worauf achten Sie bei deren Auswahl?
Hülya Sözsahibi: Auf Kompetenz, Motivation und Empathie achte ich vorrangig in der Auswahl. Die meisten Dozenten kenne ich bereits durch meinen Freundes- und Bekanntenkreis sowie aus meinen Netzwerken. Außerdem sind unser Geschäftsführender Direktor Professor Zekoll sowie die Beirats- und Direktoriumsmitglieder des Fachbereichszentrums und die Professoren unseres Fachbereichs behilflich. Auch haben wir eine Kooperationsvereinbarung mit der Rechtsanwaltskammer Frankfurt, die uns bestens unterstützt, geeignete Dozentinnen und Dozenten zu finden.
Justament: Der durchregulierte Lehrplan eines Jurastudenten zielt normalerweise darauf hin, möglichst nach acht Semestern ein Prädikatsexamen hinzulegen. Wie kommen bei so viel Leistungsorientierung die Veranstaltungen zu soft skills bei den Studierenden an?
Hülya Sözsahibi: Zu Beginn der Seminare sehen es einige Studierende als zeitraubend an, in der Feedbackrunde teilen die Skeptiker jedoch ihre Begeisterung und den Erkenntnisgewinn für ihre weitere Studien- und Berufsplanung mit. In den Soft-Skill Seminaren holen sie sich die notwendige Motivation für ihren Abschluss. Die meisten sind mitten im Studium und haben fast schon vergessen, weshalb sie mit dem Jurastudium begonnen hatten. Wir fragen nach den wirklichen Absichten, nach ihren Stärken und Schwächen und reflektieren ihren tatsächlichen Wunsch, geben ihnen Hilfestellungen zu ihrem Ziel-, Zeit- und Lernmanagement. Vor allem erleben sie durch die Fall- und Rollenspiele, durch Simulationen von Vergleichsverhandlungen oder Mandantengespräche, welche Fähigkeiten sie bereits besitzen. Die Studierenden sind nach einem solchen Seminar hochmotiviert, die meisten gehen mit weitaus mehr Gefühl für das Berufsleben nach Hause.
Justament: Eine Besonderheit Ihres Fachbereichszentrums für Schlüsselqualifikationen besteht darin, dass Sie auch Veranstaltungen für Referendare und Volljuristen anbieten, zu denen auch auswärtige Teilnehmende nach Frankfurt anreisen. Worum geht es dabei?
Hülya Sözsahibi: Wir bieten mit unserem englischsprachigen Weiterbildungsprogramm „German & International Arbitration – Deutsche & Internationale Schiedsgerichtsbarkeit“ eine exzellente Spezialisierung in einem zukunftsträchtigen Rechtsgebiet durch hochrangige Schiedsrechtler aus der Wirtschafts- und Finanzmetropole Frankfurt an. In der globalen Welt bilden wir erfolgreich wettbewerbsfähige Juristinnen und Juristen ausbilden. In Kooperation mit dem Frankfurt Arbitration Circle befinden wir uns im vierten Durchgang dieses berufsbegleitenden Vorlesungsprogramms. Immer im Sommersemester eines jeden Jahres – also im Sommer 2013 wieder – haben wir maximal 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Diese setzen sich zu je einem Drittel aus Volljuristen, Referendaren und Studierenden zusammen, die in den frühen Abendstunden nicht nur ihre Kenntnisse vertiefen, sondern sich auch vernetzen.
Weiterhin ermöglichen wir interessierten Juristen mit einer öffentlichen abendlichen Vortragsreihe „Anwaltliche Berufsbilder“ einmal im Monat, Einblick in verschiedene Anwaltsberufe zu erhalten sowie Anwälte kennen zu lernen.
Justament: Herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Sözsahibi.
Das Gespräch führte Justament-Mitarbeiterin Martina Weber.
Hülya Sözsahibi (geb. Arslaner), Jurastudium in Frankfurt am Main und Paris, Referendariat in Darmstadt, Ankara und Berlin, Rechtsanwältin und Mediatorin, seit Mai 2007 Geschäftsführerin des Fachbereichszentrums für Schlüsselqualifikationen am Fachbereich Rechtswissenschaften an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.
Informationen:
http://www.jura.uni-frankfurt.de/41138262/zentrum_slq