„Verteidigung in Vollstreckung und Vollzug“ von Helmut Pollähne und Ines Woynar in 5. Auflage
Jens Jenau
Qualifizierte Strafverteidigung endet nicht mit der Rechtskraft des Urteils. Diese Tatsache – oder besser dieser Anspruch an seine Aufgabe – gerät bei vielen Strafverteidigern in Vergessenheit. Um dieses Bewusstsein weiter zu stärken, liegt jetzt das von Bernd Volckart begründete Werk in der fünften Auflage vor. Die Neuauflage wurde aus mehren Gründen erforderlich. Neben der Vielzahl veröffentlichter Entscheidungen im Bereich der Vollstreckung und Vollzug seit der Vorauflage – zugleich Spiegel einer intensiveren Verteidigung in den genannten Gebieten – waren die Novellierung des Sanktionssystems im Jugendstrafrecht, sich überholende Gesetzgebung zur Sicherungsverwahrung, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Maßregelvollzug und die neue Strafvollstreckungsordnung aufzunehmen.
Mit dem Handbuch aus der Reihe „Praxis der Strafverteidigung“ wollen die Autoren Dr. habil. Helmut Pollähne, Rechtsanwalt und Privatdozent an der Universität Bremen und Dr. Ines Woynar, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht in Hamburg, mehr Orientierung in Rechtsfragen und Tätigkeitsfeldern bieten und zugleich fall- und problemorientiert aktuelle Streitfragen vertiefen. Dabei beziehen sie aus Verteidigungsperspektive und im Interesse des Mandanten rechts- und kriminalpolitisch Position. Orientiert an den Grundrechten der Betroffenen erhält der Leser in den nachvollziehbaren Ausführungen Anregungen, um für seinen Mandanten schrittweise Verbesserungen in der Strafvollstreckung oder im Strafvollzug zu erstreiten.
Das sechsteilige Handbuch legt den Schwerpunkt das schwierige Strafvollstreckungsrecht. Allerdings findet das Strafvollzugsrecht durchaus mit den entscheidenden strafvollzugsrechtlichen Themen angemessene Beachtung.
Teil 1 widmet sich der Verteidigung und den Rechtsbehelfen im Rahmen der Vollstreckung. Verschiedene Rechtsbehelfe, zB. § 458 Abs. 1 und § 458 Abs. 2, 459 h StPO, das Gnadenverfahren, die Verfassungs-/Menschenrechtsbeschwerde und die Entschädigung und im Rahmen der Verteidigung etwa die Wahl- und Pflichtverteidigung sind erläutert. Im Kapitel Akteneinsichtsrecht sind die verschiedenen Akten vom Vollstreckungs- und Bewährungsheft, über die Gefangenenpersonalakte bis zur Krankenakte bearbeitet.
Detailreich konzentriert sich Teil 2 auf die Vollstreckung bei dem noch in Freiheit befindlichen Mandanten. Neben der Kriminalprognose findet man hier umfangreiche Ausführungen und Einwendungen zur Freiheitsstrafe, wenn deren Vollstreckung nicht ausgesetzt oder ausgesetzt ist, zur Geldstrafe, zum Fahrverbot, weiteren Nebenfolgen, zu freiheitsentziehenden und freiheitsbeschränkenden Maßregeln und zu jugendstrafrechtlichen Sanktionen. Besonders hervorzuheben sind im Bereich der jugendstrafrechtlichen Sanktionen die Ausführungen innerhalb des materiellen Vollstreckungsrechts, in denen auch auf den neuen „Warnschuss-Arrest“ (§ 8 Abs. 2 S. 2 JGG) eingegangen ist. Konsequenterweise beschäftigt sich Teil 3 mit der Vollstreckung gegenüber dem eingesperrten Mandanten. Neben Ausführungen zum vorläufigen Freiheitsentzug bei der Vollstreckung sind hier umfangreiche Erläuterungen zur Freiheitsstrafe, Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie zur Jugendstrafe zu finden.
Das Vollzugsrecht ist Thema des überarbeiteten 4. Teils. Für die meisten Berufsanfänger ist dieser Bereich völliges Neuland, da es in der gesamten juristischen Ausbildung ein äußerstes Schattendasein führt. Die Autoren geben zuerst grundsätzliche Ausführungen zur Verteidigung im Vollzug. Es folgt eine umfassende Aufbereitung des Strafvollzugs. Zunächst erhält der Leser einen kurzen Überblick zu den Antragsarten, den Zulässigkeitsvoraussetzungen und der für das Verfahren wichtigen Tatsachenaufbereitung. Ferner ist die rechtliche Struktur des Vollzugs(gerichts)verfahrens bearbeitet, bevor sich die Autoren mit praxisnahen und kompakten Ausführungen den Antragsarten im Einzelnen – angefangen beim Anfechtungsantrag über den Untätigkeits- bzw. Vornahmeantrag bis zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung – zu wenden. Es folgen die wichtigsten Verteidigungsfelder/-themen im Strafvollzugs (zB. Recht auf Schriftwechsel, Vollzugslockerungen und Urlaub, Verlegung in ein anderes Bundesland etc.), bevor Rechtsbeschwerde und Beschwerde skizziert sind. Der Maßregelvollzug und der Jugendstrafvollzug beenden diesen Teil.
In knapper Form führen die Autoren im Teil 5 in das Bundeszentralregistergesetz ein. Teil 6 bietet jeweils sechs insbesondere für den anwaltlichen Neuling auf dem Gebiet des Vollstreckungs- und Vollzugsrechts nützliche Muster zur Verteidigung in Vollstreckungssachen und Vollzugssachen. Abgedruckt sind Muster zB. zur Zurückstellung der Strafvollstreckung gem. § 35 BtMG, zur Strafaussetzung zur Bewährung (Verfahren gem. § 57 Abs. 2 StGB), zum Verpflichtungsantrag nach §§ 109 ff. StVollzG oder zur Rechtsbeschwerde zum OLG (§ 116 StVollzG).
Fazit: Das bewährte Handbuch „Verteidigung in Vollstreckung und Vollzug“ gibt mit seinen vielfältigen Praxishinweisen und den Mustern einen schon tiefer gehenden Überblick. Es zeigt Möglichkeiten auf, dem Mandanten zu helfen, um dessen Situation zu verbessern. Die Autoren arbeiten in ihren Ausführungen besonders das Ineinandergreifen der verwaltungs- und strafverfahrensrechtlichen Vorschriften heraus. Insofern ist die Anschaffung des Handbuchs dem bereits erfahrenen Strafverteidiger und demjenigen Anwalt, der sich erst auf die Strafverteidigung spezialisieren will, anzuraten.
Verteidigung in Vollstreckung und Vollzug
Pollähne/Woynar,
5. Aufl. 2014, 318 S., 49,99 €,
Verlag C.F. Müller,
ISBN: 978-3-8114-4615-1