Justament-Autor Oliver Niekiel testet den FA-Lehrgang im Handels- und Gesellschaftsrecht an der Hagen Lawschool
Mittlerweile 20 verschiedene Fachanwaltschaften ermöglichen es dem Rechtsanwalt, sich entsprechend seiner Vorlieben zu spezialisieren und dies nach außen hin zu dokumentieren. Wesentliche Voraussetzung für den Erwerb einer Fachanwaltsbezeichnung ist – der geneigte Justamentleser wird es wissen – die erfolgreiche Teilnahme an einem Fachanwaltslehrgang. Neben den reinen Präsenzlehrgängen werden inzwischen sogenannte hybride Kurse angeboten, also Kombinationen aus Präsenz- und Fernlernphasen. Noch einen Schritt weiter geht die Hagen Law School, die – mit Ausnahme der Klausurtermine – vollständig auf Präsenzveranstaltungen verzichtet.
In erster Linie die Vorstellung, auf dem Weg zum Fachanwalt nicht mehrere Wochenenden im Hotel verbringen zu müssen, führte mich auf die Homepage der Hagen Law School. Ein Blick in die dort bereitgestellten Informationen überzeugte mich schließlich, sodass ich mich zu dem Lehrgang im Handels- und Gesellschaftsrecht anmeldete. Schon wenige Tage nach der Vertragsunterzeichnung hielt ich das Paket mit den kompletten Kursmaterialien in den Händen. Insgesamt neun Skripte im Umfang von – je nach Kurseinheit – knapp 70 bis 280 Seiten und zwölf Einsendeaufgaben warteten fortan darauf, durchgearbeitet zu werden. Dabei umfassten die Unterlagen folgende Themenbereiche:
* Materielles Handelsrecht (Handelsstand, Recht der Handelsgeschäfte, Handelskauf und UN-Kaufrecht), Schiedsgerichtsbarkeit;
* Recht der Personengesellschaften inklusive familienrechtlicher Bezüge;
* GmbH-Recht (mit Bezügen insbesondere zum Gewerberecht und Handwerksrecht);
* Recht der Aktiengesellschaften;
* Ausländische und internationale Gesellschaftsformen (insbesondere Ltd. und SE), Internationales Gesellschaftsrecht;
* Unternehmenskauf und Anteilsübertragung (mit Bezügen zum Kartellrecht), Umwandlungsrecht inklusive steuerrechtlicher Bezüge;
* Grundzüge des Bilanz- und Steuerrechts (steuerliche Gewinnermittlung, Besteuerung der Personen- und Kapitalgesellschaften, Umsatz- und Gewerbesteuer), Grundfragen der Unternehmensfinanzierung;
* Bezüge zum Dienstvertrags- und Arbeitsrecht (insbesondere zum Mitbestimmungsrecht), Bezüge zum Versicherungsrecht sowie zum Handwerks- und Gewerberecht, Bezüge zum Insolvenzrecht (unter Einschluss der Sanierung) und zum Strafrecht, unentgeltlicher Gesellschafterwechsel und Unternehmensnachfolge;
* Verfahrens- und Prozessführung (insbesondere Gesellschafterstreitigkeiten).
Um es vorweg zu nehmen: Das intensive Durcharbeiten der Unterlagen kostete eine Menge Zeit. Die Unterschiede erwiesen sich bei den einzelnen Einheiten jedoch als erheblich. Dies lag – neben dem unterschiedlichen Umfang der einzelnen Skripte – im Wesentlichen an den vorhandenen (und nicht vorhandenen) Vorkenntnissen sowie an der Struktur der jeweiligen Einsendeaufgaben. So konnte ich als Fachanwalt für Steuerrecht die Unterrichtseinheit zum Steuerrecht relativ schnell abarbeiten. Dagegen erforderte etwa die Einheit zum Aktienrecht deutlich mehr Anstrengung. Hinzu kam, dass sich die Einsendeaufgaben teilweise mit Hilfe des Gesetzes und den Unterrichtsmaterialien gut lösen ließen, während andere Aufgaben ohne Hinzuziehung von Sekundärliteratur aus meiner Sicht jedenfalls nicht so bewältigt werden konnten, dass die theoretisch stets möglichen 100 Punkte in Blickweite gerieten. Die Lösung der einzelnen Aufgaben nahm jeweils mehrere Stunden in Anspruch, zwei bis drei waren es mindestens pro Einheit – eher mehr. Das Durcharbeiten der Skripte nahm in der Regel mehr als die veranschlagten zehn Stunden pro Einheit in Anspruch. Dies kann aber auch daran gelegen haben, dass ich die eine oder andere Quelle nachgeschlagen und stets wichtige Dinge zum Lernen herausgeschrieben habe.
Die eingesendeten Aufgaben erhielt ich alle innerhalb von sechs Wochen korrigiert zurück, die meisten sogar deutlich schneller. Die Korrekturanmerkungen waren zwar alles andere als hilfreich, beschränkten sich in der Regel auf „knapp“ oder ähnlich nichtssagende Floskeln. Dafür gab es aber ausführliche Musterlösungen, die den korrigierten Aufgaben beigefügt waren. Begleitet wurde das Lernen durch regelmäßige E-Mails des Kursbetreuers, in denen auf aktuelle Gerichtsentscheidungen aus dem Handels- und Gesellschaftsrecht hingewiesen wurde. Ein schöner Service, insbesondere auch für all diejenigen, die nicht regelmäßig die NZG oder GmbHR lesen. Daneben wurden auch die Unterrichtsunterlagen regelmäßig online aktualisiert, wobei auf Änderungen per E-Mail hingewiesen wurde.
Nachdem alle Einsendeaufgaben bestanden waren, was insgesamt etwa sechs Monate dauerte, konnte ich mich für die Abschlussklausuren anmelden. Diese wurden an verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Terminen angeboten. Da der für mich nächste Termin derjenige vom 1. bis zum 3. März 2013 war, konnte ich zwischen den Orten Hannover, Hagen und München wählen. Ich entschied mich schließlich für Hannover, sodass ich im nahegelegenen Congress-Hotel übernachten konnte – sehr praktisch. Für die Klausurenvorbereitung opferte ich eine Woche Urlaub, was sich im Nachhinein aber als richtig herausstellte. Die Stoffmenge ist nicht zu unterschätzen. Es wurden insgesamt drei Klausuren über jeweils fünf Stunden geschrieben. Die erste Klausur hatte insbesondere Fragen des Personengesellschaftsrechts zum Gegenstand. So ging es etwa um die Zulässigkeit vertragsändernder Mehrheitsbeschlüsse, den gesellschaftsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz und die inhaltlichen Grenzen eines Wettbewerbsverbots. In der zweiten Klausur lag der Schwerpunkt auf handelsrechtlichen Problemen. Gegenstand waren etwa das kaufmännische Bestätigungsschreiben sowie Fragen rund um den § 377 HGB (Anwendbarkeit auf Rechtsmängel, ordnungsgemäße Mängelrüge usw.). Am dritten Tag schließlich ging es um das Aktienrecht. Hier waren insbesondere zwei Themengebiete gefragt. Zum einen ging es um die Vereinbarkeit von Aufsichtsratsmandaten mit Beratungsleistungen an die AG, zum anderen spielten die Rechte der Aktionäre, insbesondere das Fragerecht und die Beteiligung an einer Kapitalerhöhung, eine große Rolle. Die Klausuren waren durchaus anspruchsvoll und erforderten aus meiner Sicht eine gewissenhafte Vorbereitung. Diese war auch schon deshalb erforderlich, weil alle Themengebiete innerhalb von drei Tagen abgeprüft wurden. Mancher mag das System bevorzugen, bei dem nach jedem Themenblock eine Klausur geschrieben wird. Aber so war das Ganze auch machbar (wobei auch manche durchgefallen sind, mir die Bestehensquote aber nicht bekannt ist). Als Verpflegung gab es Getränke und Schokoriegel – gesponsert von der Hagen Law School. Die Klausurergebnisse wurden nach etwa acht Wochen auf der Homepage der Hagen Law School veröffentlicht, einige Tage später hatte ich die korrigierten Klausuren im Briefkasten.
Im Nachhinein würde ich, der in einem anderen Gebiet schon einen Präsenzlehrgang besucht hat, den Kurs wieder machen. Zwar denke ich auch an meinen Präsenzlehrgang (im Steuerrecht) gern zurück, habe dort viel gelernt und interessante Tage verbracht. Aber der Fernkurs lässt nichts vermissen. Die Einsendeaufgaben erfordern zwar eine gewisse Disziplin, aber ohne die geht es ja ohnehin nicht. Durch sie ist sichergestellt, dass man sich tatsächlich mit der Materie beschäftigt – vielleicht sogar intensiver als in einem Präsenzlehrgang, bei dem am späten Nachmittag die Konzentration bei jedem Zuhörer nachlassen dürfte. Der Wegfall von Fahrt- und Übernachtungskosten hat das Ganze in einem finanziell niedrigen Rahmen gehalten. Die Lehrgangsgebühr beträgt 1.799 €, für Referendare und Berufsanfänger gibt es eine Ermäßigung. Und was auch wichtig ist: Die Klausuren wurden durch die RAK anerkannt, sodass ich mich jetzt Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht nennen darf. Wer sich einen breiten Überblick über das Handels- und Gesellschaftsrecht verschaffen möchte, ist daher bei der Hagen Law School ebenso gut aufgehoben wie jemand, der auch den Erwerb des entsprechenden Fachanwaltstitels anstrebt.
Fazit: Empfehlenswert.