Über das einleitende Vorgeplänkel gehen die Meinungen auseinander
Ahejus Fidelio
Es wird kontrovers diskutiert, ob ein Vorstellungsgespräch mit oder ohne Small Talk beginnen sollte. Diesbezüglich gibt es viel Pro und viel Contra. Aber entscheidend ist in der realen Gesprächssituation, was dem, der sich persönlich vorstellt, gut tut. Small-Talk zu Beginn kann Lampenfieber bremsen. Dieses BlaBla zu Beginn eines persönlichen Vorstellungsgespräches kann die Nervosität eines Bewerbers aber auch noch mächtig steigern.
PRO: Small Talk als Lampenfieber-Bremse
Der Personalreferent eines deutschen Unternehmens eröffnet ein Vorstellungsgespräch nicht selten mit alltäglichen Bemerkungen. Er erkundigt sich nach dem allgemeinen Befinden. Er stellt die Eingangsfrage „Haben Sie gut hierher gefunden?“. Und er orakelt vielleicht auch noch ein bisschen über das Wetter und über die Daily News.
Das ist für den einen oder anderen belangloses, überflüssiges BlaBla, aber in der Tat handelt es sich dabei um den international üblichen Code eines eingebürgerten Begrüßungsrituals.
Wenn ein bundesdeutscher Personalreferent oder vielleicht sogar der Firmenchef höchstpersönlich seine Vorstellungsgespräche mit Small Talk eröffnet, so befürwortet er „Socialising“, was wörtlich übersetzt „Sozialisierung“ bedeutet. Dabei handelt es sich um eine Art „Warm-up“ als Entree zwecks Initialzündung, die aus dem American Business stammt. Socialising geleitet insbesondere Geschäftspartner unterschiedlicher Kulturen und Religionen an einen Verhandlungstisch.
Ob Personalreferent oder Abteilungsleiter, Chefsekretärin oder Handwerksmeister, wenn ein Interviewer seine Vorstellungsgespräche mit Small Talk eröffnet, will er mit seinem Bewerber warm werden. Dann signalisiert er, dass er für sein Gegenüber eine Atmosphäre der Harmonie auf gleicher Augenhöhe schaffen möchte.
Mit Sätzen der Menschlichkeit begrüßt man einen gleichwertigen Interviewpartner, von dem man erwartet, dass er sich um eine ganz bestimmte feste Anstellung in einem Unternehmen bewirbt, indem er die Regeln des Verhandlungsmanagements anwendet.
Sesam öffne dich! – Das waren die drei Zauberworte, mit denen einst Ali Baba und die 40 Räuber einen Schatzberg öffneten. Diese drei Zauberworte wurden zum Vorbild für jene drei magischen Begrüßungssätze, mit denen sich heutzutage jeder Personalreferent einen Weg zum Herzen seines Bewerbergastes bahnt: Es ist legitim, wenn man von vornherein gerne wissen möchte, mit wem man es als Mensch zu tun bekommt, bevor derjenige, der sich vorstellt, als versierter Verhandlungspartner argumentiert und Schritt für Schritt nachweist, warum er einen berechtigten Anspruch auf die Stelle erhebt, für die er sich bewirbt.
Da es zum guten Ton gehört, in das anfängliche Socialising auch noch zwei bis drei Sätze über das Unternehmen einzubauen, ist der lockere Plauderton zu Beginn eines Vorstellungsgespräches ein bisschen mehr als BlaBla und Small Talk.
CONTRA: Wenn Small Talk den Bewerber verwirrt
Vergegenwärtigen wir uns nun einmal die Situation unmittelbar vor einem wichtigen Bewerbungsgespräch: Vor dem Eingang des Gesprächszimmers wartet ein nervöser Bewerber (m/w), der vor Aufregung zittert, und der es kaum erwarten kann, seine wichtigsten Sätze loszuwerden. In Gedanken wiederholt dieser Bewerber (m/w) immer wieder die Gesprächsstrategie, mit der er beim Interviewer Eindruck machen will.
Und plötzlich ist es so weit. Er tritt in das Büro des Personalchefs ein und möchte am liebsten gleich „in medias res“ gehen, um nicht zu vergessen, was er sich mühsam zurechtgelegt hat.
Doch da wird er gefragt, wie es ihm geht, obwohl ihm die Angst und Anspannung deutlich ins Gesicht geschrieben steht.
Doch da wird er gefragt, ob er gut zum Unternehmen hingefunden hat, obwohl er zuvor als kostenloser Praktikant schon vier Wochen lang tagtäglich in die Firma gekommen ist.
Doch da wird er nach dem werten Befinden seiner Ehegattin gefragt, obwohl er sich mit dieser gerade gestritten hat.
Doch da wird er nach dem Schnee auf der Straße gefragt, und er empfindet es geradezu als Frechheit, dass der Interviewer aus dem Fenster schaut und auf das schlechte Wetter zu sprechen kommt, anstatt von vornherein auf ihn und auf das Wichtigste einzugehen: nämlich darauf, was sich der Bewerber (m/w) überlegt hat, um sich verbal von der besten Seite zu zeigen, damit er eine Chance auf Übernahme bekommt.
Wenn Small Talk zu Beginn eines Bewerbungsgespräches einen Bewerber verwirrt, einschüchtert und geradezu verhindert, dass er in die Gänge kommt, dann macht ein kerniges „Grüß Gott, na nun erzählen Sie mal!“ mehr Sinn als alle möglichen, x-beliebigen Höflichkeitsfloskeln, die normalerweise auch im Aufzug des Treppenhauses gewechselt werden.
Mit anderen Worten: Wenn Small Talk zu Beginn eines Bewerbungsgespräches einen Bewerber geradezu ärgern und vergessen lassen, was er zuvor für seine persönliche Vorstellung auswendig gelernt, ja vielleicht sogar zuhause vor dem Spiegel einstudiert hat, dann scheint es eine Überlegung wert, als Interviewer am besten – ohne Vorgeplänkel – so schnell wie möglich auf den Punkt zu kommen.
Wäre das Vorstellungsgespräch ähnlich wie ein Menü, dann käme im Falle von „Contra gegen Small-Talk und BlaBla am Anfang eines Vorstellungsgespräches“ sinnbildlich also zuerst einmal der Hauptgang und anschließend der Begrüßungssekt, das Appetithäppchen (amuse geule), die Vorspeise und der Aperitif an die Reihe.